Anfang des Jahres kam angesichts der neuen Offenheit des Zentralrats der Konfessionsfreien zur Union eine Debatte auf, wie eine moderne Religionspolitik aussehen könnte, die dazu führt, dass säkulare Interessen dauerhaft größere Berücksichtigung finden und die Privilegien der Religionsgemeinschaften verschwinden. MIZ hat daraufhin ein Dutzend Verbände angeschrieben und nach ihrer Einschätzung gefragt. Das neue Heft dokumentiert und kommentiert die Antworten.
Im Editorial werden die vier Stellungnahmen eingeordnet: Während der Humanistische Verband Deutschland (HVD) auf die "konsequente Anwendung weltanschaulicher Gleichbehandlung" setzt, steht für die anderen drei Organisationen – den Zentralrat der Konfessionsfreien, den Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) und Projekt 48 – die Abschaffung der Privilegien der Religionsgemeinschaften im Vergleich zu den sonstigen zivilgesellschaftlichen Kräften im Vordergrund. In den Details zeigen sich dann sowohl bei der Schwerpunktsetzung als auch bei der Strategie einige Unterschiede.

Gemeinsam ist allen vier Einsendungen der Ausgangspunkt: Das Religionsrecht entspreche nicht mehr den gesellschaftlichen Realitäten; es berücksichtige weder die drastisch gesunkene Zahl der Kirchenmitglieder noch die starke Zustimmung zu humanistischen Auffassungen in der Bevölkerung und es benachteilige konfessionslose bzw. nicht-religiöse Menschen. Insofern herrscht Einigkeit, dass Veränderungen dringend angezeigt sind.
Der HVD setzt dafür auf eine "Weltanschauungspolitik als Demokratiepolitik", die auf einem "positiven" Politikverständnis basiert: Nicht die Kritik an Kirchen und Religionen steht im Vordergrund, sondern aus einer humanistischen Weltanschauung heraus entwickelte eigenständige Inhalte. Der IBKA dagegen hält an den gut begründeten Forderungen der Vergangenheit fest und zielt auf die Durchsetzung individueller Selbstbestimmung ab. Auch der Zentralrat der Konfessionsfreien hat sich die Umsetzung lange bestehender säkularer Ziele auf die Fahne geschrieben. Er wählt jedoch einen neuen Zugang zur Politik: Während die Verbände bisher eher die Parteien angesprochen haben, um säkulare Positionen dort zu verankern, wendet sich der Zentralrat teils direkt an die Exekutive. Projekt 48 will Veränderungen erreichen, indem die positive Religionsfreiheit als individuelle verstanden wird. Das würde nach sich ziehen, dass Menschen mit abweichenden Positionen nicht nur vor Diskriminierung, sondern auch vor religiöser Unduldsamkeit besser geschützt werden müssten.
Neutralitätsgesetz und ärztliche Selbstbestimmung
In der Rubrik "Staat und Kirche" gibt ein Artikel einen Überblick über die Debatte um das Berliner Neutralitätsgesetz. Die schwarz-rote Koalition plant, das Gesetz entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anzupassen, während die Fraktionen von Grünen und Linken ihm den Garaus machen möchten und die AfD es als Werkzeug gegen "den Islam" einzusetzen gedenkt.
Ein Interview mit dem Gynäkologen Prof. Dr. Joachim Volz bietet Hintergrundinformationen aus erster Hand zum Konflikt am Christlichen Krankenhaus Lippstadt. Dort ist es nach einer Fusion nicht mehr möglich, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Der langjährige Chefarzt wehrt sich vor Gericht gegen diese Einschränkung seiner medizinischen Möglichkeiten.
Vorstellungen von Moderne und von Arbeit
Sebastian Schnelle zeigt im zweiten Teil seiner Untersuchung über die Gegner der Moderne für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, wie nah die Konservative Revolution und der sich formierende islamische Fundamentalismus in vielen gesellschaftlichen Vorstellungen beieinander lagen.
Udo Endruscheit wirft einen Blick auf das Menschenbild im Zusammenhang mit den Vorstellungen von Arbeit. Er arbeitet heraus, wie die Verwertungslogik in den letzten Jahrzehnten immer bestimmender wurde für unsere Einschätzung von Arbeit und dass damit auch eine Veränderung einherging, wie Menschen, die nicht arbeiten (können), gesehen werden.
Daneben gibt es die Rubrik Zündfunke und die Internationale Rundschau.
Mehr Informationen finden Sie auf der Website der MIZ.






