Konferenz: Wissenschaft unter Beschuss

HAMBURG. (gwup/hpd) Wer nimmt da wen unter Beschuss?  „Die Schützen sind diejenigen, die eine subjektive Wissenschaft mit veränderten Spielregeln fordern“, erklärt Amardeo Sarma zum Schwerpunktthema der Jahreskonferenz der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (GWUP).

Die 19. GWUP-Konferenz findet dieses Jahr vom 22. bis 23. Mai in Hamburg, im Museum für Völkerkunde statt. Das Schwerpunktthema steht unter dem Leitsatz: „Wissenschaft unter Beschuss“.

Die rund 900 Mediziner, Natur- und Sozialwissenschaftler aller Fachrichtungen in der GWUP beobachten mit Sorge, dass „Alternativwissenschaftler“ die Parole „Change the Rules!“ ausgeben und zum Beispiel eine Änderung der Wirksamkeitsprüfung für Außenseiterverfahren fordern, meist unter nebulöser Berufung auf die Quantenphysik. Bei ihrer Tagung nehmen die „Skeptiker“ solche Tendenzen kritisch unter die Lupe:
■ Der Leiter des Deutschen Cochrane-Zentrums in Freiburg, Dr. Gerd Antes, referiert zur Frage, ob die Qualitätskriterien wissenschaftlicher Studien „verhandelbar“ sind.
■ Der Berliner Physiker Prof. Martin Lambeck stellt dar, „wie die moderne Physik missbraucht wird, um esoterische Medizin und Politik zu begründen“.
■ GWUP-Vorsitzender Amardeo Sarma überschreibt seinen Vortrag mit: „Beweisnot -Warum Alternativmediziner und Parapsychologen neue Regeln fordern“.

Tatsächlich nimmt die Auseinandersetzung zwischen „Schul-“ und „Alterativ“-Medizin an Schärfe zu. Das Deutsche Ärzteblatt sah sich 2008 veranlasst, in einem Aufsatz darzulegen, warum kritische Evaluation ein „Wesensmerkmal ärztlichen Handelns“ ist - und bleiben muss. In der Schweiz wollen Anhänger der Komplementärmedizin per Volksentscheid die Kostenübernahme umstrittener Methoden durchsetzen. Der Berner Immunologe Prof. Beda Stadler ließ darob verlauten, Homöopathie sei so wirksam wie Uriellas Badewasser. Ähnlich äußert sich der gebürtige Deutsche Prof. Edzard Ernst, der an der University of Exeter den weltweit ersten Lehrstuhl zur Erforschung der Komplementärmedizin aufbaute: Homöopathie sei „auf Grund der heutigen Datenlage eine widerlegte Methode“.

Wer ihm hieb- und stichfest das Gegenteil beweist, dem will Ernst 100 000 Dollar zahlen. Das Preisgeld für diesen „Homeopathic-Challenge“ stammt zum Teil aus Ernsts Privatvermögen und ist von Unterstützern aufgestockt worden – auch von der GWUP. Neben diesem Geld wären zudem mehrere Nobelpreise drin – wenn stimmen würde, was etwa im Leistungsverzeichnis des alternativmedizinischen Dachverbands „Hufeland-Gesellschaft“ steht, das von 20 000 deutschen Ärzten verwendet wird. Dies hatte der Physiker Martin Lambeck schon bei der letztjährigen GWUP-Konferenz als durchaus ernst gemeinte Herausforderung formuliert. Lambeck wird bei seinem Vortrag in Hamburg darauf zurückkommen. Denn immer, wenn es ans Beweisen geht, scheint das hochpotenzierte homöopathische Mittel in der Medizin plötzlich nur noch das Gegenstück zur Hasenpfote im Casino zu sein.

Diesen ernsten und kompetenten Konferenzfragen und –diskussionen ist traditionell ein „Publikumstag“ vorgeschaltet, an dem es um mehr Alltägliches aber ebenso Absurdes geht.

Warum die Uhr stehen blieb, als Opa starb – Das Übersinnliche auf dem Prüfstand

Am Donnerstag, 21. Mai (Feiertag Himmelfahrt), von 14 – 18 Uhr, im Hamburger Völkerkundemuseum.

Der Großvater stirbt – und in diesem Moment bleibt die alte Wanduhr stehen. Ein letztes
Zeichen des Verstorbenen? Zumindest ein starkes und emotional aufwühlendes Erlebnis für die Angehörigen. Ob übersinnlich? Darüber wird in zahlreichen Webforen hingebungsvoll diskutiert.

„Diese Dinge“, lesen wir etwa bei freundin.de, „sollen sich auch im Krieg an der Front abgespielt haben. Die Soldaten haben in den letzten Sekunden wohl so stark an ihre liebsten gedacht, dass in dem Moment der Uhrzeiger stehen blieb, es an der Tür geklopft hat, oder Schränke und Türen klapperten.“

 Aber ist es überhaupt möglich, allein durch die Kraft der Gedanken Gegenstände zu beeinflussen, über beliebige Entfernungen? Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) beschäftigt sich seit 22 Jahren mit Phänomenen, die übersinnlich oder unerklärlich erscheinen. Solche Berichte machen die rund 900 Mitglieder des Vereins neugierig. Was steckt hinter scheinbar paranormalen Fähigkeiten: Unbewusste Selbsttäuschung? Absichtlicher Betrug? Oder neue, bislang unbekannte
Naturgesetze, die unser Weltbild revolutionieren würden? Letztere wäre wohl die spannendste Variante – und es würde Nobelpreise hageln.


