„Ein Glanzlicht der Feierkultur“

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LebenskundelehrInnen

BERLIN. (hpd) Anlässlich der Tatsache „25 Jahre Lebenskunde“ in Berlin, veranstalten der Humanistische Verband Berlin und die Friedrich Ebert Stiftung eine Tagung, eine Feier und weitere Veranstaltungen. Gestern Abend war die beschwingte Feier.

 

Erfolge werden traditionell im ‚kleinen Schwarzen’ und dunklen Anzug gefeiert, um sich Lobesreden und Hymen anzuhören, oder man kann es auch anders gestalten, heiterer, fröhlicher, passender. Es geht um SchülerInnen, LehrerInnen und einen Unterricht, der dafür steht, anders zu sein, als die anderen Fächer: Humanistische Lebenskunde.

Von 0 auf 50.000 in 25 Jahren

Lebenskunde ist in Berlin, ebenso wie der Religionsunterricht, ein freiwilliges Zusatzfach ohne Benotung, das in der Freiwilligkeit ein guter Indikator dafür ist, wie die weltanschaulichen Unterrichtsangebote in der Stadt sich in der Nachfrage verändern.
Vor 25 Jahren wurde in Berlin der Lebenskundeunterricht eingeführt und 1984/85, im ersten Angebotsjahr, nahmen 178 SchülerInnen daran teil, im Schuljahr 2008/2009 sind es 47.177 SchülerInnen. Eine Erfolgsstatistik, deren Teilnehmerzahlen Schuljahr um Schuljahr kontinuierlich gestiegen sind.

Auch für diesen Unterricht braucht es LehrerInnen, die mit einer Zusatzqualifikation ausgebildet werden, betreut und weitergebildet werden müssen. Alles das braucht eine Organisation und das heißt die Menschen, die diese Arbeit voran bringen.

Anstatt nun feierliche Reden zu halten und ein Quartett Klassisches spielen zu lassen ehrte der Humanistische Verband Berlin den Referenten des Verbandes für den Lebenskundeunterricht, Gerald Betz.

Von den mittlerweile rund 1.000 MitarbeiterInnen des Verbandes war er der dritte Mitarbeiter, der seinerzeit eingestellt worden war – vor fünfundzwanzig Jahren. Unter seiner Leitung wurde der Humanistische Lebenskundeunterricht in Berlin entwickelt und aufgebaut.

Nach einem Tagungsteil, der bereits mittags in der Friedrich Ebert Stiftung begonnen hatte und an einem sommerlich, schwülen Abend, veranstalteten Kollegen und Mitarbeiter nicht eine der üblichen ‚Lobhudeleien’, sondern eine musikalisch und bildlich pointierte Abfolge kurzer persönlicher Redebeiträge – schließlich war es auch der Anlass, dass Gerald Betz in Pension geht.

„Aufbau-Generation“

Gerald Betz steht stellvertretend für die „Aufbau-Generation“ des Humanistischen Verbandes, MitarbeiterInnen aller Ebenen, die vor rund zwanzig Jahren mit ihrer Arbeit begonnen haben und in den nächsten Jahren in den Ruhestand überwechseln werden. Dabei verweist der Begriff auch darauf, wie zeitlich ‚jung’ dieser Verband in seiner heutigen Form erst ist.

      

Die rund 500 LebenskundelehrerInnen des HVD sind ein eigener ‚Kreis’ des Verbandes, mit einer wohl höheren Bekanntheits- und Kommunikationsdichte als andere MitarbeiterInnen, die in den diversen Tätigkeitsfeldern arbeiten. Diese Besonderheit zeigte sich dann auch in der Fröhlichkeit, der Beschwingtheit der Musik von „Heart Beat Five“ mit den Rock-Hits der 60er- und 70er-Jahre und ausgelassenem Tanzen. Vielleicht waren es auch die mediterranen Temperaturen, die mithalfen, dass alle die, die vorher noch nicht geschwitzt hatten, nun dabei waren. Ein Atmosphäre, die eine Mitarbeiterin sinnieren, lächeln und dann sagen ließ: „Ein Glanzlicht der Feierkultur des Humanismus“.

 

Im Rahmen einer solchen Veranstaltung und Feier ist es sinnvoll und möglich mit verschiedenen Teilnehmern ins Gespräch zu kommen.


Sonja Eggerrickx
, Vorsitzende der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union (IHEU), nimmt den Anlass der Tagung auch als Gelegenheit internationale Kontakte zu verstärken. Was den Lebenskundeunterricht anbelange, gäbe es auch gemeinsame Traditionen, da es ihn in Belgien schon seit den zwanziger Jahren in den Oberstufen gäbe und sei 1958 auch in allen staatlichen Grundschulen.

Sie berichtet über die Arbeiten der IHEU für die so genannten „Unberührbaren“ in Indien, bei denen es sich um schlichte soziale und menschliche Hilfen zur Selbsthilfe handele.

In Europa habe der Humanismus zu ihrem Bedauern noch keine Übereinstimmung gefunden, da beispielsweise die französischen Verbände gegen die europäische Integration seien. „Es gibt Probleme“. Zudem seien die christlichen Kirchen nicht nur besser in Brüssel organisiert,, sondern sie werden traditionell auch eingeladen, während die Humanisten noch zu häufig nicht berücksichtigt werden. Das würde sich zwar allmählich ändern, es sei aber noch viel zu tun.


