MÜNSTER / ROM. (hpd) Horst Herrmann, Soziologe und ehemaliger Professor für katholisches Kirchenrecht, schreibt jede Woche seine Sicht der (katholischen) Dinge. Der vorerst letzte Ausrutscher des Josef Ratzinger, dem „Papst fürs Feuilleton", gibt ihm sehr zu Denken.
Ein Kommentar von Horst Herrmann
„Es ist wieder was passiert", schreibt die österreichische Zeitung Der Standard. Das gilt ihr noch als die freundlichste Deutung der Tatsache, dass Benedikt XVI. die Exkommunikation des Bischofs Williamson aufgehoben hat, gegen den bekanntlich wegen der Leugnung des Holocaust ermittelt wird.
„Passiert" ist Joseph Ratzinger schon einiges. Ich erinnere an die umstrittene Regensburger Rede zum Propheten Mohammed. An die für den alten Ritus der Karfreitagsliturgie formulierte Fürbitte für die Juden, in der viele Vertreter des Judentums eine verstecke Aufforderung zur Judenmission erblickten. Oder an die Ernennung des Warschauer Erzbischofs Stanislaw Wielgus, der in letzter Minute zurücktreten musste, nachdem seine Mitarbeit beim KP-Geheimdienst bekannt geworden war.
Für das, was soeben „passiert" ist, gibt es zwei Erklärungen. Entweder der Vatikan kannte Williamson nicht - schlimm genug. Oder der Papst glaubte, das einschlägige Wissen vernachlässigen zu können, weil ihm die Einheit der Kirche wichtiger ist als die - von seinem Vorgänger Johannes Paul II. stark angestrebte - Versöhnung mit den Juden. Noch schlimmer.
Ein früherer Kollege, den ich seit 50 Jahren kenne und dem ich noch immer verpflichtet und verbunden bin, inzwischen Kardinal, hält unseren Umgang mit dem Fall für „unsachgemäß". Nein, lieber Kardinal, wenn jemand unsachgemäß vorgegangen ist, dann Ihr im Vatikan.
Eure Rechtfertigung: Williamson sei als illegal geweihter Bischof exkommuniziert worden. Und um der Einheit der Kirche willen wolle der Papst die Abtrünnigen wieder aufnehmen. Das heißt: Die Wiederversöhnung mit Sektierern, welche die Öffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils nie mit vollzogen haben und es auch nicht tun werden, bedeutet Benedikt so viel, dass er noch weit mehr als eine Brüskierung der Juden in Kauf nimmt: die Schwächung der in Resten vorhandenen moralischen Autorität des Papsttums.
Benedikt, dessen Intellekt, Erscheinung und Selbstpflege allenfalls einen „Papst fürs Feuilleton" stützen würde, wird auf immer gröbere Art zum Einenger statt zum Brückenbauer. Er verleugnet seine Aufgabe, sein Amt. Kein Ruhmesblatt, stattdessen eine Mahnung an alle, die an dem „Wir sind Papst"-Schnickschnack ihren Nationalstolz auffrischten.
Ratzinger ist zwar Deutscher, doch erweist er seinem Heimatland einen Bärendienst nach dem anderen. Sprechen wir es ruhig aus: Was er tut oder nicht tut, wird im Vatikan und weit darüber hinaus nur noch mit Kopfschütteln kommentiert. Wer dies weiß, wird sich freuen, wenn der nächste Papst aus jedem möglichen Land kommt, nur nicht aus Deutschland.
Diese Chance ist jedenfalls unwiederbringlich vertan.
Was Ratzinger in den knapp vier Jahren seiner Amtszeit geleistet hat, beeindruckt nur negativ. Selten hat ein Papst der letzten Jahrzehnte in so kurzer Zeit soviel Unheil angerichtet: Die Mohammedaner sind gekränkt, die Juden auch, die evangelischen Christen ohnedies - und von den enttäuschten Katholiken rede ich gleich gar nicht. Wer wird demnächst an der Reihe sein?
Sollen wir Herrn Ratzinger den Rücktritt nahe legen, um weiteren Schaden zu vermeiden? Eine vergebliche Liebesmüh, denn einer, der so lange und so intensiv auf den Höhepunkt seiner Karriere hingearbeitet hat, will auch etwas von diesem Amt haben. Fettnäpfchen hin oder her.