Freigeistige Betrachtungen

Eine Sendung des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Bayern im Bayerischen Rundfunk, Programm Bayern II, UKW, am Sonntag, den 26. November 2006

um 7.05 Uhr.

 

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer, wir begrüßen Sie zu dieser Sendung des Bundes für Geistesfreiheit Bayern, kurz bfg.

 

Sprecherin:
Der Bund für Geistesfreiheit Bayern ist Mitglied im Dachverband freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V., kurz DFW. Ende Oktober 2006 traf sich der DFW zur Hauptversammlung in Berlin.
Dabei gab es Erfolge für die Verbandsarbeit zu vermelden. Die Bundeswehrvereinigung und das Bundesverfassungsgericht haben das DFW-Heft Nr. 21 in ihre Bibliotheken aufgenommen. Das Thema des Heftes ist "Politik für einen gesellschaftlichen Konsens oder das Ende der deutschen Demokratie". Die Broschürenreihe entsteht aus den Beiträgen zu gleichnamigen Seminaren, zu denen der DFW einmal jährlich einlädt. Im Januar 2007 wird es in diesem Rahmen eine Veranstaltung zum Thema "Ethik ohne Kirche" geben. "Für uns gibt es noch viel zu tun, denn nach wie vor wird die Trennung von Kirche und Staat in Deutschland ständig verletzt", sagte Vizepräsident Horst Prem.
So sei der DFW trotz hartnäckiger Bemühungen noch nicht in den Nationalen Ethikrat aufgenommen worden und auch im "Bündnis für Erziehung" von Familienministerin Ursula von der Leyen nicht vertreten. "Wir müssen immer wieder wichtige gesellschaftspolitische Themen aufgreifen und unsere weltanschauliche Position in der Öffentlichkeit klar machen. Mit einigen Anträgen, Aktionen und Pressebeiträgen ist uns das in den vergangenen Jahren bereits besser gelungen", resümierte der Präsident Dr. Volker Mueller. Als Beispiel nannte er die Aktionen im Rahmen des Papstbesuches in Deutschland vom September 2006 und die Standpunkte des DFW zur Verfassung der Europäischen Union.
In Zukunft wird der DFW verstärkt das Wirken kleinerer Mitgliedsverbände fördern. "Wir haben lieber zehn aktive als 1000 Mitglieder, die sich nur in der Kartei befinden, sonst aber nie in Erscheinung treten", betonte Horst Prem. Nach wie vor stehe das Ziel, die Kräfte im Dachverband zu bündeln und gezielt einzusetzen, im Vordergrund. Das Wirken auf internationaler Ebene will der DFW durch die Mitgliedschaft in der Internationalen Ethischen und Humanistischen Union (IHEU) und der Europäischen Humanistischen Föderation (EHF) ausweiten. "Gemeinsam können wir uns so in politische Diskussionen, wie das Schaffen einer laizistischen Verfassung für die Europäische Union, einbringen", sagte Dr. Volker Mueller.
Horst Prem schlug vor, sich aktiv an der EU-Initiative "Citizens for Europe to promote European Citizenship" zu beteiligen und Vorschläge für eine integrative Werteerziehung in Europa zu sammeln. Für 2007 hat der Dachverband das Robert-Blum-Jahr ausgerufen, das im kommenden September mit einem Festakt in Berlin begangen wird. Langfristig werden zudem das 60-jährige Bestehen des DFW und das Charles-Darwin-Jahr zum 200. Geburtstag des Wissenschaftlers 2009 vorbereitet.
Wer näheres über den DFW wissen will, kann sich im <Internet informieren>.

 

Sprecher:
Passend zum „Totenmonat" November möchten wir Ihnen jetzt den <Fachverband für weltliche Bestattungs- und Trauerkultur> vorstellen:

„Die Bleibenden ansprechen / Das Vergangene benennen / Der Zukunft Sinn weisen" - lautet das Motto des 1990 gegründeten Fachverbandes.