Ulrike Dausel
, humanistische Beraterin in Antwerpen, besucht mit KollegInnen seit Anfang der Woche humanistische Einrichtungen in Berlin. Es sei für sie sehr interessant und inspirierend die Kollegen vor Ort in Berlin zu treffen, denn ihre Arbeitsaufgaben seien einerseits in der Breite ähnlich, andererseits jedoch im Speziellen auch sehr unterschiedlich. Das Menschenbild sei aber das gleiche, indem Menschen eigentlich nicht beraten werden, im Sinne, das man ihnen etwas ‚von oben’ vorschreibt, sondern man suche eher ein Gespräch über Lebenssituationen, deren spezifischen Probleme und mögliche Lösungen. Sie würden diese Arbeit eher als „moralischen Beistand“ betrachten.
Auch diesen Besuch erlebt sie als Austausch zwischen Kollegen und teilweise „erfrischende Blickwinkel“, im bildlichen Sinne „Sauerstoff“ für die eigene Arbeit.

 

Werner Schultz, Abteilungsleiter Bildung im Humanistischen Verband Berlin, ist seit zweiundzwanzig Jahren ‚dabei’ und der seinerzeit vierte Mitarbeiter. In dieser Erfolgsgeschichte der Humanistischen Lebenskunde, für die auch er mitverantwortlich ist, gab es eine sehr schwierige Situation. Es war Anfang der neunziger Jahre, als der Verband grundsätzlich für die Gleichbehandlung durch die Politik kämpfen musste: man wollte den Humanisten andere Bedingungen als den Kirchen geben. Die Bedingungen waren vergleichsweise so schlecht, dass LebenskundelehrerInnen für zwei Monate entlassen werden mussten. „Wir sind damals sogar ins Rote Rathaus gestürmt und haben dort in den Büros der Politiker durchaus ‚Ramba Zamba’ gemacht.“ Es gab dann aber auch Unterstützung und die Politiker begannen zu verstehen, dass die Humanisten das Grundgesetz, das eine Gleichbehandlung von Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften formuliert, auf ihrer Seite haben. Damals gab es noch CDU-Politiker, die das in Frage stellten. Aber das sei jetzt geklärt.

Die gute Zusammenarbeit mit Niederländern und Belgiern sieht er zwar durch die leichtere Sprachverständigung begünstigt, aber in diesen drei Ländern, in Deutschland zumindest in Berlin und Brandenburg, gibt es einen Humanistischen Weltanschauungsunterricht an staatlichen Schulen. Daher ihre Gemeinsamkeiten. In den anderen Ländern vertreten die humanistischen Verbände rigoros die Auffassung, dass eine scharfe Trennung zwischen Schule und Bekenntnisunterricht gemacht werden muss, analog zur geforderten Trennung von Staat und Kirche. Darüber könne man natürlich reden, der Gedanke sei ja erst einmal nicht verkehrt, aber der HVD sieht diese Forderung als zu maximalistisch an. Man gehe davon aus, dass wir diese Situation eine Trennung von Staat und Kirche noch nicht selbst erleben werden, und auf die Frage: ‚Was passiert in der Zwischenzeit?’ setze der HVD auf Pluralismus und Gleichbehandlung der Konfessionslosen mit den Religionsgemeinschaften.

In Berlin hätten nun schon mittlerweile mehrere Hunderttausend Schüler an der Humanistischen Lebenskunde teilgenommen und dort seien sicherlich auch Ideen vermittelt worden, die längerfristig in die Gesellschaft hineinwirken. Ideen von Freiheit, von Humanismus und Toleranz, ja, auch von Religionskritik.

Aber es gäbe nun einmal auch religiöse Traditionslinien in Deutschland und Schüler sollen auch ihre Traditionen verstehen können, ihre Familientraditionen. Für eine Gesellschaft sei es auch befriedend, wenn in der Schule nicht etwas völlig anderes gelernt werde, als in den Familien gelebt werde und das sei natürlich die Bekenntnisidentität. Insofern sei die Schule auch als Teil der Gesellschaft zu sehen.

Die Arbeit der rein religionskritischen Gruppen sieht er zwar als notwendig an, bedenkt aber auch ihre bisher doch nur geringen Erfolge. Die humanistischen Gruppen, die soziale oder pädagogische Dienstleitungen anbieten, würden dadurch sichtbar machen, dass dahinter eine eigene nicht-religiöse Idee stehe, Gedanken, die auch viele andere Menschen hätten und die sich dadurch angesprochen fühlen.

Annelie Wegener, in Thüringen geboren, hatte sie das Glück, wie sie sagt, in Leipzig bei Schülern von Hans Mayr studiert zu haben, denn „der Geist dieses Literarhistorikers und –kritikers schwebte immer über unseren Köpfen: Denken lernen, Skepsis lernen, Macht prüfen!“ „Wir hatten also Lehrer, die uns das Denken lehrten und das habe ich immer versucht, beizubehalten.“ Sie betrachtet sich zudem als „Glückskind“, da sie immer wieder Menschen getroffen habe, die sie gefördert hätten. „Es gibt immer einen Weg für mich.“ Und dazu Menschen zu ermutigen, sieht sie als ihre wichtigste Aufgabe an. Seit 1994 arbeitet sie als für die Lebenskunde in Berlin und wird nun die Nachfolge von Gerald Betz antreten.

CF

Fotografie © Evelin Frerk