Ricky Gervais über sein fröhliches Goodbye zu Gott
Wie ich vom Jesus-liebenden Christen zum Spaß-liebenden Ungläubigen wurde... an einem Nachmittag
Ich liebte Jesus. Er war mein Held. Mehr als Popstars. Mehr als Fußballer. Mehr als Gott. Gott war laut Definition allmächtig und perfekt. Jesus war ein Mensch. Er musste daran arbeiten. Er war Versuchungen ausgesetzt, doch bezwang die Sünde. Er besaß Integrität und Mut. Aber Er war mein Held, weil Er freundlich war. Und er war freundlich zu jedem. Er beugte sich nicht dem Gruppenzwang, nicht der Tyrannei und nicht der Grausamkeit. Es war Ihm gleich, wer du warst. Er liebte dich. Was für ein Kerl. Ich wollte genau so sein wie er.
Als ich acht Jahre alt war, malte ich eines Tages ein Kruzifix als Teil meiner Bibelstudien-Hausaufgabe. Ich liebte auch die Kunst. Und die Natur. Ich liebte es, wie Gott all die Tiere gemacht hatte. Sie waren auch perfekt. Bedingungslos schön. Es war eine aufregende Welt.
Ich lebte in einer sehr armen Arbeiterklassesiedlung in einer Zersiedelung namens Reading, 40 Meilen westlich von London. Mein Vater war Arbeiter und meine Mutter Hausfrau. Ich schämte mich niemals wegen meiner Armut. Es war schon edel. Außerdem war jeder, den ich kannte, in der selben Lage und ich hatte alles, was ich brauchte. Die Schule war kostenlos. Meine Kleider waren günstig und immer sauber und gebügelt. Und Mama war immer am Kochen. Sie kochte am Tag, als ich Jesus am Kreuz malte.
Ich saß am Küchentisch, als mein Bruder nach Hause kam. Er war elf Jahre älter als ich, also wäre er 19 gewesen. Er war schlauer als jeder, den ich kannte, aber er war zu frech. Er sprach Widerworte und geriet in Schwierigkeiten. Ich war ein guter Junge. Ich ging zur Kirche und glaubte an Gott – was für eine Erleichterung für eine Frau aus der Arbeiterklasse. Sehen Sie, da wo ich aufwuchs wagten Mamas nicht zu hoffen, dass ihre Kinder Ärzte werden würden, sie hofften einfach, dass sie nicht im Knast landeten. Erzieht man sie also mit dem Gottesglauben, so bleiben sie gut und gesetzestreu. Das System ist perfekt. Na ja, beinahe. 75% der Amerikaner sind gottesfürchtige Christen; 75% der Häftlinge sind gottesfürchtige Christen. 10% der Amerikaner sind Atheisten; 0,2% der Häftlinge sind Atheisten.
Aber wie dem auch sei, da war ich nun und malte glücklich meinen Helden, als mein großer Bruder Bob fragte: „Warum glaubst du an Gott?“ Nur eine einfache Frage. Aber meine Mama geriet in Panik. „Bob“, sagte sie in einem Ton, von dem ich wusste, dass er „Halt die Klappe!“ bedeutete. Warum war es schlecht, so etwas zu fragen? Wenn es einen Gott gab und mein Glaube stark war, dann war es egal, was die Leute sagten.
Oh, einen Moment... Es gibt keinen Gott. Er weiß es und tief in ihrem Herzen weiß sie es auch. So einfach war das. Ich begann darüber nachzudenken und stellte mehr Fragen und innerhalb einer Stunde war ich Atheist.
Wow. Kein Gott. Wenn mich Mama über Gott belogen hatte, hatte sie mich dann auch über den Weihnachtsmann belogen? Ja, natürlich, aber wen interessierts? Es gab weiterhin Geschenke. Und so gab mir auch mein neuer Atheismus immer mehr Geschenke. Die Geschenke der Wahrheit, Wissenschaft, Natur. Die wahre Schönheit dieser Welt. Keine Welt des Designs, sondern eine des Zufalls. Ich lernte die Evolution kennen – eine Theorie, die so einfach und offensichtlich war, dass nur Englands größtes Genie sie hatte erdenken können. Evolution von Pflanzen, Tieren und von uns – mit Fantasie, freiem Willen, Liebe und Humor. Ich brauchte keinen Grund mehr für meine Existenz, sondern nur noch einen, um zu leben. Und Fantasie, freier Wille, Liebe, Humor, Spaß, Musik, Sport, Bier und Pizza sind alle gute Gründe genug, um zu leben.
Doch um ein ehrliches Leben zu leben – dafür braucht man natürlich die Wahrheit. Das war die andere Sache, die ich an diesem Tag gelernt habe, dass die Wahrheit, wie schockierend und unbequem sie auch sein mag, am Ende zur Befreiung und zur Würde führt.
Ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel keine Gefühle verletzt habe. Na gut, das war eine Lüge.
Der Autor: Ricky Gervais ist ein britischer Komiker, Radiomoderator und Schauspieler. Er ist vor allem für die BBC Two-Serie The Office und für die Sitcom Extras bekannt. Er erhielt für sein Werk mehrere Auszeichnungen, darunter drei Emmys und zwei Golden Globes.
Übersetzung: Andreas Müller
Quelle: Gervais, Ricky: My Argument with God. BestLife Magazine. 22. Februar 2008 (siehe Anhang)
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