Der Fachverband versteht sich als ein Teil der freigeistigen Bewegung in ihrer Gesamtheit und bekennt sich zu deren humanistischem Anliegen und deren Tradition. Er setzt sich für das im Grundgesetz erklärte Recht auf Gewissens- und Glaubensfreiheit ein, sowie die Wahrung der Würde der Menschen auch im Angesicht des Todes. Er steht ein für das individuelle Recht auf ein humanes, selbst bestimmtes Sterben, auf den selbst bestimmten Abschied, auf eine individuell gestaltete Bestattung und auf eine individuelle Trauer in Inhalt, Ort und Zeremonie. Er wirkt dafür, dass Sterben, Tod und Trauer in der Gesellschaft enttabuisiert und in den gesellschaftlichen Sinnbezügen der Menschen nicht länger ausgeklammert werden.
Das Erleben von Sterben, Tod und Trauer lässt keinen Menschen unberührt. Der Verlust eines Angehörigen, eines Freundes erschüttert zutiefst. In einer solchen Situation suchen die Betroffenen Hilfe und Beratung. Diese Unterstützung individuell und einfühlsam zu geben, sie an der Biografie der Gestorbenen auszurichten, sie entsprechend der Bedürfnisse der Bleibenden zu gewähren, ist Anliegen des Fachverbandes. Mit Rat und Tat steht er den Hinterbliebenen zur Seite, die Vergangenheit in all ihren Facetten anzunehmen, den Abschied zu akzeptieren und in der Zukunft einen das Leben stabilisierenden Sinn zu finden.

 

Sprecherin:
Wie frei ist Wikipedia?
Wikipedia ist ein Projekt zum Aufbau einer freien Enzyklopädie in mehr als 200 Sprachen. Jeder kann dabei mit seinem Wissen beitragen. Seit Mai 2001 entstanden so ca. 500 000 Artikel in deutscher Sprache.
Dabei werden die Artikel nicht von einer festen, bezahlten Redaktion, sondern von freiwilligen Autoren verfasst. Die Seiten können von jedem leicht und ohne technische Vorkenntnisse direkt im Browser geändert werden.
Anders als herkömmliche Enzyklopädien ist die Wikipedia frei. Es gibt sie nicht nur kostenlos im Internet, sondern jeder darf sie mit Angabe der Quelle und der Autoren frei kopieren und verwenden. Davon wird auch reglich Gebrauch gemacht.
„Gute Autorinnen und Autoren sind stets willkommen." steht auf der deutschen Startseite. Doch in der Realität kann jeder mitarbeiten. Fachwissen oder andere Kompetenzen werden nicht abgefragt, bevor man einen Artikel erstellen oder einen bestehenden Artikel abändern darf. Dass es dabei Probleme geben kann, findet man im Punkt „Qualität und Verlässlichkeit der Inhalte". Hier heißt es:
„Ein [...] Problem stellen Interessengruppen dar, die versuchen, insbesondere politische, religiöse und weltanschauliche Artikelinhalte in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen. Artikel zu umstrittenen Themen wie z. B. Sekten oder obskuren esoterischen Theorien könnten deshalb oft nicht dem Neutralitätsgrundsatz entsprechen."
Auffällig ist nun, dass immer wieder Beiträge aus dem freigeistigen Spektrum manipuliert oder gelöscht werden. Kritik an Kirche und Religionen scheint nicht erwünscht zu sein. So versuchten Benutzer in der Diskussion zum Artikel über Professor Mynarek, den Ex-Theologen in die rechtsradikale Ecke zu stellen, wo er definitiv nicht hingehört. Genauso wenig war er jemals „Chef-Ideologe" des Humanistischen Verbandes Deutschland (HVD). Er ist vielmehr ein wichtiger Religionskritiker und der erste Theologe, der in Deutschland aus der Kirche ausgetreten ist - was ihm unzählige Prozesse und Anfeindungen eingebracht hat, wie man auch heute noch merkt.
Und auch bei anderen Artikeln gab es Probleme. Der Artikel über die Giordano Bruno Stiftung zum Beispiel wurde im März gelöscht, Monate später wieder aufgenommen. Angeblich wolle die GBS „humanistischen Fundamentalismus" verbreiten und Kinder indoktrinieren.
Bei der Diskussion rund um die Brights-Bewegung wurde die Prominenz von Vertretern der Bewegung angezweifelt, nur weil sie der jeweilige Benutzer nicht kannte. Ohnehin sei der gesamte Artikel Propaganda. Die Liste prominenter Atheisten, welche man in der englischen Wikipedia schon lange vorfinden kann, hatte auf den deutschen Seiten keine Chance.
Kürzlich wurde der Artikel über den Humanistischen Pressedienst in einem regelwidrigen Schnelllöschverfahren aus der Wikipedia entfernt. Auch hier wurde die Standard-Begründung zur Einleitung eines Löschverfahrens für Artikel zu atheistischen Themen angewandt: „... hat bisher noch nichts Substanzielles geleistet ...". Diese Formulierung taucht immer wieder auf. Artikeln mit religionskritischen Inhalten wird zunächst die Relevanz abgesprochen.
Und auch der Beitrag über den Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten, kurz IBKA, wurde mit seltsamen Begründungen zur Löschung vorgeschlagen.
In den Diskussionen zeigt sich fehlendes Wissen und fehlende Toleranz gegenüber freigeistigen Themen, wie wir an einigen Zitaten veranschaulichen wollen:
"Der HVD ist ein kommunistischer Weltanschauungsverein, der aus der DDR Zeit stammt und von SED Altkadern dominiert (sic!) wird. Die Giordano Bruno Stiftung ist eine aggressive atheistische Politsekte. Ziel dieses 'Pressedienstes' ist es, unsere christlich abendländische Kultur zu diskreditieren."
"Der dubiose "Pressedienst" ist doch gerade deshalb ins Leben gerufen worden, da die Gotteshasser immer weiter an Boden verlieren. Total überalterte Rentnervereine, die händeringend nach Frischfleisch gieren."
„Ich halte es für eine gute Idee, den IBKA zu löschen, da der Verein wirklich unbedeutend ist. Anderenfalls wird Wikipedia mit jedem Häkelclub überschwemmt."
„Propaganda von Kleinstvereinen und deren militanten Unterstützern haben in Wikipedia nun wirklich nichts zu suchen."

