Zugeschnittene besondere Papst-Logik

(hpd) Hans Albert, der bedeutendste deutsche Vertreter des Kritischen Rationalismus, formuliert in seiner Schrift „Joseph Ratzingers Rettung des Christentums" eine vehemente Kritik an den theologischen Werken des heutigen Papstes, die mit einer selektiven und zweifelhaften Inanspruchnahme der Vernunft zur Legitimation von Glaube und Gottesvorstellung dienen sollen.

 

Bereits lange vor seiner Wahl zum Papst hatte Joseph Ratzinger in öffentlichen Erklärungen und theologischen Schriften die Auffassung vertreten, der christliche Glaube sei die Option für die Priorität der Vernunft und des Vernünftigen. Eine inhaltliche Kritik an dieser Auffassung formulierten nur wenige Intellektuelle wofür exemplarisch Flores d'Arcais stand. Nach der Einnahme seiner neuen Funktion als Benedikt XVI. ging die Bereitschaft zu einer solchen Auseinandersetzung immer mehr zurück, obwohl Ratzinger durch die Neu-Publikationen älterer Werke und seinen Bestseller über Jesu von 2007 genügend Anlässe dafür bot. Der mittlerweile 87jährige Erkenntnistheoretiker und Soziologe Hans Albert, der sicherlich bedeutendste deutsche Vertreter des Kritischen Rationalismus, nahm sich nun dieser Aufgabe an. Seine Schrift „Joseph Ratzingers Rettung des Christentums. Beschränkungen des Vernunftgebrauchs im Dienste des Glaubens" will die Inanspruchnahme der Vernunft durch den gegenwärtigen Papst einer kritischen Prüfung unterziehen.

Zunächst kritisiert Albert darin Ratzigers Art des Umgangs mit Problemen, würde er doch bestimmte Einwände wie die zum Theodizeeproblem einfach ignorieren. Dem folgt eine knappe Betrachtung zur Problematik des religiösen Denkens seit der Aufklärung, wobei sich zeige, dass Theologen immer wieder zentrale Komponenten ihres Glaubens entsprechend des Standes der wissenschaftlichen Forschung umdeuten mussten. Erst danach geht Albert ausführlich auf Ratzingers „Einführung in das Christentum" von 1968 bzw. von 2000 ein, worin der Glaube auf der Basis einer spiritualistischen Metaphysik gerettet werden solle. Das bereits erwähnte Jesu-Buch wird anschließend hinsichtlich seiner christologischen Hermeneutik, dem exorzistischen Charakter des Christentums und der gläubigen Vernunft Ratzingers einer kritischen Betrachtung unterzogen. Gegen Ende finden sich noch Einwände gegen die Position, die Jürgen Habermas mit seiner willkürlichen Einschränkung des Vernunftgebrauchs im Dialog mit dem späteren Papst eingenommen hatte.

Bilanzierend meint Albert, Ratzinger berufe sich zwar bei der Rechtfertigung des Glaubens auf die Vernunft, aber er trete de facto für Beschränkungen des Vernunftgebrauchs ein, „die diesen Anspruch als haltlos erscheinen lassen. Und was die Religionskritik der Aufklärung angeht, so gehört Ratzinger zu denjenigen Theologen denen man mit Recht bescheinigen kann, dass ihre Argumentationen einen Rückfall in ein Denken involviert, das sich nicht ernsthaft auf Einwände einlässt, die sich aus den Resultaten des Erkenntnisfortschritts in den Wissenschaften ergeben" (S. 15). Die Argumentation des heutigen Papstes, womit er den dreieinigen Gott plausibel machen wolle, überzeuge nur, wenn man sich einer auf religiöse Zwecke zugeschnittenen besonderen Logik bediene. „Seine Bemühungen, zu einem brauchbaren Gottesbegriff zu kommen, zeichnen sich durch eine Konfusion aus, die um so fataler ist, als dieser Begriff von zentraler Bedeutung für seine Auffassung ist, denn auf die Annahme der Existenz Gottes gründet sich der erwähnte Erklärungsanspruch" (S. 70).

All diese kritischen Einschätzungen leitet Albert aus einer detaillierten Auseinandersetzung mit den Veröffentlichungen von Ratzinger ab. Damit folgt er einer Methode, die sich bereits in früheren Kritiken von ihm an den Theologen Gerhard Ebeling oder Hans Küng fand. Diese Vorgehensweise hat für die Lektüre Vor- und Nachteile: Man kann anhand der textnahen Auseinandersetzung genau die Argumentation Ratzingers wie die Kritik Alberts daran nachvollziehen. Hierbei geraten die allgemeinen Erkenntnisse im Sinne einer Kritik am Vernunftanspruch derartiger theologischer Auffassungen aber etwas aus dem Blickfeld. Gern würde man ein solches Werk von Albert noch lesen, etwa im Sinne einer bilanzierenden Betrachtung seiner Auseinandersetzung mit Theologen. Besondere Beachtung in dem vorliegenden Band verdient übrigens noch die scharfe Kritik an Habermas' Positionen in dieser Frage, habe sich dieser doch von der Religionskritik der Aufklärung verabschiedet und zu einer positiven Würdigung der Religion durchgerungen.

Armin Pfahl-Traughber

 

Hans Albert, Joseph Ratzingers Rettung des Christentums. Beschränkungen des Vernunftgebrauchs im Dienste des Glaubens, Aschaffenburg 2008 (Alibri-Verlag), 126 S., 10 €

Das Buch ist auch im denkladen erhältlich.