Humanistischer Salon Nürnberg

Säkulare und christliche Humanisten vereinigt euch?

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Das Podium: Michael Bammessel, Helmut Fink, Peter Henkel (v. l. n. r.)
Das Podium: Michael Bammessel, Helmut Fink, Peter Henkel (v. l. n. r.)

Der bayerische Diakonie-Präsident Michael Bammessel und der religionskritische Autor Peter Henkel rangen im Humanistischen Salon Nürnberg Mitte Februar um ihr Selbstverständnis als Humanisten. Dabei traten vor allem die Reibungsflächen zwischen christlichem und säkularem Humanismus hervor.

Auch der fünfte Termin der aktuellen Staffel des Humanistischen Salons Nürnberg lockte wieder knapp 60 Interessierte ins Café PARKS – zu Klavier-Livemusik von Claus Gebert, einem Sonntagsbrunch-Buffet und einer prominent besetzten Debatte über weltanschauliche Grenzen hinweg, die von Helmut Fink moderiert wurde.

Bei der Veranstaltung unter dem Titel "Säkularer Humanismus heute – Wie viel Religionskritik brauchen wir?", zu der Kortizes am 17. Februar 2019 geladen hatte, standen sich keine Hardliner gegenüber. Im Gegenteil. Sowohl Michael Bammessel, Präsident der Diakonie Bayerns, als auch Peter Henkel, Journalist und Religionskritiker, positionierten sich bewusst in Opposition zu fundamentaleren Ansichten in den eigenen Reihen.

So war dem religionskritischen Henkel wichtig zu betonen, dass gesellschaftliche Vielfalt und Freiheit zwar gegen kirchliche Kräfte erkämpft sei, aber durchaus ja auch im Inneren der Kirchen. Und dass Religion positive Aspekte hat, die es unabhängig von ihr zu erhalten gelte.

Präsident der Diakonie Bayern Michael Bammessel (li.) und der Journalist und kirchenkritischer Autor Peter Henkel (re.), Foto: © Karin Becker
Präsident der Diakonie Bayern Michael Bammessel (li.) und der Journalist und kirchenkritische Autor Peter Henkel (re.), Foto: © Karin Becker

Diakonie-Chef Bammessel auf der anderen Seite machte deutlich, dass er Religionskritik als Korrektiv und Anlass zur Selbstreinigung begreift. Dass Kritik historisch oft ein Impuls gewesen sei zur Erneuerung in der Kirche. In Abgrenzung zu Kirchenkollegen warb er zudem dafür, dass dabei auch fundamentale Ablehnung von Religion ausgehalten werden muss.

Doch so wohlwollend und dialogbereit sich beide auch gaben, im Detail trat dennoch das Trennende hervor. Bammessel rief zwar humanistisch gesinnte Christen und Atheisten zur Zusammenarbeit unter dem Banner der Menschenwürde auf, drückte zugleich aber Verwunderung und Sorge darüber aus, wie jemand die Würde des Einzelnen verteidigen kann, der nicht daran glaubt, dass wir als Ebenbilder Gottes geschaffen wurden.

Auch bei Henkel zeigte sich Misstrauen gegenüber der Gegenseite. Als Bammessel sich als stolzer Schüler des humanistischen Melanchthon-Gymnasiums in Nürnberg präsentierte und positiv auf das Wirken des namengebenden Reformators und Mitstreiters Luthers bezog, reagierte Henkel mit Zweifeln, ob die christlichen Bildungshumanisten von damals nach heutigen Maßstäben auch als humanistisch anzusehen seien.

So fragte Henkel etwa – Bezug nehmend auf die Verfolgungen, denen die Anhänger der Erwachsenen-Taufe in dieser Zeit auch von Lutheranern und Reformierten ausgesetzt war: "Wo war denn das Humanum als Melanchthon mit Luther ein Gutachten schrieb, das einen Mann lebenslang in den Kerker brachte, nur weil er einer Wiedertäuferin geholfen hatte?"

Und als Bammessel den Bildungshumanismus als ideale Synthese von christlichem Glauben, Wissenschaft und Rationalität lobte und die Vernunft als Gottesgeschenk darstellte, konterte Henkel mit der Frage, wie denn dazu Aussagen von Luther passen würden wie: "Wer Christ sein will, muss seiner Vernunft die Augen ausstechen"?

