In zwei Tagen ist Bundestagswahl. Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) hat auf seine Wahlprüfsteine 2025 von fünf im Bundestag vertretenen Parteien Antwort erhalten. Die Themen reichen von Kinderrechten und Klimaschutz über reproduktive Selbstbestimmung bis hin zur Gleichstellung von humanistischen und religiösen Perspektiven in der Gesellschaft. Diese und weitere Antworten veröffentlicht der hpd hier.
Einordnung
Im Vorfeld der Bundestagswahl am 23. Februar hat der HVD BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU/CSU, DIE LINKE, FDP und SPD zu acht wichtigen Schwerpunktthemen befragt: Kinderrechte, Klimaschutz, Schwangerschaftsabbruch, Suizidhilfe und Selbstbestimmung, Gleichstellung des humanistischen Begabtenförderwerks, humanistische Militärseelsorge, Welthumanist*innentag sowie Medienstaatsvertrag.
Mit den Wahlprüfsteinen möchte der HVD Wähler*innen unterstützen, eine fundierte Wahlentscheidung zu treffen. Zudem macht er damit die Parteien auf seine eigene Programmatik aufmerksam, deren Berücksichtigung in kommenden Koalitionsverhandlungen er erwartet. Die politischen Positionen werden transparent gegenübergestellt und können detailliert nachvollzogen werden.
Als überparteiliche weltanschauliche Vereinigung spricht der HVD keine Wahlempfehlung für eine bestimmte Partei aus. Jedoch sollen die Wahlprüfsteine Aufschluss darüber geben, welche Parteien humanistische Werte und die Interessen konfessionsfreier Wähler*innen glaubhaft vertreten.
Vor allem aber ruft der Verband dazu auf, zur Wahl zu gehen. Unsere Demokratie braucht Engagement. Wer nicht wählt, überlässt anderen die Entscheidung. Nutzen Sie Ihr Stimmrecht, gehen Sie zur Wahl!
Nachfolgend finden Sie die Antworten der Parteien (in alphabetischer Reihenfolge) zu den Wahlprüfsteinen des Humanistischen Verbands Deutschlands.
Thema 1: Kinderrechte
30 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention hat der Bundestag erneut eine Aufnahme der Kinderrechte in das deutsche Grundgesetz versäumt. Werden Sie sich für Kinderrechte im Grundgesetz in einem eigenständigen Absatz, ohne unmittelbare Verknüpfung mit den Elternrechten, einsetzen?
Antwort von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Schon lange fordern wir, Kinderrechte entlang der Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention im Grundgesetz zu verankern.
Für die konkrete Ausgestaltung und die Verortung der Kinderrechte im Grundgesetz ist es für uns zentral, die emanzipatorischen Beteiligungsrechte der Kinder und Jugendlichen weiter zu stärken.
Die Ausgestaltung des Verhältnisses Eltern-Kind-Staat haben wir ebenfalls im Blick: Die staatliche Verantwortung umfasst den Schutz des Kindes vor Gefahren. Auch ist der Staat verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Eltern ihrer Erziehungsverantwortung unabhängig von ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lebenslage gerecht werden können.
Mit starken Kinderrechten im Grundgesetz werden die Lebenslagen von Kindern in ihren Familien verbessert und Impulse für das Recht auf Beteiligung und Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen am gesellschaftspolitischen Leben gegeben.
Antwort von CDU/CSU:
Kinder sind bereits heute wie alle Menschen und alle Altersgruppen umfassend im Grundgesetz geschützt. Bei jeder Einfügung zusätzlicher Aussagen über Kinder müssen wir darauf achten, dass wir die kluge Balance zwischen dem elterlichen Erziehungsauftrag und dem staatlichen Wächteramt nicht beschädigen.
CDU und CSU legen Wert darauf, die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten zu achten, zu schützen und das Wohl des Kindes angemessen zu berücksichtigen. Gleichzeitig muss deutlich sein, dass die Erstverantwortung der Eltern unberührt bleibt und die Rechte der Eltern bestmöglich abgesichert werden. Träger des Erziehungsrechts sind und bleiben die Eltern. Der Staat sollte nur eine ergänzende und nachgeordnete Funktion haben, die nur ausnahmsweise dort zum Tragen kommt, wo die Erziehung durch die Eltern ausfällt oder das Kindeswohl gefährdet ist.
