Hamburg

Säkulare Vertreter diskutierten über den "Religionsmonitor"

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Philipp Möller während seines Statements zur Vorstellung der Ergebnisse des Religionsmonitors 2023.
Philipp Möller vor Publikum in der "Patriotischen Gesellschaft Hamburg"

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Diskussionsrunde in der "Patriotischen Gesellschaft Hamburg" (von links): Necla Kelek, Hassan Bashloughi, Ali Ertan Toprak, Friedrich Degenhardt, Evgin Can, Mehdi Aroui, Arnold Alscher
Diskussionsrunde in der "Patriotischen Gesellschaft Hamburg"

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Yasemin El-Menouar von der "Bertelsmann Stiftung" referierte über den Religionsmonitor 2023.
Yasemin El-Menouar von der "Bertelsmann Stiftung"

In Hamburg stellte eine Referentin der Bertelsmann Stiftung erste Erkenntnisse aus dem aktuellen Religionsmonitor vor. Anschließend wurde auf dem Podium diskutiert. Mit dabei: Philipp Möller vom Zentralrat der Konfessionsfreien, Necla Kelek vom Verein Säkularer Islam Hamburg und Ali Ertan Toprak von der Alevitischen Gemeinde Deutschland.

Hamburger Bürgerinnen und Bürger, denen die Werte der freiheitlichen und demokratischen Geschichte ihrer Hansestadt am Herzen liegt, kennen die Einrichtung der "Patriotischen Gesellschaft von 1765". Als älteste zivilgesellschaftliche Organisation im deutschen Sprachraum setzt sie sich nach eigenem Bekunden seit ihrer Gründung im 18. Jahrhundert – noch vor der Französischen Revolution! – für Werte der Aufklärung ein: für weltanschauliche Unabhängigkeit und selbstbestimmtes Handeln. "Damals wie heute", heißt es in einer Selbstdarstellung, "sind Toleranz und Achtung vor dem Anderen die Leitlinien ihres Handelns". Heute ist die Patriotische Gesellschaft "als gemeinnütziger, mitgliedschaftlich organisierter Verein Anlaufstelle für Hamburgerinnen und Hamburger, die überkonfessionell und parteipolitisch unabhängig handeln und sich für das Gemeinwohl organisieren wollen".

Vergangene Woche rief der in ihren Reihen tätige "Arbeitskreis interkulturelles Leben" zu einem interessanten und gut besuchten Informations- und Diskussionsabend auf. Zu dem vielleicht etwas lässig formulierten Thema "Muss Pluralität gestaltet werden?" hatte der Arbeitskreis als Referentin Yasemin El-Menouar eingeladen. Sie ist bei der Gütersloher Bertelsmann Stiftung als Senior Expert verantwortlich für die Themen Religion, Werte und Gesellschaft sowie Demokratie und Zusammenhalt. Zum besseren Verständnis der "gesellschaftlichen Bedeutung von Religion" und der "Einstellungen von Menschen unter anderem zu kultureller Vielfalt", veröffentlicht die Stiftung seit 2009 den vielfach beachteten "Religionsmonitor".

Aktuell erhebt der "Religionsmonitor 2023" in Deutschland, mehreren europäischen Ländern und den USA in Umfragen die Einstellung der Befragten vor allem gegenüber religiösen Bevölkerungsgruppen wie Juden und Muslimen. "Der aktuelle Krieg im Nahen Osten infolge des Terrors der Hamas gegen Israel am 7. Oktober", heißt es in einer Zusammenfassung der Studie, "wirkt sich auch in Deutschland aus – und offenbart Risse in der Gesellschaft". Befragt wurden in Deutschland mehr als 4.300 Menschen über 16 Jahre. Besorgniserregend, stellt die Studie fest, "ist ein immer offener zutage tretender Antisemitismus". Gleichzeitig erführen indes auch Musliminnen und Muslime derzeit in hohem Maße Anfeindungen. "Wir erleben insgesamt ein Klima der Verrohung, in dem sich immer mehr Leute trauen, diskriminierende und hasserfüllte Positionen zu äußern, ob im Internet oder auf der Straße."

Wenig erstaunlich, dass diesen Feststellungen weder seitens der Gäste auf dem Podium noch aus dem Publikum widersprochen wurde. Bestätigen doch die politischen Meldungen in den Medien fast täglich den in der Studie festgestellten Trend.

