Mission Uni?

FREIBERG (Sachsen). Vergangene Woche fanden an der TU Bergakademie Freiberg

die "Hochschultage" der SMD - Studentenmission Deutschland statt.

Erlebnisbericht eines kritischen Studenten.

Die SMD-Hochschulgruppe lud an vier Abenden zu Vorträgen rund um den Glauben ein und gestaltete ein buntes Rahmenprogramm. Weiterhin standen die so genannten "Mitarbeiter" der Hochschulgruppe jeden Mittag vor der Mensa für Fragen zur Verfügung. Wie auf dem Foto zu erkennen ist, waren die Studenten der Universität Mittags allerdings eher an einer warmen Mahlzeit als an einem Gespräch mit den Leuten in blauen T-Shirts interessiert – dabei sollen sie sich doch nicht um das Weltliche sorgen, schließlich versorgt der Herr auch jede Meise mit dem dessen sie täglich bedarf! Ich habe mir zwei der abendlichen Vorträge angehört, fleißig mitgeschrieben und möchte dem geneigten Leser davon berichten.

"Warum glauben, wenn die Wissenschaft doch Wissen schafft?"

Den Anfang machte Prof. Dr. Hägele, Physiker der Uni Ulm im Ruhestand, am Montagabend mit seinem Vortrag "Warum glauben, wenn die Wissenschaft doch Wissen schafft?". Eine berechtigte Frage, die aber, wie zu erwarten, im Sinne des Glaubens, um genau zu sein, des christlichen Glaubens, beantwortet wurde.

Vor Beginn des eigentlichen Vortrags, dem schätzungsweise 70-100 Menschen lauschten, trat ein Holzbläserquintett auf, welches ein Sonett spielte. Die klare Ansage wenig später im Vortrag: Naturwissenschaft kann nur erklären wie sich die Schallwellen verhalten, aber nicht warum wir die Musik schön finden, dazu benötigt man Gott. Doch der Reihe nach.

Zunächst stellte der Referent Zitate einiger Wissenschaftler zum Thema Glauben vor. Dabei wurden u.a. Francis S. Collins (Human Genome Project) als gläubiger Wissenschaftler und Richard Dawkins als "dogmatischer Atheist" sowie die Giordano-Bruno-Stiftung und deren kommende Preisverleihung an Dawkins erwähnt. Prof. Hägele bezeichnete den Slogan "Glaubst du noch oder denkst du schon" als naiv und nahm damit ein Fazit seines Vortrags schon vorweg, nämlich dass die Naturwissenschaft sich in jedes Weltbild integrieren ließe. Der wesentliche Teil des Vortrags bestand nun aus einer Vorstellung der naturwissenschaftlichen Methodik und ihrer (vermeintlichen) Grenzen. Neben Empirik und Analyse besteht laut Prof. Hägele noch eine "dritte Dimension" der Methodik, die Dimension der Leitmotive. Er veranschaulichte dies am Beispiel der "ptolemäischen Epizykel". Ptolemäus hatte die "Leitidee" dass alles am Himmel perfekt ist und der Kreis diese Perfektion besitzt, also müssten sich die Sterne auf Kreisbahnen um die Erde bewegen. Im Prinzip ist diese "thematische" dritte Dimension also nur eine Umschreibung für Axiome ("Erde ist Mittelpunkt des Universums", "am Himmel gibt es nur perfekte Kreise" usw.). Doch genau hier begann die abstruse Argumentation des Referenten. Weil wir Axiome haben und Modelle sowieso vereinfachen, verwehren Sie uns eine "tiefere Erkenntnis der Wahrheit", eine Phrase die man von Christen jeglicher Coleur immer wieder zu hören bekommt.

Schnell kommt der Vortrag zu den "absoluten Grenzen des Wissens". Die Wissenschaft (welche er in seinem Vortrag seltsamerweise auf die Naturwissenschaft bzw. die Physik reduzierte) könne nur Antwort auf die WIE - Fragen liefern, jedoch nicht auf die WARUM - Fragen und erst recht könne sie keinen Sinn, kein Ziel, keine ethischen Maßstäbe usw. vermitteln. Weiterhin kritisierte Prof. Hägele, dass aus dem methodischen Atheismus (beim Lösen von Differenzialgleichungen verzichten wir auf die Variable "Gott") ein, wie er es nennt, "dogmatischer Atheismus" geworden sei, nämlich die Aussage "Wenn alles ohne Gott geht, dann gibt es ihn wohl auch nicht". Eine Antwort, warum dies so schlimm sein sollte, blieb er schuldig.