Antwort von DIE LINKE:
Ja. Die Linke hat sich in der Vergangenheit für die volle Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention eingesetzt und wird dies auch weiterhin tun. Die Verankerung eigenständiger Kinderrechte im Grundgesetz würde die Bindung an die UN-Kinderrechtskonvention und das Prinzip des Vorrangs des Kindeswohls ("best interest") in allen staatlichen Entscheidungen verbindlicher machen. Kinderrechte müssen diskriminierungsfrei und unabhängig vom Willen und den materiellen Möglichkeiten der Eltern gelten. Selbstverständlich müssen die zuständigen Behörden und Einrichtungen entsprechend ausgestattet werden, um dieses Recht wirksam umsetzen zu können.
Antwort der FDP:
Wir wollen Kinderrechte wie das Recht des Kindes auf Förderung seiner Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit und auf schulische Bildung explizit in das Grundgesetz aufnehmen, ohne dabei das Erziehungsrecht der Eltern einzuschränken.
Antwort der SPD:
Wir wollen starke Kinderrechte ausdrücklich auch im Grundgesetz verankern, um Schutz, Beteiligung und Förderung sicherzustellen. Dabei orientieren wir uns an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention.
Unsere konzeptionellen Überlegungen sehen derzeit nicht vor, die entsprechende Regelung im Rahmen des Elternrechtes in Artikel 6, Absatz 2 GG zu verorten – wir favorisieren stattdessen in Artikel 6 GG einen neuen eigenen Absatz 1b für Kinderrechte. Allerdings ist davon unabhängig bei der Frage der Verankerung von Kinderrechten das Wirkungsdreieck Kinder – Eltern – Staat immer zu beachten.
Thema 2: Klimaschutz
Die bisherigen Anstrengungen zur Abwendung katastrophaler Klimaänderungen waren zu gering. Das 1,5 Grad Ziel ist verfehlt. Welche Anstrengungen wollen Sie unternehmen, um dramatische Änderungen unserer Lebensbedingungen zu verhindern?
Antwort von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Die Großen Koalitionen hatten jahrelang keinen Plan und keine Maßnahmen, wie die Klimaziele erreicht werden sollen. Wir haben als GRÜNE nun in drei Jahren die erneuerbaren Energien zur führenden Stromquelle gemacht. Der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix beträgt nun circa 60 Prozent. Ausbau und Genehmigungen von Solar- und Windenergie haben ein Rekordtempo erreicht. Deutschland ist damit erstmals auf dem Kurs zum Erreichen der eigenen Klimaziele. Wir halten gegen jede Bremserei am Ziel der Klimaneutralität 2045 fest, damit Deutschland seinen Beitrag leistet, die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise wie den Verlust von Lebensräumen abzuwenden. Dabei setzen wir auf die Umsetzung der Energiewende, den klaren Vorrang für den Ausbau des umweltfreundlichen Verkehrs, klimaverträgliches Bauen, eine umweltverträgliche Landwirtschaft, zudem die Wiederherstellung von natürlichen Lebensräumen. Wir wollen daher den natürlichen Klimaschutz in der nächsten Wahlperiode weiter verstärken.
Antwort von CDU/CSU:
Klimaschutz geht nur global und gemeinsam mit den Menschen. Klimaschutz braucht eine starke Wirtschaft. Wir sehen uns in der Verantwortung, die Schöpfung zu bewahren und wollen daher die Pariser Klimaziele einhalten. Die Klimaneutralität bis 2045 haben wir fest im Blick. Wir verbinden dieses Ziel unbedingt mit dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und der Notwendigkeit der sozialen Tragfähigkeit. Nur so sichern wir die Akzeptanz bei den Menschen und die Chancen auf wirtschaftliches Wachstum. Dabei setzen wir auf Technologie- und Wissenstransfer mit Innovationen "Made in Germany" und den Emissionshandel. Richtig umgesetzt, ist er als marktwirtschaftliches Instrument in der Lage, die Emissionsmenge effizient zu begrenzen und das Klima bestmöglich zu schützen. Die CO2-Bepreisung bauen wir im Instrumentenmix zum Leitinstrument aus und geben deren Einnahmen an Verbraucher und Wirtschaft zurück.
