Fledermäuse werden oft als Träger gefährlicher, auf den Menschen übertragbarer Viren dargestellt. Ein internationales Team hat nun untersucht, welche wissenschaftlichen Belege es dafür gibt. Die Forschenden haben in über 160 Studien der letzten 40 Jahre keine Belege dafür gefunden, dass afrikanische Fledermausarten – abgesehen vom Marburg- und dem Sosuga-Virus – als Reservoirs oder Wirte für Viren dienen, die Menschen infizieren und Krankheiten verursachen.
Das Forschungsteam unter der Leitung von Natalie Weber vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz konzentrierte sich exemplarisch auf Viren, die in afrikanischen Fledermäusen nachgewiesen wurden. Sie analysierte die Ergebnisse von 162 Studien, die zwischen 1978 und 2020 veröffentlicht wurden, mit Daten von über 80.000 Fledermäusen aus über 160 Arten.
Ihre Analyse zeigt, dass außer dem Nilflughund keine andere Art eine zentrale Rolle für die Übertragung von Viren auf den Menschen in Afrika spielt. "Wir haben keine Beweise dafür gefunden, dass Fledermäuse oft Viren beherbergen, die auf den Menschen übertragen werden. Im Gegenteil, unsere Ergebnisse zeigen, dass in Afrika nur in zwei Fällen die Übertragung von Tier auf Mensch eindeutig dokumentiert ist", sagt Natalie Weber. "Die Ergebnisse zeigen, dass Fledermäuse ohne ausreichende wissenschaftliche Begründung pauschal als Krankheitsüberträger bezeichnet werden. In der Diskussion über die Rolle von Wildtieren bei der Entstehung von Krankheiten müssen wir also stärker differenzieren und die tatsächliche Datenlage berücksichtigen", erklärt Mitautorin DeeAnn Reeder. Die Autoren empfehlen daher eine standardisierte Bewertung von Wirten für Viren und eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Erforschung von Fledermausviren.
Falsche Artbestimmung
Die Analyse ergab auch, dass in vielen Studien Fledermäuse falschen Arten zugeordnet wurden. Die korrekte Artbestimmung ist jedoch unabdingbar für die Feststellung, dass eine bestimmte Art ein Virus beherbergt. Außerdem werden Fledermäuse oft als eine Einheit betrachtet. Tatsächlich sind Fledermäuse aber eine äußerst heterogene Tiergruppe, die sich über Dutzende von Millionen von Jahren diversifiziert hat: Allein in Afrika leben mindestens 324 verschiedene Fledermausarten. "Anstatt beispielsweise Fledermäuse pauschal zu Überträgern des Marburg-Virus zu machen, sollte exakt die Art genannt werden, nämlich der Nilflughund. Diese Formulierung ist exakter und verhindert, dass fälschlicherweise alle Fledermausarten mit dem Marburg-Virus in Verbindung gebracht werden", sagt Mitautor Sébastien Puechmaille.
Angesichts der Sorge über mögliche neue Infektionskrankheiten hoffen die Forscher, dass ihre Arbeit zu einem besseren Verständnis der komplexen Dynamik zwischen Wildtieren, insbesondere Fledermäusen, und der menschlichen Gesundheit beitragen. Sie fürchten, dass die auf fehlenden Beweisen beruhende Behauptung, viele Fledermäuse seien Krankheitsüberträger, Konflikte zwischen den Tieren und Menschen befördern. "Die Verfolgung von Fledermäusen nimmt dramatisch zu und trägt maßgeblich zum Rückgang der Tiere in Afrika bei. Ein sorgfältiger und wissenschaftlich fundierter öffentlicher Diskurs sowie die Abwägung zwischen potenziellen Risiken und Vorteilen ist also entscheidend dafür, dass Menschen und Fledermäuse gemeinsam in unserer sich wandelnden Welt leben können", erklärt Mitautorin Dina Dechmann. (mpg)