„Päderasten in den Ofen!", „Schwule weggesperrt!", „Tod den Perversen!" - so oder ähnlich denken viele in Russland, Polen, Lettland oder anderen
osteuropäischen Ländern, und das nicht nur im stillen Kämmerlein. Als Reaktion auf die derzeit stattfindenden Manifestationen für die Gleichberechtigung sexueller Minderheiten formiert sich in Osteuropa eine Einheitsfront, die je nach Fanatisierungsgrad gegen ihre Feinde skandiert, betet oder zuschlägt. Teil 2.
St. Petersburg: Der CSD, den keiner wollte
Als gebürtiger Petersburger ist man auf die Grazie der von Peter dem Großen gegründeten Stadt, das „Venedig des Nordens", stolz und beansprucht, einen kulturvolleren und gediegeneren Lebensstil als im lauten, aggressiven Moskau zu zelebrieren. Diesem Geist verpflichtet, erachtete es das gut organisierte Netz hiesiger LGBT-Organisationen bislang für sinnvoller, statt bunter Paraden lieber weniger spektakuläre Aufklärungsarbeit in Sachen sexueller Vielfalt zu leisten.
Und so rieben sich Petersburgs Aktivisten im April verwundert die Augen, als sich eine bis dato unbekannte Gruppe für „Alternativsexuelle" kurzfristig anschickte - hpd berichtete -, zum jährlichen Stadtgeburtstag am 26. Mai den ersten CSD in der Geschichte der Stadt durchzuführen. Bei der allgemein negativen Einstellung der Bevölkerung gegenüber Schwulen und Lesben waren das Datum und der zentrale Newski-Prospekt als Ort zumindest politisch gewagt, wenn nicht bewusst provokativ ausgewählt worden.
So kam den LGBT-Aktivisten auch bald zu Ohren, dass es sich bei der geplanten Aktion um eine Provokation handeln könnte, die Schlägereien zwischen potenziellen Gegnern der Gay-Parade und den Teilnehmern dieser Demonstration herbeiführen sollte. Eine gute Gelegenheit für interessierte Kreise, weiter Stimmung gegen sexuelle Minderheiten zu machen. Zudem verhielten sich die „alternativsexuellen" CSD-Organisatoren sehr konspirativ. Trotz Anfragen konnten die Petersburger LGBT-Gruppen keine Inhalte und Konkretes zum angekündigten Ereignis in Erfahrung bringen.
Auf der anderen Seite schlossen sich 17 politische, religiöse und kulturelle Organisationen der Stadt in kürzester Zeit zusammen und verlangten Mitte Mai, das bekannt gewordene CSD-Vorhaben zu verbieten. In einem Schreiben an die Stadtbehörden hieß es: „Die Durchführung einer Gay-Parade in unserer Stadt, allein schon die Initiative zu ihrer Durchführung ist eine Schändung des heiligen Andenkens an die Millionen Leningrader, die in den Blockadetagen zugrunde gingen, an die Petersburger, die diese wunderbare Stadt gebaut und bewohnt hatten. Sie beleidigt und erniedrigt die Gefühle der überwiegenden heutigen Mehrheit der Stadtbewohner. All das löst bei unseren Mitbürgern eine negative Reaktion aus und führt zu einer unvermeidlichen scharfen Zuspitzung der sozialen Spannungen." Nach Ansicht der Verfasser des Aufrufes seien „die wie auch immer gearteten Veranstaltungen, die die Verkündung von Laster in sich tragen und die Menschenwürde beleidigen, unzulässig", teilte die Nachrichtenagentur RIA Novosti mit (Deutsch).
Daraufhin verkündete das LGBT-Netz in einem Schreiben an die Petersburger Gouverneurin mit, dass es an einer Gay-Parade nicht teilnehmen werde, selbst wenn diese erlaubt würde. Am 26. Mai kam keiner in Sankt Petersburg zu einem CSD. Eine möglicherweise gezielte Provokation war missglückt. Aber die Bevölkerung der Stadt, die sich gegenüber Bildung und Kultur besonders verpflichtet fühlt, ist noch weit entfernt von einer demokratischen Gesellschaft, die alle ihre Mitglieder als vollwertig anerkennt.
Unterdessen schüren Vertreter der „orthodoxen Öffentlichkeit" Petersburgs schon wieder Angst vor einem drohenden „schwulen Totalitarismus" und warnen vor homosexuellen Manifestationen, wenn das Pop-Urgestein Elton John ein Konzert am 6. Juli vor dem Winterpalais geben wird. Schließlich sei er „ein bekannter Sodomit und einer der Hauptaktivisten der Schwulenbewegung." (Quelle).