Antwort von DIE LINKE:
Die Linke will den Klimaschutz wieder stärken und sozial gerecht machen. Die Ampel hat die Sektorziele im Klimaschutzgesetz abgeschafft und mit Steuergeld klimaschädliches Flüssiggas (LNG) gefördert. Das hat den Klimaschutz geschwächt. Wir wollen die Sektorziele wieder herstellen: Deutschland soll bis 2040 klimaneutral werden. In der EU müssen die Emissionen bis 2030 um 70 Prozent reduziert werden. Hierfür soll es verbindliche CO2-Budgets für jeden Mitgliedstaat geben. Wir wollen massiv investieren: in eine echte Energiewende mit sozial-gestaffelten Preisen, eine sozial gerechte Wärmewende und eine Verkehrswende hin zu mehr und bezahlbaren ÖPNV und Bahnverkehr. Für den sozialen-ökologischen Umbau der Industrie legen wir einen Investitionsfonds von 200 Milliarden Euro auf. Mehrkosten für die Bürgerinnen und Bürger durch steigende CO2-Preise kompensieren wir mit einem sozialen Klimageld von 320 Euro. Das ist gerecht und schafft wieder Akzeptanz für Klimaschutz.
Antwort der FDP:
Wir Freie Demokraten wollen den Klimaschutz so organisieren, wie er wirklich effektiv ist: global. Nationale Sonderwege haben keinen echten Mehrwert für den Klimaschutz, sind aber eine Belastung für Bürger und Betriebe. Daher werden wir uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die EU künftig verstärkt auf internationale Kooperationen zum Erreichen der Klimaziele setzt. Unser Ziel ist ein weltweites Emissionshandelssystem. Statt auf Verbote setzen wir auf Technologieoffenheit. Denn wenn Politiker und Beamte vorschreiben, welche Technologien eingesetzt und welche verboten werden, wird die Innovationskraft der Unternehmen gebremst und Klimaschutz nur unnötig teuer.
Antwort der SPD:
Trotz eines zeitweisen Überschießens müssen wir und werden wir am 1,5-Grad-Ziel festhalten. Wir haben dafür die Erneuerbaren Energien massiv nach vorne gebracht unter Olaf Scholz und werden daran weiterarbeiten. Neben sinkenden Emissionen müssen wir sicherstellen, dass sich jeder ein klimaneutrales Leben leisten kann, unabhängig von Portemonnaie oder Wohnort. Das geht, indem wir gemeinschaftliche Klima-Lösungen vor individuellen Anpassungspflichten bevorzugen: Wärmenetze ausbauen und faire Preise für Fernwärme sicherstellen. Soziales Wärmepumpenleasing für Hausbesitzende mit kleinen Einkommen. Im Verkehr muss der Umstieg auf E-Mobilität schneller attraktiv, also erschwinglicher werden: Mit Kaufprämien für E-Autos, Leasingmodellen für kleine Einkommen, Anreizen für mehr E-Dienstwagen. Auch hier braucht es parallel die kollektive Lösung: Besserer ÖPNV und ein dauerhaft abgesichertes, bezahlbares Deutschlandticket.
Thema 3: Schwangerschaftsabbruch
Die "Kommission zur Reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin" hat 2024 eine grundlegende Reform des Paragrafen 218 StGB empfohlen. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der von den Schwangeren gewollte Abbruch in den ersten Schwangerschaftsmonaten legal ist?
Antwort von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Selbstbestimmung über den eigenen Körper ist ein Grundrecht, das für alle gelten muss. Dazu gehört das Recht auf Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen. Wir wollen, dass selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich außerhalb des Strafrechts geregelt werden. Wir treten dafür ein, dass die notwendige Beratung durch ein abgesichertes Angebot von Beratungsstellen in vielfältiger Trägerschaft garantiert ist. Zudem muss es genügend Einrichtungen geben, die den Eingriff mit der gewünschten Methode vornehmen, denn das Angebot für Abbrüche hat sich in den vergangenen Jahren halbiert. Die Kosten sollen von den Krankenkassen übernommen und telemedizinische Betreuung ausgebaut werden. Selbstbestimmung über den eigenen Körper setzt ein geschlechtergerechtes Gesundheitssystem voraus: Forschung, Ausbildung und medizinische Praxis müssen geschlechtsspezifische Aspekte zur Verbesserung der Frauengesundheit zwingend berücksichtigen.
