Die Autonomie menschlichen Sterbens

(hpd) Gehört zur Autonomie menschlichen Handelns auch das Recht auf ein eigenständig bestimmtes Sterben? Steht die Möglichkeit

zu Sterbehilfe und Selbsttötung für die Missachtung des Lebens hin zu einer neuen Euthanasie-Politik oder für ein selbstbestimmtes und würdevolles Ende des Lebens?

Über diese Frage wird seit langer Zeit kontrovers diskutiert. Zu eben diesem Thema veranstaltete die Humanistische Akademie Bayern 2006 eine Tagung, deren Vorträge nun in Gestalt von teilweise umgearbeiteten Aufsätzen in dem Sammelband „Selbstbestimmung am Ende des Lebens" vorliegen. Die zwölf Beiträge unterscheiden sich in Form und Inhalt stark, kurzen Statements stehen ausführliche Analysen gegenüber, rechtethische Betrachtungen wechseln sich mit medizinischen Klärungen ab.

Als Einblick in die thematische Vielfalt und die interdisziplinäre Ausrichtung mag der Hinweis auf einige Beiträge genügen: Andreas Frewer skizziert die Debatte über selbstbestimmtes Sterben von der Antike bis in die Gegenwart, Horst Groschopp beschreibt das Sterbekonzept des Humanistischen Verbandes, Norbert Hoerster stellt rechtsethische Überlegungen zur Sterbehilfe an, Gita Neumann berichtet über Praxiserfahrungen mit Patientenverfügungen, Wolfgang Pütz geht den juristischen Aspekten von Patientenverfügungen nach, und Frieder Otto Wolf fragt nach dem Verständnis von Selbstbestimmung angesichts des Todes.

Überwiegend handelt es sich um interessante und sachkundige Beiträge zum Thema. Rein formal enttäuscht aber der Text von Ursula Seitz, die als Einzige in dem Band gegen das Recht auf Sterbehilfe eintritt und dabei nur oberflächliche Allgemeinplätze präsentiert. Es gibt aber auch anspruchsvollere Kritiker aus Medizin und Philosophie, welche eine ausführlichere Auseinandersetzung verdient hätten. Überhaupt wäre noch eine gesonderte Kritik an der Gegnerschaft zum selbstbestimmten Sterben etwa durch die christlichen Kirchen oder den Hinweis auf die NS-Euthanasie-Politik wünschenswert gewesen.

Diese Anmerkung mindert allerdings nicht den aufklärerischen Wert des Buches. Gleichwohl sollte man bei dieser sensiblen Thematik auf die saloppe Inanspruchnahme „der" Vernunft wie durch Ludwig A. Minelli verzichten. Das Thema verdient in der Betrachtung und Diskussion Differenzierung, Ernsthaftigkeit und Würde. Diesen Eindruck vermitteln auch die meisten Beiträge. Manche lassen verständlicherweise Fragen offen. So wäre etwa Frieder Otto Wolf bei seiner Beschwörung des Prinzips der Ablehnung von Fremdbestimmung nach dem richtigen Umgang mit einem suizidwilligen „jungen Werther" zu fragen. Solche Probleme machen aber nur deutlich, dass die Debatte noch nicht beendet ist, sondern fortgeführt werden muss. Dazu liefert der Band einen wichtigen Beitrag.

Armin Pfahl-Traughber

Alexander Endreß/Michael Bauer (Hrsg.), Selbstbestimmung am Ende des Lebens, Aschaffenburg 2007 (Alibri-Verlag), 203 S., 16 €