Prominent besetztes Podium

Was aber der Informationsveranstaltung der Patriotischen Gesellschaft die besondere Würze verlieh, waren die zusätzlich zur Referentin El-Menouar geladenen Diskussionsteilnehmer:

  • Die bekannte Begründerin des Vereins Säkularer Islam HamburgNecla Kelek
  • Ali Ertan Toprak von der Alevitischen Gemeinde Deutschland
  • Mehdi Aroui von der Al Manar Stiftung Hamburg
  • Hassan Bashloughi von der Vereinigung MTO Islamischer Sufismus
  • Evgin Can für die Altorientalischen Orthodoxen Kirchen
  • Friedrich Degenhardt, AG Christlicher Kirchen in Hamburg

Arnold Alscher vom "Arbeitskreis Interkulturelles Leben" moderierte behutsam, indem er zunächst allen geladenen Podiumsgästen die Gelegenheit gab, sich vorzustellen und Stellung zu nehmen. Der kluge Beitrag von Necla Kelek stach hier durch besondere Klarheit der Argumente für eine säkulare Gesellschaft hervor.

Der Clou jedoch und – aus Sicht der Säkularen – Gewinn des Abends: Auf Empfehlung des Säkularen Forums Hamburg hatten die Veranstalter einen besonderen Diskutanten geladen und unmittelbar nach dem Bericht der Bertelsmann-Referentin zu Wort kommen lassen: Philipp Möller, den Vorsitzenden des Zentralrats der Konfessionsfreien. Kurz und knackig legte er dar, woran eigentlich allen aufgeklärten Zeitgenossinnen und Zeitgenossen gelegen sein müsste: Demokratie und Rechtstaat können in einer pluralen Gesellschaft nur gelingen, wenn Politik das Verfassungsgebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates achtet – sowohl gegenüber christlichen als auch islamischen Gemeinschaften. In einer Gesellschaft wie der unsrigen, hob Möller hervor, gehe es nicht vorrangig um die Kritik an den Inhalten von Religion – es sei denn, religiöse Eiferer verfolgten Andersgläubige als Todfeinde. Aber Kirche und Moschee dürften der Politik nicht vorschreiben, was gut oder falsch sei. Das bestimme allein die demokratische Verfassung, die auf den Allgemeinen Menschenrechten beruhe. Der Staat dürfe den Religionsgesellschaften keine Sonderrechte, Privilegien und Geldgeschenke zukommen lassen. Entgegen einer Behauptung seiner Vorrednerin sagte Möller: "Der Säkularismus will Religion nicht aus dem Alltag verdrängen, sondern aus dem Bundestag und den Landtagen."

Am Religionsmonitor kritisierte Möller eine isolierte Betrachtung: "Natürlich wird die Gruppe der Religiösen immer vielfältiger, aber sie wird vor allem immer kleiner." Aus den Ergebnissen der Untersuchung dürfe man nicht schließen, Religion gewinne an Bedeutung. Das genaue Gegenteil sei der Fall, sagte Möller mit Bezug auf die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD. "Für mehr als 80 Prozent der Deutschen spielt Religion keine oder kaum eine Rolle." Da einige Religionsgemeinschaften inkompatibel mit den Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung seien, schlussfolgerte Möller: "Für die Zukunft der Offenen Gesellschaft ist der Säkularismus alternativlos."

Für seine bestechenden und keineswegs "emotional" vorgetragenen Argumente (wie der Moderator behauptete) erhielt Philipp Möller ordentlich Beifall aus dem Publikum. Besonders als er zum Beleg für den allgemeinen Trend zur Säkularisierung in der deutschen Bevölkerung neueste Umfrage-Ergebnisse der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland nachschob. Demnach gab es Ende 2023 in Deutschland "erstmals ebenso viele konfessionsfreie Menschen (46 Prozent) wie römisch-katholische und evangelische Kirchenmitglieder zusammengenommen (24 bzw. 22 Prozent). Religiös aktiv sind nur noch rund 5 Prozent der Bevölkerung". Heißt: Immer weniger unserer Mitmenschen besuchen sonntags gläubig Kirche und Altar.

Und was sicherlich so manches Vorurteil auf der anderen Seite aufzuheben hilft: Auch immer weniger muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger – Umfragen sagen, nur noch circa 8 Prozent – werfen sich in der Moschee Allah zu Füßen.

Das wird besonders islamistische Radikale ärgern, wie sie neulich in Hamburg demonstrierten und skandierten: "Kalifat ist die Lösung!"

Wer an den genaueren Umfrage-Ergebnissen der im Text genannten Studie interessiert ist, kann sie bei der Bertelsmann Stiftung anfordern.

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