Antwort von CDU/CSU:
Wir setzen uns für die Beibehaltung des geltenden, lange erstrittenen parteiübergreifenden gesellschaftlichen Kompromisses in Form der verpflichtenden, aber neutralen und ergebnisoffenen Beratungslösung ein, die vor einer vorschnellen Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch bewahrt. Sie sichert die freie Entscheidung der Schwangeren, aber auch ein Mindestmaß an Schutz für das ungeborene Kind.
Antwort von DIE LINKE:
Ja, denn körperliche und sexuelle Selbstbestimmung sind zentrale Voraussetzungen für eine eigene Lebens- und Familienplanung. Die Linke setzt sich für einen selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches ein. Paragraf 218 StGB muss gestrichen werden. Er kriminalisiert schwangere Frauen und gefährdet ihre Gesundheit. Wir wollen den Schwangerschaftsabbruch als medizinischen Eingriff neu regeln. Schwangerschaftsabbrüche und deren Nachsorge müssen Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen sein und fester Bestandteil des Studiums, der Aus- und Weiterbildung von Ärzt*innen. Neben der Legalisierung wollen wir Schwangerschaftsabbrüche entstigmatisieren. Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, dürfen nicht mehr schikaniert werden. Auch Hebammen sollen Abbrüche durchführen können. Die Versorgungslage ungewollt Schwangerer muss verbessert werden. Die weltanschaulich neutralen Beratungsstellen müssen ausgeweitet und besser finanziert werden.
Antwort der FDP:
Ungewollt Schwangeren möchten wir bestmöglich helfen und die unzureichende Versorgungslage verbessern. In allen Bundesländern sollen angehende Gynäkologinnen und Gynäkologen mit diesem sensiblen Thema vertraut gemacht werden. Wir wollen allen Frauen die Kostenübernahme des Abbruchs ermöglichen. Existierende Möglichkeiten medikamentöser Abbruchmethoden wollen wir Schwangeren besser zugänglich machen, wobei wir eine Begleitung durch medizinisches Personal und Hebammen ermöglichen wollen. Eine Reform der Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch (§§ 218, 218a StGB) soll im Wege von sogenannten fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen mit Gewissensfreiheit für jede Abgeordnete und jeden Abgeordneten im nächsten Bundestag beraten werden.
Antwort der SPD:
Frauen haben ein Recht auf reproduktive Selbstbestimmung und ein Recht darauf, über ihren Körper, ihre Familienplanung und ihr Sexualleben selbst zu entscheiden. Wir sprechen uns für eine alternative Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuchs mit einem besseren Schutzkonzept für das ungeborene Leben aus. Für uns gehören Schwangerschaftskonflikte nicht ins Strafrecht. Wir wollen sie entkriminalisieren und außerhalb des Strafrechts regeln. Davon ausgenommen sind Fälle, in denen sie gegen oder ohne den Willen der Schwangeren erfolgen (sollen). Ein Abbruch der Schwangerschaft nach Ende der zwölften Woche soll rechtswidrig bleiben. Wir stehen für einen Rechtsanspruch auf eine rechtebasierte und psychosoziale Beratung rund um Schwangerschaft und Schwangerschaftskonflikt. Wir wollen Schwangerschaftsabbrüche zu einem Teil der medizinischen Grundversorgung machen und verbessern die Versorgung etwa bei Verhütungsmitteln.
Thema 4: Suizidhilfe und Selbstbestimmung
Über 80 Prozent der deutschen Bevölkerung spricht sich für Suizidhilfe aus. Die Rechtssicherheit und -klarheit für Ärzt*innen im Fall von Freitodhilfen ist zu verbessern. Werden Sie sich hierfür und für flächendeckende Suizidberatungsstellen einsetzen?
Antwort von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Zu einem Leben in Würde gehört auch ein Sterben in Würde. Das Recht auf selbstbestimmtes Leben schließt – nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts – selbstbestimmtes Sterben frei von Druck ein. Unser Ziel ist es, dass dieses Urteil in der Praxis umgesetzt werden kann.