Bücher der beiden Referenten, Foto: © Karin Becker
Bücher von Peter Henkel, Foto: © Karin Becker

Es wurde aus dem Gespräch klar, dass ihre Definitionen von Humanismus im Widerspruch zueinander stehen. Für Bammessel ist das humanistische Ideal der Menschlichkeit untrennbar mit dem Glauben an Gott verknüpft. Für Religionskritiker Henkel dagegen liegt der Kern des Humanismus gerade in der Emanzipation des Menschen vom Glauben. Die Diskussion war aufgrund dieses Gegensatzes geprägt von dem Bemühen beider, die Wurzeln von Humanismus und Menschlichkeit auf der jeweils eigenen Seite zu verorten.

Dabei verknüpften sich Fragen der Ethik auch mit solchen nach Erkenntnis. Für Bammessel etwa gehört das Bedürfnis nach einem göttlichen Gegenüber zum Menschen dazu. Es sei universell und würde sich auch dort wieder zeigen, wo Religion zwischenzeitlich zurückgedrängt war, etwa in China. "Ich bin Optimist. Wenn es dieses Bedürfnis gibt, dann wird das schon realitätspassend sein."

Das Universum sei nicht leer, ohne Sinn und Ziel, versicherte Bammessel, sondern es sei ein Du da, ein Dialogpartner, ein Gott, der uns liebe. Die Alternative erscheint ihm schon aus ethischen Gründen undenkbar. "Dass die Würde des Menschen unantastbar ist, lässt sich nicht aus den Naturwissenschaften ableiten."

Diese Argumentation ließ Henkel den Kopf schütteln. Als Christ die Existenz von Gott anzunehmen, nur weil die Alternative für einen unerwünschte Konsequenzen hätte, "das ist doch Wunschdenken!". Auch aus der Tatsache, dass Religion ein universelles, menschliches Phänomen sei, könne nur geschlossen werden, dass Religion für Menschen wichtige Funktionen erfüllen kann. Über die Existenz Gottes könne daraus nichts geschlossen werden.

Aber es interessiere Menschen eben auch, ob es stimme. Und hier ist laut Henkel entscheidend, dass die Erklärungen der Religionen durch die Wissenschaft zunehmend an Plausibilität verloren haben. Für ihn gibt es in der Welt heute nichts mehr, was nur mit der Annahme eines Schöpfergottes erklärbar wäre. "Wir nehmen heute an, dass es im Universum mit rechten Dingen zugeht." Und Religion sieht er nicht als eine Voraussetzung für Ethik und friedliches Zusammenleben. Beides sei doch Ergebnis gemeinsamer Interessen und gesellschaftlicher Lernprozesse in der Geschichte.

Wer die Argumentation beider im Detail nachvollziehen möchte – auch zum Theodizee-Problem – hat dazu voraussichtlich bald Gelegenheit. Wie viele andere Veranstaltungen von Kortizes wurde auch die Debatte zwischen Michael Bammessel und Peter Henkel auf Video aufgezeichnet und wird in den nächsten Wochen im Youtube-Kanal des Humanistischen Salons erscheinen.

Claus Gebert am Flügel, Foto: © Karin Becker
Claus Gebert am Flügel, Foto: © Karin Becker


Die nächsten beiden Kortizes-Veranstaltungen sind Teil der internationalen brainWEEK. So startet die insgesamt vierteilige Vortragsreihe "Vom Reiz der Sinne" am 12. März 2019 mit dem Zukunftsforscher Bernd Flessner, der mit einem Redakteur der Nürnberger Nachrichten über Künstliche Intelligenz im Alltag der Zukunft: Wie werden wir mit intelligenten Maschinen zusammenleben? sprechen wird.

Am Sonntag, den 17. März 2019, hält dann im Humanistischen Salon Nürnberg der Bamberger Psychologieprofessor Claus C. Carbon einen Vortrag über Schönheit, Attraktivität, sexuelle Anziehung. Über ästhetische Wahrnehmung aus kognitiver Perspektive.

Am Wochenende 12.–14. April 2019 findet in Nürnberg das Kortizes-Symposium statt: Hirn im Glück – Freude, Liebe, Hoffnung im Spiegel der Neurowissenschaft. Der Frühbucherrabatt gilt noch bis zum 17. März.