 

Sprecher:
Vor dem Hintergrund der aktuellen Löschdebatten auf Wikipedia möchten wir noch einmal auf das Projekt Athpedia aufmerksam machen. Dessen Ziel ist eine offene säkulare Enzyklopädie ohne Edit-Wars und Online-Vandalismus. Dabei ist Mithilfe erwünscht!
Für die Kernbereiche: „Religion und Philosophie", „Wissenschaft" sowie „Politik und Gesellschaft" werden Autoren für qualifizierte Inhalte gesucht.
Aber auch Administratoren, die die Qualität und Objektivität neuer Artikel überwachen, diese kategorisieren, auf Urheberrechtsverletzung überprüfen und/oder die zugehörigen Portale pflegen. Interessierte melden sich bitte bei info@athpedia.de.

 

Sprecherin:
Der bfg Bayern trauert um Lisbeth Böttcher, die kurz vor ihrem 96.Geburtstag gestorben ist. Als langjährige Vorsitzende des bfg Bayern und Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit Schweinfurt setzte Sie sich immer für die freigeistige Bewegung in Deutschland ein. Als Bestattungssprecherin unserer Gemeinschaft half Sie den Hinterbliebenen in den Stunden größter Not.
Mit Ihrer freundlichen und verbindlichen Art wird sie uns unvergessen bleiben.

 

Sprecher:
Am 21. Oktober 2006 wurde bereits zum fünften Mal der Erwin-Fischer-Preis des IBKA verliehen. Erstmalig erhielt den Preis nicht eine Person, sondern eine Organisation: die Nesin-Stiftung in der Türkei. Damit wird posthum das Werk des türkischen Autoren und Humanisten Aziz Nesin geehrt.
Die Festveranstaltung fand im großen Hörsaal des Mathematik-Gebäudes der Technischen Universität Berlin statt. Dabei überreichte die Vorsitzende des bfg München Assunta Tammelleo einen Scheck mit Spendengeldern in Höhe von 3.600 Euro. Entgegengenommen wurde der Scheck von Prof. Ali Nesin, dem Sohn von Aziz Nesin und Leiter der Stiftung.
Die Nesin-Stiftung, die auch "Kinderparadies" genannt wird, wurde im Jahre 1972 gegründet. Das Heim ermöglicht ca. 45 Kindern und Jugendlichen den Besuch staatlicher Schulen oder Universitäten. In einem liebevollen Umfeld werden die Kinder zu kreativen und kritischen Menschen erzogen.

 

Sprecherin:
Unsere nächste Sendung können Sie am 7. Januar hören.

Texte: Monika Hendlmeier, Marie Prott