Antwort von CDU/CSU:
CDU und CSU werden die Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung ausbauen, um dadurch einen würdevollen Abschied aus dem Leben zu ermöglichen. Die aktive Sterbehilfe lehnen wir ab. Für einen wirksamen Lebensschutz beschließen wir ein umfassendes Suizidpräventionsgesetz.
Antwort von DIE LINKE:
Ja. Wir wollen, dass Menschen sich für einen Suizid entscheiden können, wenn ansonsten nur noch eine palliativmedizinische Schmerzbehandlung mit starker Beeinträchtigung möglich ist. Voraussetzung sollte außerdem sein, dass die Menschen nichtkommerzielle Beratungsstellen aufsuchen können, in denen sie ergebnisoffen beraten werden. Medizinische, psychologische und palliativmedizinische Optionen müssen offen besprochen und den Betroffenen eine wirklich informierte Entscheidung ermöglicht werden. Wenn eine solche Beratung erfolgt ist und die Menschen sich für einen Suizid entscheiden, müssen Ärzt*innen Rechtssicherheit genießen, wenn sie dazu Hilfe leisten. Wichtig ist für uns auch, dass Menschen eine solche Entscheidung wirklich frei treffen können – dazu gehört nicht nur die Feststellung, dass von außen kein Druck etwa durch die Familie ausgeübt wird, sondern das Gesundheitssystem so ausgestattet ist, dass der Freitod nicht die Alternative zu einer ungenügenden und würdelosen Pflegesituation ist.
Antwort der FDP:
Zu einem Leben in Freiheit gehört auch die Selbstbestimmung am Lebensende. Das umfasst die Möglichkeit, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Um Rechtssicherheit für Betroffene, Angehörige und Ärztinnen und Ärzte zu schaffen, wollen wir die Rahmenbedingungen für den assistierten Suizid gesetzlich abbilden. Gleichzeitig darf niemand zur Assistenz bei einem Suizid verpflichtet werden. Daneben muss der Staat jedem, der Suizidgedanken hat, die helfende Hand reichen. Die Suizidprävention in Deutschland wollen wir deshalb spürbar ausbauen.
Antwort der SPD:
Die SPD nimmt das Thema Suizidhilfe sehr ernst. Unsere Position basiert auf dem Prinzip der Würde und Selbstbestimmung des Menschen, auf dem Prinzip der Prävention und Beratung und auf dem Prinzip der Rechtssicherheit für Ärzt*innen. Wir respektieren also die persönliche Entscheidungsfreiheit der Menschen in existenziellen Lebenssituationen, wollen, dass vor jeder Suizidentscheidung eine umfassende, professionelle und niedrigschwellige Beratung steht und fordern, dass medizinisches Personal rechtlich geschützt und unterstützt werden muss.
Wir setzen uns daher für die Schaffung eines rechtlichen Rahmens ein, der den Ärzt*innen Rechtssicherheit gibt, für den Ausbau flächendeckender, kostenloser Suizidberatungsstellen, für die Stärkung psychosozialer Unterstützungsangebote sowie für die Verbesserung der psychischen Gesundheitsversorgung. Unser Ziel ist, Menschen in Extremsituationen zu helfen und gleichzeitig ihre Würde und Selbstbestimmung zu achten.
Thema 5: Gleichstellung humanistisches Begabtenförderwerk
Das BMBF fördert vier religiöse, aber kein weltanschauliches Förderwerk. Dem humanistischen Bertha-von-Suttner Studienwerk wird die Förderung verweigert. Unterstützen Sie die strukturelle Gleichbehandlung und Gleichstellung von nichtreligiösen/humanistischen Menschen in der Begabtenförderung?
Antwort von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Uns ist eine staatlich neutrale Haltung gegenüber Religionen und verschiedenen Weltanschauungen wichtig. Unter den staatlich geförderten Begabtenförderungswerken finden sich, neben den religiös orientierten, bereits weitere Förderwerke, die weltanschaulich neutral sind und daher auch offen gegenüber nicht-religiösen und humanistischen Stipendiat*innen.
