Säkulare Verbände, 2. Folge: HVD

In zwangloser Reihenfolge wird der Humanistische Pressedienst Darstellungen

der einzelnen Verbände über ihre Geschichte und heutigen Positionen veröffentlichen. Diese Texte sind die Sichtweise der Verbände selber. Die Reihenfolge hat keinerlei inhaltrliche Bedeutung.

 

Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) – was das ist und warum es ihn gibt

Humanismus ist übersetzbar als „Lehre von der Menschlichkeit“ und „human“ drückt die höchste Wertung aus, zu der Menschen greifen können, denn das Gegenteil wäre „inhuman“, also „Unmenschlichkeit“. Das Problem, mit dem wir es allerdings zu tun haben, ist die Kulturabhängigkeit von „Menschlichkeit“: Nicht allen Menschen ist alles gleich menschlich, nicht das Gleiche menschlich und manches nicht mehr menschlich, was soeben selbstverständlich so war. In diesem großen Palaver der Menschheit über Humanität ergreifen die Mitglieder des Humanistischen Verbandes Partei.

Der HVD versteht unter Humanismus eine internationale, historisch gewachsene, an Demokratie und Aufklärung orientierte Kulturbewegung, deren Grundsätze sich in den Menschenrechten spiegeln, die in den Verfassungen zunächst Europas und Amerikas und heute in den Vereinten Nationen ihren Niederschlag finden.

Als Weltanschauungsgemeinschaft ist der HVD Teil dieser Kulturbewegung. Sein eigener Beitrag im Streit um Menschlichkeit besteht darin, dass er in Deutschland die humanistische Idee hinsichtlich ihres weltanschaulichen Kerns zuspitzt. Er ist der Meinung (und hat dies umfänglich in seinem Humanistischen Selbstverständnis erläutert), dass sich Menschen selbst Verfassungen geben als Individuen, Gruppen, Gesellschaften und Staaten. Der HVD verneint, dass Menschen diese Verfassungen von einem Gott oder einem höheren Prinzip ableiten bzw. darauf zurückführen müssen.

Der HVD gründete sich am 14. Januar 1993 in Berlin als Vereinigung von religionsfreien Personen, Gemeinschaften und Interessenverbänden, die teilweise Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und auf über 150 Jahre Geschichte zurückblicken. Er betreibt zahlreiche soziale und kulturelle Projekte, hat eine Jugendorganisation, ein Hilfswerk für Katastrophenfälle, Humanistische Akademien, eine Verbandszeitschrift (diesseits) u.a.m.

Bekannt sind in Deutschland seine Jugendfeiern (Jugendweihen), seine Initiativen bei Patientenverfügungen und zur humanen Sterbehilfe. Als Alternative zum Religionsunterricht kämpft der HVD für das Schulfach Humanistische Lebenskunde, das er in Berlin bereits anbietet (von 40.000 Kindern besucht), in Brandenburg juristisch durchgesetzt und in andren Bundesländern beantragt hat oder beantragen wird.

Die wichtigste politische Forderung des HVD ist die Abschaffung der Privilegierung der christlichen Kirchen. Bis dahin sind die darin enthaltenen Festlegungen sinngemäß auch auf den HVD anzuwenden. Die verfassungsmäßig geforderte Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen ist umzusetzen.

Warum es den HVD gibt – das wird in einer kurzen Darlegung der Motive deutlich, die 1993 zur Gründung führten

Internationale Erwägungen: Große Verbände in den USA, Indien, Sri Lanka, Holland, Belgien usw. übernahmen in den 1960er/1970er Jahren die Bezeichnung „humanistisch“, wirken damit in ihren Ländern erfolgreich und schufen internationale Zusammenschlüsse in der IHEU oder EHF. Der Schritt säkularer Verbände in Deutschland unter ein humanistisches Dach bedeutete zugleich das Sich-Einbringen in einen breiteren Strom, der auch in internationalen Dokumenten außerhalb der Verbände Ausdruck findet (etwa § 51 Europäische Verfassung).

Programmatische Erwägungen: Der HVD als bundesweite Dachorganisation ging aus zahlreichen nichtreligiösen Gemeinschaften hervorgegangen. Er vollzog eine konzeptionelle „Wende“. Diese besteht in der vorrangig positiven Arbeit an einem humanistischen Welt-, Menschen- und Gesellschaftsbild – statt in der bloßen Verneinung kirchlicher Institutionen bzw. religiöser Lebensanschauungen. Der HVD nahm Abschied vom sektiererischen „Kirchenkampf“. Er sieht im wiedervereinigten Deutschland eine reale Chance auf breite Akzeptanz eines humanistischen „Bekenntnisses“. Der Name „humanistisch“ ist also Programm, kein taktisches Manöver. Er ist auch deshalb programmatisch, weil er zur Kenntlichkeit führt und die postmoderne Beliebigkeit konterkariert, die mit Begriffen wie frei-geistig, frei-religiös, frei-denkerisch zu Missverständnissen und religiösen Vereinnahmungen führt.

Änderungen der praktischen Konzeption: Obwohl der HVD heute vorwiegend in einigen Großstädten „anfassbar“ ist, zeigt seine Praxis, dass seine Humandienstleistungen von weitaus mehr Menschen gewünscht werden. Empirische Befunde (Allensbach) zeigen den HVD als eine zukunftsfähige Unternehmung, gerade weil er sich nicht mehr allein als Verein zur Beförderung des Kirchenaustritts präsentiert. Er kümmert sich als Verband um diejenigen Menschen, die sich von Kirche und Religionen bereits verabschiedet haben.

Notwendigkeit politischer und konzeptioneller Trennstriche: Ein Motiv der Namens- und Konzeptänderung war die ambivalente Geschichte der freigeistigen Bewegung selbst. Das betrifft sowohl die Distanz zu einer Freidenkerei, die die freie Weltanschauung dogmatisch und sektiererisch an den Marxismus-Leninismus zu binden versuchte, als auch die klare Distanz nach rechts. Hier betrifft die Abgrenzung eine freie Religiosität (vorwiegend in Südwestdeutschland, aber nicht nur dort), die sich zwischen 1933 und 1945 als Teil des Nationalsozialismus verstand.

Der Humanistische Verband Deutschlands (und seine Mitgliedsverbände) ist über den nebenstehenden Button „Pressemappe“ direkt erreichbar.

Dr. Horst Groschopp