Päpstlicher als der Papst

ROM / MÜNSTER. Deutsche Bischöfe handeln wenig rechtskonform, um ihre Kirchensteuer

zu retten.

Anmerkungen von Horst Herrmann.

Bisher war alles klar: Wer einmal katholisch geworden war, und sei es, in aller Regel, ungefragt als Baby, mußte dies immer, selbst über den Tod hinaus, bleiben. Vor allem dem deutschen Kirchensteuersystem, das wie nirgends sonst in der Welt Geld und Glaube aneinander bindet, konnte niemand entrinnen. Nun aber ist, von der Öffentlichkeit weithin unbemerkt, etwas geschehen: Am 3. Mai 2005 richtete der Vatikan ein Schreiben an den Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Darin heißt es, dass ein Katholik, der „beim Staat" aus der Kirche „ausgetreten" ist, weiterhin als Katholik gilt und folglich dem Kirchenrecht (hier: in Ehesachen) unterliegt. Inwieweit mit diesem Schreiben auch das deutsche Kirchensteuersystem tangiert war, blieb unklar. Doch galt der Vorgang den Einsichtigen schon damals als sehr brisant, als eine Bombe, die an das Fundament des Steuersystems gelegt war.

Auch in der deutschen Amtskirche hatte das Schreiben für Irritationen gesorgt. Eine Stellungnahme der überraschten Deutschen Bischofskonferenz folgte. Um „möglichen Missverständnissen" zu begegnen, legte sie dar, das vatikanische Schreiben berühre nicht „die in der deutschen Rechtstradition stehende staatliche Regelung", auch ein Austritt wg. der Kirchensteuer stelle als „Verweigerung der solidarischen Beitragspflicht für die Erfordernisse der Kirche" eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft dar und mindere „die Rechtsfolgen nicht". Strafe (am besten Exkommunikation) mußte also sein wie eh und je.

Rom äußerte sich allerdings am 13. März 2006 grundsätzlich, und Benedikt XVI. ordnete die amtliche Bekanntmachung eines Schreibens in Sachen Kirchenaustritt und „Glaubensabfall" an alle Präsidenten der Bischofskonferenzen an. Diese päpstliche Approbation unterstreicht die historische Tragweite des Vorgangs. Sie wurde jetzt aktuell in den „Communicationes 38" offiziell veröffentlicht.

Inhaltlich liegt die Latte nun ziemlich hoch. Der Papst hält fest, dass mehrere Bedingungen für einen Kirchenaustritt gegeben sein müssen: Die innere Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen, die Umsetzung und Kundmachung dieser Entscheidung sowie deren direkte Annahme seitens der zuständigen kirchlichen Autorität. Ein bei staatlichen Behörden (Amtsgericht, Standesamt) erklärter Kirchenaustritt hat daher keinen Kirchenbann zur Folge. Somit dürften nicht wenige ausgetretene Katholiken weiter volle Glieder der Kirche bleiben. Es ist nicht möglich, beispielsweise einem ausgetretenen Gläubigen ohne Vorliegen einer den Glauben (und nicht die Steuer) betreffenden Straftat oder ohne als öffentlicher Sünder zu gelten, das kirchliche Begräbnis zu verweigern (A. Pytlik).

Die deutschen Bischöfe verfahren strenger und verstoßen dabei gegen die gewiß nicht unüberlegt getroffenen Anordnungen des Papstes. Die vom Vatikan aus guten Gründen angesprochene „pastorale Motivation" paßt hierzulande nicht ins System. Ist der Kirchenaustritt nicht mehr mit Strafe bedroht, brechen Dämme. Dürfen die Bischöfe jedoch nach wie vor aus bloßer Sorge um einen Rückgang des Steueraufkommens zu „nicht-rechtskonformen Mitteln" (G. Bier) greifen?

Freilich gebe ich auch zu bedenken: Die Einstellung der deutschen Bischöfe ist konsequenter als die der beispielsweise zu einem modifizierten Austritt Entschlossenen, die erklären, nur die steuererhebende Körperschaft, nicht aber die Glaubensgemeinschaft verlassen zu wollen. Mischformen mögen modisch sein, konsequent sind sie nicht. Will jemand gegen das wenig rühmliche Kirchensteuer- und Subventionssystem der Bundesrepublik protestieren, so muß er mit den vielen, die ähnlich denken - inner-kirchlich wie innerstaatlich Änderungen anregen und durchzusetzen suchen. Oder er muß sich damit abfinden, daß in der Bundesrepublik und ihren Kirchen die Verfilzung von Geld und Glaube nicht mehr behebbar sowie kein Ende der Diktatur des Money-Katholizismus abzusehen ist, und ganzen Abschied nehmen.