Antwort von CDU/CSU:
Im Sinne einer Investition in die zukünftige Innovations- und Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft haben die Begabtenförderungswerke die Aufgabe, Studentinnen und Studenten sowie Promovierende zu fördern, deren Begabung und Persönlichkeit besondere Leistungen in Studium und Beruf beziehungsweise einen besonderen Beitrag zur Forschung erwarten lassen. Der Pluralität von Begabungen wird durch die unterschiedliche Ausrichtung der 13 unterstützten Begabtenförderungswerke Rechnung getragen. Eines der größten Begabtenförderungswerke, die Studienstiftung des Deutschen Volkes, bildet das gesamte Spektrum politischer, religiöser und weltanschaulicher Haltungen ab, die sich im Rahmen der demokratischen Werteordnung bewegen. Mit ihrer finanziellen und ideellen Förderung stärkt die Studienstiftung diese jungen Menschen in ihrem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Engagement. Vor dem Hintergrund knapper Haushaltsmittel müssten weitere Förderwerke gründlich geprüft werden.
Antwort von DIE LINKE:
Ja. Nichtreligiöse und humanistische Studierende und Promovierende dürfen nicht einfach auf die weiteren Studienwerke verwiesen werden, die im Rahmen der Begabtenförderung Stipendien vergeben. Solange das Glaubensbekenntnis neben der besonderen Begabung als Qualifikation für ein Stipendium anerkannt wird, muss es Alternativen für Menschen mit einer humanistischen Weltanschauung geben.
Antwort der FDP:
Wir Freien Demokraten wollen Exzellenz in der akademischen und der beruflichen Bildung fördern. Deswegen haben wir mit der "Exzellenzinitiative Berufliche Bildung" die Talentförderung mit dem Aufbau und der Erweiterung von Stipendienprogrammen ausgebaut. So haben wir beim Aufstiegsstipendium die Begabtenförderung in der beruflichen Bildung und damit zugleich im Hochschulbereich erweitert. Darüber hinaus legen wir einen Schwerpunkt auf die Talentförderung. Die Wahl des Studiums darf nicht vom Elternhaus oder der Herkunft abhängen. Daher wollen wir das BAföG zu einem elternunabhängigen Baukasten-System weiterentwickeln. Das Bildungskreditprogramm wollen wir bereits kurzfristig stärken und ausbauen.
Antwort der SPD:
Die SPD setzt sich entschieden für Gleichberechtigung und Chancengleichheit in unserer Gesellschaft ein. Unsere Position zur Begabtenförderung basiert auf den Grundsätzen der Religionsfreiheit und weltanschaulichen Neutralität des Staates. Wir stehen für eine diskriminierungsfreie Förderung von Talenten, unabhängig von religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen. Wir stehen für einen diskriminierungsfreien Zugang zur Begabtenförderung. Unser Ziel ist es, Chancengleichheit und weltanschauliche Vielfalt in der Bildungsförderung zu verwirklichen. Dies entspricht unserem Verständnis von Gerechtigkeit und dem Grundgesetz.
Thema 6: Humanistische Militärseelsorge
Unterstützen Sie neben religiöser Militärseelsorge die Etablierung von humanistischer Militärseelsorge zugunsten von konfessionell nicht gebundenen Angehörigen der Bundeswehr?
Antwort von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Religions- und Weltanschauungsfreiheit gilt selbstverständlich auch für Angehörige der Bundeswehr. Insofern ist ein plurales Angebot an Seelsorge in der Bundeswehr zu begrüßen, das auch einen humanistischen Zweig beinhalten kann. Wichtig bleibt – wie bei den bereits etablierten Formen für religiöse Seelsorge – dass das eingesetzte Personal für diese Aufgabe qualifiziert und geeignet ist.
Antwort von CDU/CSU:
Gemäß Soldatengesetz haben Soldatinnen und Soldaten einen Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung. Die evangelische und die katholische Kirche sowie der Zentralrat der Juden in Deutschland leisten durch die vertraglich vereinbarte Militärseelsorge einen unverzichtbaren Beitrag zur seelsorglichen Betreuung von Soldatinnen und Soldaten und deren Angehörigen. Die Militärseelsorge bietet ihre Unterstützung an, im täglichen Dienst, aber auch in Übung und Einsatz, egal ob in Deutschland oder an ausländischen Standorten. Sie ist dabei Ort der Begegnung, des Gesprächs, der Hilfe und inneren Einkehr. Die Menschen, die sich zu keiner Konfession bekennen wollen, können sich an die Familienbetreuungszentren, den Sozialdienst und den Psychologischen Dienst der Bundeswehr wenden.
