(hpd) „Die neue Verkehrswelt von morgen ist bunt, attraktiv und ökologisch“, verheißen Weert Canzler und Andreas Knie. Auf 128 Seiten entwerfen die Autoren facettenreich und komplex die Voraussetzungen und Hindernisse für die Mobilität der Zukunft, die aus der fossilen Sackgasse führt. Zudem ist „Einfach aufladen“ auch für Laien leicht verständlich.
Die beiden Sozialwissenschaftler sind schon länger in der Mobilitätsforschung zugange, das merkt man an ihrer fundierten und kenntnisreichen Aufbereitung des Themas. Canzler und Knie präsentieren die wesentlichen Aspekte unserer mobilen Zukunft auf nachvollziehbare Weise. Es wird immer wieder deutlich, welche Richtung sie präferieren, und so hat das Büchlein auch etwas von einem Appell an sämtliche Beteiligten – Automobilkonzerne, Verkehrsbetriebe, Stromkonzerne, Stadtwerke, Gesetzgeber, Städteplaner und Gemeinden bis hin zu den Nutzern. Denn es geht um einen Paradigmenwechsel in der Mobilität, der nicht nur die Technik betrifft, sondern unser aller Verständnis von Mobilität revolutioniert.
Das Konzept klingt fantastisch und es dürfte intensiver Anstrengungen bedürfen, es zu realisieren. Denn realisierbar scheint es. Vor allem die unter 30jährigen legen heute weniger Wert auf individuelle Mobilität, denn inzwischen haben andere Statusobjekte dem eigenen Auto (im Buch als „Rennreiselimousine als Referenzobjekt“ bezeichnet) den Rang abgelaufen. Immer mehr Menschen kombinieren ihre Fortbewegungsarten wie zu Fuß gehen, das Fahrrad, Bus, Bahn und Carsharing. Das bereits bestehende Carsharing zeigt, dass 16 Personen ein Auto nutzen und diese jeweils meist eine Strecke von unter 50 km zurücklegen.
Flottenfahrzeuge und saubere Städte
Die Zukunft könnte, kurz gesagt, so aussehen: Großkonzerne stellen Autoflotten zur Verfügung, die man mittels einer Flatrate nutzen kann. Das heißt man nimmt sich ein Fahrzeug, die Nutzungszeit wird über das Smartphone abgerechnet, man zahlt monatlich. Die Fahrzeuge, zu denen auch Fahrräder und Elektrofahrräder (Pedelecs und E-Scooter) gehören, stehen ausreichend an Ladestationen bereit. Um Stromspitzen aufzufangen, speisen die Fahrzeuge auch noch gespeicherten Strom, der ausschließlich aus regenerativen Energien gewonnen wird, zurück ins Stromnetz ein (V2G: Vehicle to Grid). Um konventionell betriebene Fahrzeuge aus den Städten herauszuhalten, werden die Parkgebühren extrem erhöht. Das Resultat sind saubere Städte, in denen Fahrzeuge kaum noch zu hören sind.
In verschiedenen Städten weltweit (Paris, Los Angeles, London) laufen bereits seit Jahren unterschiedliche Versuche, dem Verkehrsaufkommen und seinen schädlichen Auswirkungen beizukommen, mit guten Resultaten. Auch etliche Automobilkonzerne und die Deutsche Bahn haben in Berlin, Ulm oder Hamburg eigene Versuche gestartet, die von den Nutzern erstaunlich positiv aufgenommen werden.
Denkmuster ändern und zusammenarbeiten
Notwendig für eine gelingende Revolution des Mobilitätsverständnisses ist zum einen der Abschied von gewohnten Denkmustern. Es geht, so die Autoren, nicht darum, das Elektrofahrzeug so zu konstruieren, dass es mit dem derzeitigen Auto mithalten kann, nur umweltfreundlicher. Es geht darum, Mobilität grundlegend neu zu denken.
Zum anderen müssen sämtliche Beteiligten zusammenarbeiten, um diese neue Mobilität zu einem gut nutzbaren Netzwerk zu gestalten. Die Gesetzeslage, die Verhinderung von Wettbewerb der Stadtwerke, individuelle Eitelkeiten und die mangelnde Bereitschaft zur Zusammenarbeit sind derzeit – neben einer möglicherweise bestehenden Fantasielosigkeit – die größten Hemmnisse.
Man darf hoffen, dass die Kompetenz der beiden Mobilitätsexperten, die über ihren Tellerrand hinausschauen und das ganze Bild sehen, diese Zusammenarbeit positiv beeinflusst.
Fiona Lorenz
Weert Canzler, Andreas Knie: Einfach aufladen. Mit Elektromobilität in eine saubere Zukunft. 128 Seiten, oekom verlag München, 2011. ISBN-13: 978-3-86581-270-4, 9,95 €