Wie christlich sind unsere Werte?

ESCH-sur-ALZETTE. (hpd) Weshalb Werteunterricht? Um diese Frage zu beantworten, hatte die Luxemburger Lehrergewerkschaft FGIL

vergangenen Donnerstag zum Vortrag von Dr. Michael Schmidt-Salomon in Esch-sur-Alzette, nahe der französischen Grenze, eingeladen.

Im Biedermeier-Ambiente des großen Gemeindesaals des Escher Rathauses wies Gastgeberin Landy Cysali in ihren einleitenden Worten im nahezu vollbesetzten Saal auf die symbolhafte Bedeutung eben dieses Saales hin.

Schmidt-Salomon begann seinen spannenden, dreigeteilten Vortrag mit der Unvereinbarkeit der Religionen mit den Menschenrechten: Denn sie wissen nicht, was sie glauben. Warum die Reden von den „christlichen Werten" eine Mogelpackung ist. Interessant und den meisten Anwesenden unbekannt war die Tatsache, dass der Vatikan bis heute als einziger europäischer Staat die „Europäische Menschenrechtskonvention" nicht ratifiziert hat.

Darauf präsentierte Schmidt-Salomon in einem historischen Aufriss eines Jahrtausende währenden Kampfes um Menschenrechte gegen religiöse Leitkulturen die Leitkultur Humanismus und Aufklärung als weltanschauliche Grundlage des modernen Rechtsstaates. Heute läge eine besondere Gefahr, so Schmidt-Salomon, im Islam, da das Christentum zumindest in weiten Teilen Europas, wenn auch nicht weltweit, gezähmt sei.

Im dritten Teil ging es in Jenseits von Fundamentalismus und Beliebigkeit um die Frage, warum wir die Leitkultur von Humanismus und Aufklärung verteidigen müssen. Russlanddeutsche Evangelikale und türkische Muslime bildeten, so Schmidt-Salomon, demokratie- und menschenfeindliche Parallelgesellschaften. Religiöse Praktiken müssten daher vom Staat begrenzt werden, sobald sie rechtsstaatlichen Prinzipien zuwiderlaufen. Diese Maßnahmen reichten aber nicht, nötig sei es, in Bildung, in den Werteunterricht zu investieren.

Und so führte der Referent den Werteunterricht als notwendige Maßnahme ein, gemeinsame Regeln des Zusammenlebens auf solider philosophischer und wissenschaftlicher Grundlage an Kinder zu vermitteln. Denn wenn jedes Kind eine andere weltanschauliche Bildung erführe, je nachdem, in welche Religion es zufällig hineingeboren worden sei, sei das Resultat „nicht weltanschauliche Vielfalt, sondern potenzierte Einfalt".

Die anschließende Diskussion führte zum Konsens darüber, dass die Humanisten und Konfessionsfreien aller europäischen Länder sich vereinen sollten, um politisch stärker agieren zu können und um Druck auf europäischer Ebene aufzubauen. Der Vortrag im luxemburgischen Esch-sur-Alzette war ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Fiona Lorenz