Antwort von DIE LINKE:
Die kirchliche Militärseelsorge in ihrer heutigen Form wollen wir abschaffen. Sie führt zu einer engen Verzahnung von Militär und Kirche und bindet letztlich die religiöse Militärseelsorge an einen militärischen Zweck, die Kampffähigkeit der Soldatinnen und Soldaten auch bei ethischen Zweifeln an ihrem Tun aufrechtzuerhalten. Wir wollen dieses System durch Seelsorgeverträge der Bundeswehr mit religiösen und Weltanschauungsgemeinschaften ersetzen, der allen Soldatinnen und Soldaten den Zugang zu einer Seelsorge sichert, die ihren Bedürfnissen entspricht.
Antwort der FDP:
Für die psychologische Betreuung von Soldatinnen und Soldaten steht mit dem psychosozialen Netzwerk der Hilfe eine gut ausgebaute Betreuung zur Verfügung, um allen Angehörigen der Bundeswehr sowie ihren Familien beratend und unterstützend zur Seite zu stehen. Auch konfessionslose Soldatinnen und Soldaten finden hier Anlaufstellen für Betreuungs- und Fürsorgeangebote. Religiöse Militärseelsorge ergänzt dieses Netzwerk um Komponenten der jeweiligen religiösen Überzeugung. Damit ist das Netzwerk der Bundeswehr im Bereich der Militärseelsorge breit aufgestellt.
Antwort der SPD:
Die SPD setzt sich für eine moderne und inklusive Bundeswehr ein, die die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegelt. In unserem Verständnis bedeutet das, alle Soldat*innen unabhängig von ihrer weltanschaulichen Orientierung zu respektieren und zu unterstützen.
Wir stehen grundsätzlich für eine pluralistische Betreuung in der Bundeswehr. Das bedeutet, dass wir Angehörige unterschiedlicher Weltanschauungen und Konfessionen gleichermaßen wertschätzen. Die aktuelle religiöse Militärseelsorge ist ein etabliertes System, das wir als wichtig für die seelische Betreuung unserer Soldat*innen betrachten.
Thema 7: Welthumanist*innentag
Abwechselnd werden jedes Jahr entweder der Kirchen- oder der Katholikentag in einer Stadt in Deutschland begangen und unter anderem auch vom Bund bezuschusst. Würden Sie sich dafür einsetzen, dass analog dazu die Durchführung des Welthumanist*innentages am 21. Juni in einer deutschen Stadt bezuschusst wird?
Antwort von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fühlen sich der vom Grundgesetz vorgesehenen Gleichbehandlung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie der partiellen freundschaftlichen Kooperation des Staates mit ihnen verpflichtet. Wenn sie Vergleichbares tun, müssen sie vergleichbar behandelt werden.
Dies trifft auch auf die Ausrichtung von Welthumanist*innentagen zu. Sofern dieser hinsichtlich der Themen, der Offenheit gegenüber der Gesamtgesellschaft sowie der Mitfinanzierung durch Veranstalter, Teilnehmende und andere öffentliche Zuschussgeber mit Kirchen- beziehungsweise Katholikentagen vergleichbar ist, kann ein Bundeszuschuss im vergleichbaren Umfang wie bei religiösen Veranstaltungen – natürlich an die Teilnehmendenzahlen angepasst – erwogen werden.
Antwort von CDU/CSU:
Der öffentliche Zuschuss für Kirchen- beziehungsweise Katholikentage setzt sich zusammen aus Mitteln der jeweiligen Kommune, des Bundeslandes und einem Bundesanteil. Ob und inwieweit sich eine solche Finanzierung auch für den Welthumanistentag organisieren lässt, kann sich letztendlich erst aus konkreten Gesprächen dieser drei Ebenen ergeben.
Antwort von DIE LINKE:
Ja. Wenn der Staat religiöse Großveranstaltungen noch über die ohnehin vorhandene Finanzierung der Kirchen hinaus bezuschusst, muss eine solche Finanzierung auch großen weltanschaulichen humanistischen Vereinigungen zugänglich sein.
