Berufsprestige - leicht gemacht

HAMBURG. (fowid/hpd) Seit 1966 erfragt und veröffentlicht das Institut für Demoskopie in Allensbach im Mehrjahresrhythmus Meinungen zum „Berufsprestige", d.h. dem Ansehen verschiedener Berufsgruppen. Die Ergebnisse sind insgesamt nicht ernst zu nehmen.

 

Die Frage, wie „angesehen", d.h. welches „Prestige" ein Beruf in der Bevölkerung hat, ist für die betroffenen Berufsstände von großer emotionaler Bedeutung - jeder möchte gerne ein „gutes Prestige" haben.

Diesem Bedürfnis entspricht das Institut für Demoskopie (IfD) in Allensbach in der Form, dass es seine Berichte überschreibt: „Ärzte und Pfarrer weiterhin vorn. Großer Prestigezuwachs für Grundschullehrer. Das Berufsansehen von Studienräten und Ingenieuren wird immer schlechter." (Umfrage 2001), „Ärzte weiterhin vorn. Aber ihr Berufsprestige wird kleiner. Das Berufsansehen der Politiker auf neuem Tiefpunkt.", (Umfrage 2003), „Ärzte vorn." (Umfrage 2005) sowie „Ärzte weiterhin vorn." (Umfrage 2008).

Die Frage zur Ermittlung dieses „Berufsprestiges", die das Institut für Demoskopie Allensbach seit 1966 in einem Mehrjahresrhythmus an die Bevölkerung richtet, lautet: "Hier sind einige Berufe aufgeschrieben. Könnten Sie bitte die fünf davon heraussuchen, die Sie am meisten schätzen, vor denen Sie am meisten Achtung haben?"

Damit ist korrekt beschrieben, wo das Problem dieser „Prestige-Rangplätze" liegt. Es sind die beiden Zahlenangaben. Es werden aus einer vorgegebenen Liste fünf Berufe benannt, die die Befragten am meisten schätzen, vor denen sie am meisten Achtung haben. Was das aber tatsächlich für Konsequenzen hat, entzieht sich dem eiligen Leser, wenn diese methodische Anmerkung überhaupt medial übermittelt wird. Methodenfragen scheinen kompliziert und haben den Charakter des so genannten „Kleingedruckten" in Verträgen, die keiner liest.

Allensbach stellt eine so genannte „geschlossene Frage", d.h. die Anzahl der Antworten ist begrenzt. Das ist einerseits verständlich, denn eine „offene Frage" (z.B. „Welche Berufe schätzen Sie am meisten?") würde eine Vielzahl von unterschiedlichen Angaben erbringen, die nur sehr aufwändig auszuwerten wären. Andererseits schränkt es den Bewertungshorizont dadurch aber eben nur auf die Berufe ein, die in der vorgegebenen Liste enthalten sind.

Wie diese Liste entstanden ist, dass weiß man heute im IfD nicht mehr: „Das war 1966! Die Arbeitsgruppe besteht heute nicht mehr." So schreibt man diese Liste fort, um für die darin genannten Berufe über die Jahre hinweg einen Trend als „Fieberkurve" zu erhalten.

Ärzte und Pfarrer/Geistliche als beständige Spitzenreiter

In diesen drei Erhebungsjahren gab es stets die beiden gleichen „Spitzenreiter": die Ärzte auf Platz 1 und die Pfarrer/Geistlichen auf Platz 2. Entsprechend meldete Focus „Ärzte genießen höchstes Ansehen" und die Evangelische Kirche in Deutschland: „Berufsprestige: Pfarrer genießen das zweithöchste Ansehen". Verständlich, dieser Stolz, aber nicht ernst zu nehmen.

In den Jahren 2001, 2003 und 2008 waren jeweils achtzehn bzw. siebzehn Berufe enthalten. Die methodische Beschränkung auf eine begrenzte Auswahlliste (18 Möglichkeiten) von denen man nur fünf benennen kann, hat jedoch die gleiche Logik, wie das Vorgehen, wenn man aus den über 5.000 verschiedenen Bier-Sorten, die in Deutschland gebraut werden, achtzehn auswählte und sich von denen fünf als „besonders beliebt" nennen ließe. Alle, die nicht in der Auswahl sind, fallen dann völlig ‚unter den Tisch', da sie gar nicht benannt werden können und regionale Spitzenreiter, sofern sie auf der Liste stehen, haben keine Chance. Wenn bei den Berufen also die Buchhändler zu dieser Gruppe der fünf am meisten geachteten Berufsgruppen überhaupt genannt werden, dann ist das bemerkenswert positiv.

In der Umfrage 2005 ist das Institut für Demoskopie von der 18-Berufe-Liste abgewichen und hat 22 Berufe zur Auswahl vorgegeben. Neu auf der Liste waren u. a. die Krankenschwester und der Polizist, die prompt auf dem „Rangplatz" zwei und drei benannt wurden. Nach den Hochschulprofessoren („Rang vier") finden sich die Pfarrer/Geistlichen dann auf „Platz 5" wieder.

Dieses „Experiment" wurde 2008 wieder korrigiert. Als Vergleichswerte für 2008 werden nicht die Werte von 2005 angegeben (wie in allen anderen Studien die jeweils vorherige Befragung), sondern die Angaben von 2003. Die Pfarrer/Geistlichen sind wieder auf Platz 2 und die Welt ist wieder in Ordnung.

Methodisch gibt es dafür eine einsichtige Erklärung, denn bei der Auswahl von 22 Berufen verteilen sich die Präferenzen anders als bei 17 oder 18 Vorgaben.

Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Piloten, Apotheker,...

So kann man sich ziemlich nach Belieben sein Berufsprestige selber ‚backen'. Dass es bei anderer Auswahl entsprechend auch ein anderes Ergebnis folgert, zeigt nicht nur die 2005-Umfrage von Allensbach, sondern auch eine Umfrage von Raeders Digest 2003, in denen das Vertrauen in ausgewählte Berufsstände erfragt wurde und die Rangfolge war: 1. Feuerwehrleute, 2. Krankenschwestern, 3. Piloten, 4. Apotheker, 5. Ärzte, 6. Taxifahrer, 7. Rechtsanwälte, 8. Lehrer, 9. Reiseveranstalter,... Überwiegend Berufe, die auf der Allensbach-Liste nicht vorhanden sind.

CF