Verfehlte Fixierungen des Westens

(hpd) Gegen das stereotype Bild vom Gegensatz „des Islam" gegen „den Westen" will Olivier Roy auch in seinem neuen Buch

„Der falsche Krieg. Islamisten, Terroristen und die Irrtümer des Westens" anschreiben. Der Forschungsdirektor am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) ist neben Gilles Kepel der renommiertes französische Islamismus-Kenner und legte bereits 2006 mit der deutschsprachigen Übersetzung seines Buchs „Der islamische Weg nach Westen" ein vielbeachtetes Werk vor. Roy wendet sich erneut gegen die pauschalisierende und undifferenzierte Auffassung, wonach es eine Art „Geostrategie des Islam" zur Erklärung aller aktuellen Konflikte von Palästina über die Pariser Vorstädte bis zu Bin Laden gebe. Demgegenüber sollen in „Der falsche Krieg" die Konflikte im Nahen Osten wieder in ihren eigenen Zusammenhängen dargestellt und erörtert werden. Roy unternimmt dies in vier Kapiteln, die allerdings mehr eine kommentierende Betrachtung denn eine wissenschaftliche Erörterung enthalten.

 

Zunächst kritisiert der Autor die US-amerikanische Politik gegenüber dem Nahen Osten im Rahmen des „Krieges gegen den Terror", welcher letztendlich schon aufgrund der verfehlten Fixierung auf den Irak gescheitert sei. Hierbei deutet Roy das Handeln der Bush-Administration nicht als Folge des Einflusses der Israel- oder Öl-Lobby, sei der entscheidende Faktor doch in einem missionarischen Sendungsbewusstsein zur Verbreitung der „Demokratie von oben" angelegt gewesen.

Danach widmet sich Roy den neuen Bruchlinien und Konflikten in der arabischen Welt, wobei auf zwei Gesichtspunkte besonders abgestellt wird: Der Islamismus bilde vielfach eine ideologische Folie für Konflikte zwischen ethnischen Gruppen; und gegenwärtig zeichne sich als neue Auseinandersetzung das Spannungsverhältnis zwischen Schiiten und Sunniten ab. Dem folgend geht der Autor auf die Entwicklung im Iran und den antiimperialistischen Pathos Ahmadinedschads ein und skizziert abschließend noch die Besonderheiten von Al Qaida in Organisationsform und Zielsetzung.

Insgesamt wirkt Roys Buch wie ein vierteiliger „Großessay", der bestimmte Aussagen und Interpretationen mehr präsentiert denn entwickelt. Gleichwohl verdienen die Inhalte gerade vor dem Hintergrund der ständigen Forderung nach Differenzierung Interesse: Dies gilt etwa für die Unterscheidung von primär politischen und primär terroristischen Bewegungen, sollte doch in der Tat eine kluge Strategie einen unterschiedlichen Umgang mit der Hamas als Repräsentantin der erstgenannten und Al Qaida als Vertreterin der letztgenannten Variante pflegen.

Gerade die Erkenntnis, dass der Islamismus keineswegs einen homogenen Block darstellt und die terroristische Truppe um Osama bin Laden eben keine direkten Bezüge zum Palästina-Konflikt aufweist, eröffnet hier neue Perspektiven einer diplomatischen Vorgehensweise. Dazu liefert Roys Darstellung - trotz der mitunter etwas fragmentarisch wirkenden Präsentation des Stoffes - eine Reihe von beachtenswerter Anregungen. Dies gilt auch für den geforderten neuen Blick auf Al Qaida als nomadische Organisation ohne Ziel.

Armin Pfahl-Traughber

Olivier Roy, Der falsche Krieg. Islamisten, Terroristen und die Irrtümer des Westens. Aus dem Französischen von Ursel Schäfer, München 2008 (Siedler-Verlag), 192 S., 19,95 €