Antwort der FDP:
Wir Freie Demokraten setzen uns für eine gleichberechtigte Religions- und Weltanschauungspolitik ein, die die Vielfalt religiöser und nicht-religiöser Überzeugungen respektiert. Voraussetzung für öffentliche Förderungen – ob religiös oder weltanschaulich – sind dabei stets Transparenz und Gemeinwohlorientierung. Wir sehen es als vorrangig an, Förderentscheidungen grundsätzlich stärker an klaren, transparenten und wettbewerblichen Kriterien auszurichten.
Antwort der SPD:
Die SPD setzt sich für eine offene und pluralistische Gesellschaft ein, in der unterschiedliche Weltanschauungen und Lebensentwürfe respektiert werden. Grundsätzlich ist es uns ein Anliegen, verschiedene zivilgesellschaftliche Veranstaltungen zu unterstützen, die den demokratischen Zusammenhalt stärken.
Thema 8: Medienstaatsvertrag
Paragraf 68 des MStV räumt der evangelischen und der katholischen Kirche sowie den jüdischen Gemeinden Sendezeit zur Übertragung religiöser Sendungen ein. Unterstützen Sie die Forderung, dass dies auch Weltanschauungsgemeinschaften ermöglicht wird, wie es beispielsweise schon in einigen Rundfunkstaatsverträgen geregelt wurde?
Antwort von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Die Angebote öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten sollen eine möglichst breite Themen- und Meinungsvielfalt darstellen. Dazu gehören auch die Positionen von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften als wichtige Akteure im gesellschaftlichen Diskurs.
Der öffentlich-rechtliche Auftrag wird in Staatsverträgen durch die Länder definiert, hier liegt die rechtliche Kompetenz. Wo Ungleichbehandlungen zwischen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bestehen, wollen wir diese aufbrechen. So könnten weiteren Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften Sendeplätze eingeräumt werden, bei denen sie ebenfalls von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten professionell beraten und begleitet werden.
Antwort von CDU/CSU:
Aus verfassungsrechtlicher Sicht und dem Blickwinkel des Staatskirchenrechts wären den Weltanschauungsgemeinschaften die gleichen Rechte wie den Kirchen und den Religionsgemeinschaften zuzubilligen. Medienpolitik obliegt jedoch den Ländern und der ständige Austausch zwischen den Ländern zu Einzelfragen der Medienpolitik und Mediengesetzgebung ist unverzichtbar. Daher müsste diese Frage im Rahmen der Rundfunkkommission der Länder, die sich als Gesprächsforum und Beschlussinstanz bewährt hat, erörtert werden.
Antwort von DIE LINKE:
Ja. Die Linke steht für die Gleichbehandlung religiöser und weltanschaulicher Vereinigungen. Ein wachsender Teil der Bevölkerung wird durch die Religionsgemeinschaften nicht mehr repräsentiert und fühlt sich durch ihre Angebote nicht mehr angesprochen. In einer religiös und weltanschaulich vielfältigen Gesellschaft sollen alle religiösen und Weltanschauungsgemeinschaften das gleiche Recht auf Repräsentation und die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, sich mit den verschiedenen Anschauungen auseinanderzusetzen.
Antwort der FDP:
Wir Freie Demokraten stehen für eine freie, plurale und unabhängige Medienlandschaft. Die Entscheidung, Weltanschauungsgemeinschaften sogenannte "Sendezeit für Dritte" einzuräumen, ist kein Thema der Bundespolitik. Denn Medienpolitik ist Ländersache. Die Länder entscheiden gemeinsam über den Medienstaatsvertrag.
Antwort der SPD:
Die SPD legt großen Wert auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Unsere Position basiert auf unserem Grundverständnis einer offenen und pluralistischen Gesellschaft. In unserem Regierungsprogramm für die Bundestagswahl 2025 haben wir uns klar zum interreligiösen Dialog und zum Schutz der Religions- und Weltanschauungsfreiheit bekannt. Wir fördern eine Gesellschaft, in der verschiedene Weltanschauungen gleichberechtigt und respektvoll nebeneinander existieren können.
Dabei setzen wir uns für eine faire und inklusive Medienlandschaft ein, in der Weltanschauungsgemeinschaften grundsätzlich die Möglichkeit erhalten sollen, ihre Perspektiven zu präsentieren.
Erstveröffentlichung auf der Website des HVD.

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Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Die besten Antworten zu den Themen haben m.E. das Bündnis 90/die Grünen gegeben.
Bei vielen der anderen Parteien klingt es wie ein "weiter so".