Riga: „Tag des Sieges" gegen einen CSD, der dennoch stattfand
Der „sowjetische Westen", wie man das Baltikum wegen seines höheren Lebensniveaus in der UdSSR nannte, ist froh, sich von Russland befreit zu haben. Die jungen EU-Mitglieder blicken auf eine langjährige eigenständige Kultur, die sie sich bis heute bewahren konnten. Doch auch in Riga, Tallinn und Vilnius, wo man sich stets betont westlich im Vergleich zum russischen Osten gab, herrscht eine irrationale Homo-Hysterie, die von kirchlichen wie politischen Spitzen unterstützt wird.
So hat der lettische Kardinal Janis Pujats Anfang Mai dieses Jahres Homosexualität als „völlige Entgleisung im Feld der Sexualität" und als „unnatürliche Form der Prostitution" bezeichnet. Als oberster Katholik des Landes rief er seine Mitbürger dazu auf, gegen den geplanten Rigaer CSD auf die Straße zu gehen. Daraufhin organisierten „Retter der christlichen Nation" am 31. Mai eine Kundgebung auf dem Rathausplatz. Mehr als 100 Teilnehmer skandierten, beteten und sangen gegen Homosexualität, Sittenverfall, Prostitution, Drogensucht und all die Laster, die sie den „nichttraditionellen sexuellen Minderheiten" andichten.
Im Video von der Kundgebung erklären sie, Europa sei gar nicht so stark und solle seinen Dreck vor der eigenen Tür kehren. Völker, die die heiligen Bücher fortwerfen würden, seien schwach. Völker, die die Bibel in Ehren halten - stark. Lettland zeige der ganzen Welt, dass es „in unikaler ökumenischer Einheit" (von lettischen Katholiken und russischen Orthodoxen) möglich sei, der Sünde und homosexuellen Subkultur, die zum Aussterben einer Nation führe, zu widerstehen. Die Veranstaltung sei ein großer Tag des Sieges für die christlichen Werte und für die Familie. Lettlands Väter und Großväter hätten ihr Blut nicht zur Befreiung von der Sowjetmacht vergossen, damit man sich heute auf „billige Laster des Westens" einlassen müsse und seine Freiheit verliere. Lettland sei nicht bereit, sich für europäische Gelder zu prostituieren. Amen!
Trotzdem ging der Rigaer CSD am 3. Juni weitgehend friedlich über die Bühne. Rund 500 Teilnehmer demonstrierten - hermetisch von der Polizei abgeschirmt - für ihre rechtliche Gleichstellung. Volker Beck von den Grünen im Bundestag war neben anderen Parlamentariern angereist und berichtete: „Man kam sich ein bisschen wie George W. Bush in Heiligendamm vor. Am Ende der Veranstaltung wurden die Teilnehmer mit Bussen evakuiert." Die Durchführung des CSD zeige, „dass die Sicherheitskräfte noch lernen müssen, dass der Schutz einer Veranstaltung nicht zur Unsichtbarkeit führen darf." Er bezeichnete die erste genehmigte CSD-Parade in Lettland dennoch als „großen Erfolg".
Video von der Anti-Gay-Kundgebung (Russisch)
Berichte vom Rigaer CSD (Deutsch), (Deutsch) und (Englisch)
Warschau: Teletubbies schwul?
Welche abstrusen Auswüchse die in Polen grassierende Homophobie erreicht hat, zeigte sich dort erst wieder vor kurzem. Nachdem die Warschauer „Parade der Gleichheit" unter einer neuen, liberalen Bürgermeisterin genehmigt und am 20. Mai friedlich verlaufen war, ließen neue Eskapaden der erzkonservativen Regierung gegen Schwule und Lesben nicht lange auf sich warten.
Anna Sobecka, Chefin des Parlamentsausschusses für Familien, forderte in der Woche nach dem CSD, dass Kinder vor homosexuellem Einfluss in den Medien geschützt werden müssten. So wollte sie psychologisch prüfen lassen wollte, inwieweit die britische Kinderserie „Teletubbies" schädlich für die Kleinen sei. „Ich habe bemerkt, dass Tinky Winky eine Handtasche trägt, aber mir war nicht bewusst, dass er ein Junge ist", erklärte Sowinska. „Später habe ich erfahren, dass da ein homosexueller Zusammenhang verborgen sein kann." Nachdem die Kinderschützerin sich damit zum Gespött gemacht hatte, nahm sie ihr Ansinnen zurück. Wir wünschen ihr gute Besserung! (Quelle 1) (Deutsch) und (Quelle 2) (Englisch)
Tibor Vogelsang
Lesen Sie hier den ersten Teil des Beitrags.