Doch nun folgt der, wie ich finde, ungeschickte und dennoch vorhersehbare Sprung zum christlichen Glauben. Die folgenden Aussagen an einer Universität zu hören schockierten mich gewaltig. In Kurzform: Die Bibel ist sehr glaubwürdig und die Erzählungen sind durch archäologische und historische Forschung belegt, es gibt über Jahrtausende belegte vergleichbare Gotteserfahrungen, ebenso eine Vielzahl belegter erfüllter Prophezeiungen, die Bibel gibt antworten auf alle Fragen des Lebens usw. usf. Zum Schluss entzieht Prof. Hägele seinen Gott jeglicher (natur-)wissenschaftlicher Diskussion indem er ihn als "Gegenüber und nicht Teil der Schöpfung", also letztlich als außerhalb unserer Raumzeit definiert. Trotzdem hat dieser Gott natürlich ein Interesse an Gemeinschaft mit jedem einzelnen Menschen. Er schließt seinen Vortrag mit der Aussage, erst die Sicherheit und den Halt, den die persönliche Gottesbeziehung gibt, eröffne den Weg, Naturwissenschaft sicher zu betreiben.

Dass Prof. Hägele sämtliche Philosophie, Gesellschaftswissenschaften und selbst einen Großteil der Naturwissenschaften (Neurobiologie etc.) ausgeblendet hat, dürfte dem geneigten Leser aufgefallen sein. Welche Absurdität diese ganze Argumentation annehmen kann, sei anhand der Antwort auf meine Frage gezeigt. Ich fragte sinngemäß, warum denn gerade die Bibel das letztgültige Wort Gottes sei und nicht der Koran oder das Buch Mormon. Nun, sagte Prof. Hägele, weil die historische ausgezeichnet belegte Auferstehung Jesu in ihrer Singularität bezeuge, dass jedes Wort Jesu wahr sei. Das sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen.

"Warum Christ werden, reicht es nicht ein guter Mensch zu sein?"

Danach brauchte ich erst einmal einen Abend Pause und so erschien ich erst am Mittwoch wieder als Hörer. Diesmal zum Thema "Warum Christ werden, reicht es nicht ein guter Mensch zu sein?", vorgetragen von Hartmut Zopf, Theologe und hauptamtlicher Mitarbeiter der Studentenmission Deutschland. Auch dieser Vortrag, etwas magerer besucht als derjenige am Montag, begann wieder mit einem kleinen Kulturteil, einem Sketch, der in die Problematik "Man muss die Gelegenheit am Schopfe packen" einführte. Wiederum wurde später klar, dass man – was auch sonst – Jesus Hand nehmen müsse, die Gelegenheit für ein "besseres Leben" am Schopfe packen müsse.

Zum Glück für den gestressten Studenten war dieser Vortrag weniger anspruchsvoll und leichter zu durchschauen. Der Referent führte in verschiedene Begriffe ein, u.a. Mensch als Schöpfung Gottes, Sünde, Menschwerdung Jesu, personale Wahrheit, d.h. Jesus berichtet nicht von der Wahrheit, er IST die Wahrheit usw. usf. All dies belegte er einzig und allein mit Bibelzitaten, wobei er sich, wie schon am Montag Prof. Hägele, auf die ausgezeichnete historische Korrektheit derselben berief. Auch vergaß er weder, "Sex ohne Liebe" als Entfremdung und letztlich Zielverfehlung zu kennzeichnen, noch Konsum von LSD als "teuflische Verführung" zu brandmarken. Damit wird er weder den realen Gegebenheiten, noch den realen Problemen gerecht. Ist es nicht schön, die Welt einfach in Gut und Böse einzuteilen?

Es folgte ein Abriss der Problematik "Was bin ich wert", wobei er unter anderem Leistungsdruck kritisierte. Das Ergebnis war im Voraus klar: nur bei Gott (ich erinnere, dem christlichen natürlich!) bin ich etwas wert, da dieser sich um jeden Einzelnen sorgt. Wiederum folgt eine Abhandlung über Sinn und Ethik und die explizite Erwähnung dass diese Dinge exogen vorgegeben sein müssen, wobei Gott die alleinige Quelle ist. Offensichtlich ist die Vorstellung, dass man Sinn aus sich selbst schöpfen kann, noch nicht im SMD angekommen.

Lassen Sie mich mit zwei Zitaten (ohne Gewähr) von Hartmut Zopf schließen. "Das neue Testament ist eines der glaubwürdigsten Dokumente der alten Zeit, sagen Historiker, die keine Christen sind." Als zweites Zitat die Erkenntnis dieses Vortrags: "Entweder Jesus ist auferstanden, dann ist er die Wahrheit und es lohnt sich ihn anzubeten. Oder er war der größte Spinner aller Zeiten."

Weltanschauungsfreiheit und Meinungsfreiheit zählen meines Erachtens zu den wichtigsten Pfeilern unserer Gesellschaft. Deswegen würde ich auch nie für ein Verbot solcher Vorträge und Veranstaltungen stimmen. Dennoch muss man sich fragen: ist es das, was man an Universitäten hören möchte? Soll dies die einzige Meinung sein, die Studenten mitbekommen? Oder sollten auch Atheisten an die Universitäten herantreten? Meiner Meinung nach sind gerade im Bereich der Naturwissenschaften Kenntnisse von Geschichte, Kultur und Philosophie rar - so rar dass man in den Hallen der Universität ohne rot zu werden behaupten kann, Naturwissenschaft brauche Gott und Jesu Auferstehung sei eine der am besten belegten historischen Tatsachen.

Martin Hergert