Hellseher und Astrologen
haben die Wissenschaftler der GWUP in aufwändigen Versuchsreihen ebenso getestet wie Wünschelrutengänger und Telepathen. Über die Ergebnisse dieser „Psi-Tests“ berichten unter anderem der Physiker Prof. Martin Lambeck (Berlin) und der Wahrnehmungsforscher Dr. Rainer Wolf (Würzburg). Beim Publikumstag am Vorabend der GWUP-Jahreskonferenz mit mehr als 100 Teilnehmern aus dem deutschsprachigen Raum wollen die „Skeptiker“ auf unterhaltsame Weise die breite Öffentlichkeit über allerlei Frag- und Merkwürdiges informieren. Leitmotiv ist dabei die Frage: Wie untersucht man außergewöhnliche Behauptungen?


„Frag- und Merkwürdiges“
, im Familien- und Bekanntenkreis als eigenes Erlebnis die Runde machend oder aber von den Medien locker-leicht serviert, gab auch die Inspiration für ein Theaterstück: „Die Wahrheit bringt Heilung“ feiert bei der GWUP-Konferenz in Hamburg Deutschland-Premiere. Die Schauspielerin Anne Frütel und der Verhaltensforscher Jörg Wipplinger bringen „Ein ironisch wissenschaftliches Dings über die scheiß Esoterik“ auf die Bühne des Völkerkundemuseums – eine Kurzversion am Publikumstag und samstags die Langfassung. „Homöopathie und Grander fallen ins Wasser“, versprechen die beiden, „und Magie wird aus dem Hut gezaubert“.

Wer oder was ist „Grander“? Ein waschechter Tiroler, Johann mit Vornamen, der für sein belebtes, levitiertes, vitalisiertes, informiertes „Grander-Wasser“ mit dem österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst geehrt worden ist. Wie sich diese hohe Auszeichnung mit einem Gerichtsurteil verträgt, nach dem Grander-Wasser „parawissenschaftlicher Unfug“ ist? Frütel/Wipplinger werden die Antwort performen. Der Besuch lohnt sich, denn: „Die Take-Home-Message wird Ihr Leben retten.“


Apropos Lebensretter
: „If there’s something strange in your neighborhood, who you gonna call? Ghostbusters!” Wirklich? Wenn voraussichtlich 2010 Dr. Venkman, Dr. Stanz und Dr. Spengler zum dritten Mal mit Blaulicht durch die Straßenschluchten von New York brettern und attraktive Frauen aus den Klauen von schleimigen Spuk-Gestalten retten, wird Massimo Polidoro im Kinosessel herzhaft mitlachen.

Poltergeister, Phantome der Nacht, Ufos, Kornkreise, Wunderheiler, Totenflüsterer – er kennt sie alle. Als einziger hauptberuflicher „paranormal investigator“ in Europa ist der studierte Psychologe ständig mit mysteriösen Vorfällen und unheimlichen Begebenheiten konfrontiert.

Exklusiv öffnet Polidoro in Hamburg seine wahren X-Akten. „Ich werde den Besuchern etwas über die bizarrsten Geschehnisse erzählen, die mir über die Jahre untergekommen sind“, kündigt der Chef der italienischen Skeptiker-Bewegung an. Einen Vorgeschmack gibt’s nachmittags, ab 20.15 Uhr bestreitet der real Ghostbuster das zweistündige Abendprogramm: „In Search of Mysteries. 20 years of research among ghosts, super-humans and fairy tales“.


Auf heißer Spur
ist auch der bekannte Kriminalbiologe und Medienstar Dr. Mark Benecke. Vor einigen Jahren arbeitete Benecke im Office of Chief Medical Examiner – also für den Chefpathologen – der Stadt New York. Dort hörte er zum wiederholten Mal von dem rätselhaften Phänomen der Spontanen menschlichen Selbstentzündung. Und begann nachzuforschen.

Charakteristisch für SHC (Spontaneous human combustion) ist, dass Menschen angeblich von innen heraus verbrennen, weil sich im Körper plötzlich alles versengende Flammen bilden. Eine äußere Ursache ist nicht erkennbar. Gegenstände in unmittelbarer Nähe, oft sogar der Sessel, in dem das Opfer sitzt, bleiben nahezu unversehrt.
Etwa 300 Fälle von Spontaner Selbstentzündung wurden bislang weltweit registriert. Aber was ist die Ursache? Aggressive Elementarteilchen namens „Pyrotrone“? Eine mystische Körpererhitzung durch spezielle Yoga-Übungen? Die aufsehenerregenden Ergebnisse seiner Recherchen stellt der Forensiker anhand zahlreicher Fallbeispiele vor.


Weltbekannt sind auch die Illuminaten
– spätestens seit der Dan-Brown-Verfilmung „Illuminati“, die wenige Tage vor der GWUP-Konferenz in den deutschen Kinos anläuft. Ihre rasante Karriere als Weltverschwörer und Drahtzieher im Verborgenen dürfte damit ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht haben.
Unbestritten ist, dass der legendäre Geheimbund tatsächlich existierte und sogar in Deutschland gegründet wurde, genauer gesagt im bayerischen Ingolstadt. Aber wer waren die „Erleuchteten“? Und was wollten sie? Parallel zum Blockbuster mit Tom Hanks enthüllt der Journalist und Buchautor Bernd Harder die Wahrheit hinter dem dunklen Mythos.


In Search of Mysterys
. Ehe dann, nach einer zweistündigen Pause, Massimo Polidoro in seiner Abendshow weitere Mythen lüftet und effektvoll demonstriert, wie man „das Unglaubliche in den trivialsten Dingen finden kann – wenn man nur scharf hinschaut.“


Bernd Harder