Ärztliche Sterbebegleitung auch zu Hause

DRESDEN. (hpd) Ein deutschlandweit einzigartiges Modell der Sterbebegleitung hat die Krankenkasse AOK PLUS am 02.10. 2008 auf einem Palliativforum in Dresden vorgestellt. Das Konzept ermöglicht Sterbenskranken je nach Wunsch die Betreuung sowohl auf der Palliativstation im Krankenhaus als auch in ihrer häuslichen Umgebung. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt von der Universität Leipzig.

 

Bereits im Juni dieses Jahres stellten die Dresdner ihr Projekt „Brückenteam" in der Fachzeitschrift „Das Krankenhaus" vor. In der vergangenen Woche wurde es der Öffentlichkeit im Rahmen eines Forums in Dresden präsentiert.

Die Zielsetzungen des Gesetzgebers - der Erhalt der Lebensqualität, die Förderung der Selbstbestimmung sowie die besondere Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Patienten - decken sich mit den Erfahrungen eines bereits seit mehreren Jahren praktizierten und wissenschaftlich begleitenden Modellvorhabens im Rahmen der Integrierten Versorgung - dem Dresdner „Brückenteam".

Bereits im Jahr 2000, als die Palliativstation am Krankenhaus St. Joseph-Stift Dresden entstand, gab es ein Konzept für eine ambulante palliativmedizinische Betreuung. Eine integrierte „Brückenschwester" übernahm begleitende Versorgungsaufgaben im ambulanten Bereich - zunächst unentgeltlich. Es entstand schon bald der Bedarf nach besserer Versorgungsqualität in diesem Bereich, um dem Patienten bis zum Lebensende ein Verbleiben in seiner häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Dies erfordert jedoch eine unmittelbar ärztliche Begleitung. Neben dem Mangel an stationären Plätzen erkannte man, dass für viele dies gar nicht notwendig wäre, wenn eine entsprechende ambulante Versorgung gegeben wäre.

Dr. Barbara Schubert, leitende Oberärztin der Palliativstation dieses Krankenhauses hatte das Konzept 2002 entwickelt, welches damals mit den gesetzlichen Vorschriften kollidierte. Krankenhausärzte durften nicht ambulant tätig werden. Erst 2004 wurde dies möglich. Es mussten dafür viele bürokratische Hürden genommen werden. Doch für die Patienten hat es sich gelohnt. Das Modell wurde durch einen integrierten Versorgungsvertrag vom 1. Dezember 2004, den die Krankenkasse AOK PLUS, die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft und zwei Dresdner Onkologen mit dem St. Josef-Stift schlossen, ermöglicht. Inzwischen zählt auch die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) zu den Unterstützern. Die AOK startete daraufhin in Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus den so genannten „Brückendienst". Seit Januar 2005 betreut die Station mit einem Team von rund 20 Pflegekräften, Psychologen und Therapeuten unheilbar kranke Patienten.

Das Ziel der Palliativmedizin ist es, diesen Menschen durch Linderung von Schmerzen und Belastungen, die durch die Krankheit hervorgerufen werden, Lebensqualität zu ermöglichen. Die Studie hat gezeigt, dass dies bei solchen Patienten zu Hause, in gewohnter Umgebung, im Kreise der Familie oftmals am Besten gelingt. Sie haben erstmals die Möglichkeit selbst zu entscheiden, ob sie zu Hause oder im Krankenhaus behandelt werden möchten. Die Palliativpatienten werden auf Wunsch nach Hause entlassen, werden dort jedoch nicht sich selbst überlassen, sondern können jederzeit Kontakt mit dem „Brückenteam" aufnehmen. Dieses Team, derzeit bestehend aus zwei Ärzten und 5 Schwestern, ist für die Versorgung Schwerstkranker ausgebildet und kommt zur medizinischen Versorgung zu den Patienten nach Hause. Es berät den Hausarzt bei der Behandlung und vermittelt Hospiz- und Pflegedienste. Das Spektrum erstreckt sich von Schmerztherapie und Krisenintervention, Unterstützung der Selbstständigkeit, psychosoziale Betreuung des Patienten und seiner Angehörigen sowie die Schulung und Unterstützung dieser für Pflegemaßnahmen.

Die Palliativpatienten können aber auch jederzeit ins Krankenhaus zurück, wenn sie dies möchten. Für die Kranken und deren Angehörige ist das Brückenteam rund um die Uhr erreichbar und es gibt feste Ansprechpartner für persönliche Bedürfnisse und Nöte. 804 Patienten wurden bisher von ihnen betreut (2005-2007), ca. 80 Prozent davon bis zuletzt zu Hause bei ihren Familien.

Das Modellprojekt wurde von der Universität Leipzig wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Es wurde dabei nicht nur eine höhere Zufriedenheit der Patienten und ihrer Angehörigen deutlich, sondern es ergaben sich auch deutlich geringere Kosten, da die Patienten nur kürzere Zeiten im Krankenhaus waren. Die Kosten des Projekts belaufen sich nach Angaben der beteiligten Ärztin Barbara Schubert auf jährlich 430.000 Euro Personal- und 40.000 Euro Sachkosten. Für jeden Patienten werden etwa 1.300 Euro veranschlagt.

Durch die Gesundheitsreform im vergangenen Jahr sind inzwischen auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Palliativbehandlung zu Hause geschaffen worden. Die AOK möchte daher die ambulante Behandlung Sterbender sachsenweit einführen. Eine vorläufige Berechnung geht von aktuell knapp 5.000 potenziellen Patienten in Sachsen aus. Es gibt bereits jetzt zahlreiche Anträge interessierter Ärzte, Krankenhäuser und Pflegedienste, die ambulant palliativmedizinisch tätig werden wollten. Die AOK plant die Einteilung in Versorgungsregionen, wobei die strukturschwächeren Regionen Sachsens bei der bedarfsgerechten Betreuung besonders beachtet werden sollen.

Bisher gibt es sechs Krankenhäuser mit einer Palliativstation (66 Palliativbetten) und fünf Hospize in Sachsen. Für das Jahr 2009 sind laut Beschluss des Sächsischen Sozialministeriums vom Mai 2008 insgesamt 14 Krankenhäuser mit 150 Palliativbetten geplant.

Elke Schäfer