Religion auf der Flucht vor der Wissenschaft

 

Am Abend wurden Ausschnitte aus dem Film Genesis gezeigt. Dieser zeigte sehr eindrucksvolle Bilder von der Natur. Ein Schamane erzählt dabei die Schöpfung aus Sicht der Naturwissenschaften. Der Sonntag begann mit einer Andacht im Konferenzsaal. Aus verständlichen Gründen habe ich daran nicht teilgenommen, habe aber aus Jux die Theologin Dr. Christina aus der Au Heymann aufgefordert, für mich mitzubeten.

Sie hat dann anschließend das Programm mit einem Vortrag über das Thema „Neue Herausforderungen, Hirnforschung und Religion“ fortgesetzt. Innerhalb der Theologie gilt sie mittlerweile als Expertin auf diesem Gebiet. Sie zeigte einige Beispiele für die Ergebnisse der modernen Hirnforschung. Ihr wesentlicher Punkt war dann, dass einige Hirnforscher ihre experimentellen Ergebnisse überinterpretieren würden, bis hin zu Aussagen, dass es keine Willensfreiheit und keine Seele gäbe. Dinge wie Schmerz, grundlegende Gefühle (Qualia) bis hin zu religiösen Empfindungen seien aber Erste-Person-Erfahrungen die nicht objektiviert werden könnten und damit auch über die naturwissenschaftliche Hirnforschung nicht vollständig erfasst werden könnten. Man kann zwar genau feststellen, welche Gebiete des Gehirns bei der Empfindung von Schmerz aktiviert werden, aber damit kann man nicht vermitteln, wie sich Schmerz anfühlt. Ihr Fazit war, dass keine Wissenschaft Zugriff auf religiöse Phänomene hat.

In der Diskussion habe ich sie dann gefragt, welcher Art denn die Erkenntnismethoden der Religion seien und wie sie z.B. bei der Landung von Außerirdischen feststellen würde, ob diese Wesen eine Seele besitzen oder nicht. Sie musste zugeben, dass es für religiöse Positionen keine Beweise gäbe. Man könne, ähnlich wie bei den Gefühlen, religiöse Einsichten und Empfindungen nur solchen Menschen übermitteln, die das aufgrund eigener Erfahrung nachvollziehen könnten. Da sie während ihres Vortrags auch von seelenlosen Maschinen gesprochen hatte, habe ich noch nachgefragt, woher sie denn wüsste, dass zukünftige Maschinen prinzipiell keine Seele hätten. Da hat sie zugegeben, dass sie das auch nicht wirklich wüsste und dass es ja durchaus denkbar wäre, dass Gott solche Maschinen mit einer Seele ausstatten könnte. Ich stellte mir dann geistig vor, dass es bei der Roboterproduktion am Fließband eine Stelle gibt, an der ein Mitarbeiter Gottes sitzt und den Robotern die Seele einhaucht. Prof. Bayrhuber hat dann noch mal nachgehakt und nachdrücklich eingefordert, dass die Theologie einmal klare, nachvollziehbare Positionen beziehen und darlegen müsse, damit man überhaupt miteinander über diese Probleme diskutieren könne. Der Theologe Evers hat darauf auch zugegeben, dass dies in der Tat ein Problem der Theologie sei.

In der Kaffeepause habe ich bei den Theologen noch etwas Reklame für das neue Buch von Michael Schmidt-Salomon „Jenseits von Gut und Böse“ und für die „Reimbibel“ von Wolfgang Klosterhalfen gemacht, mit dem Hinweis, dass wir uns als Atheisten bestens mit der Bibel auskennen. Zum Abschluss fand dann eine Podiumsdiskussion mit Dr. Christina aus der Au Heymann, Prof. Dr. Horst Bayrhuber und mir statt. Nach der Vorstellung der Beteiligten wurde ich gefragt, wie ich zum Atheismus gekommen bin und warum ich Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung geworden bin. Zu letzterem habe ich den Mottowagen der GBS bei dem Weltjugendtag in Köln erwähnt, der seinerzeit für mich den entscheidenden Hinweis auf die GBS gegeben hatte.

Im weiteren Verlauf kam die Frage auf, was mich als Naturwissenschaftler denn von der Existenz eines persönlichen Gottes überzeugen könnte. Meine Antwort darauf war: wenn er mir über ein Gebet die Lottozahlen der nächsten Ziehung richtig voraussagt, oder etwas ernster, wenn man z.B. über Gebete die Zahl der Wunderheilungen signifikant erhöhen könnte. Genau dieses konnte aber einem Experiment nicht nachgewiesen werden. In Übereinstimmung stellten wir dann fest, dass es keine Wunderheilungen gibt. Frau aus der Au Heymann wies darauf hin, dass Wunder ja auch eher etwas anderes sind, wie z.B. wenn der Tisch vor uns von alleine über dem Boden zu schweben beginnen würde. Ich habe sie daraufhin aufgefordert, das doch mal zu demonstrieren, was allgemeine Heiterkeit auslöste.

Es wurde dann die Frage diskutiert, warum sich denn Atheisten so sicher sind, dass es keinen Gott gibt. Ich habe darauf hingewiesen, das es wohl keiner der Anwesenden für plausibel halten würde, dass Gott ein unsichtbares, fliegendes Spaghettimonster sei, wie es die Juxkirche des FSM behaupte, dass aber deren intellektuelle Grundlage die gleiche Qualität besitze, wie die Grundlage des Christentums.

Die letzte Frage an mich war, wie wir die Forderung nach Aufklärung sehen würden. Ich habe dann dargelegt, dass vor allem die Erkenntnismethoden der Religion kritisch hinterfragt werden müssten. Während ja von den meisten Theologen schon eingeräumt wird, dass das alte Testament reiner Mythos sei, müsse man einen Schritt weitergehen und auch das neue Testament als Mythos erklären, weil es keinerlei Augenzeugenberichte vom Leben Jesus enthält sondern nur Geschichten vom Hörensagen, die Generationen nach Jesus Tod niedergeschrieben wurden. Dass Jesus der einzige Sohn Gottes ist, war eine Anordnung von Kaiser Konstantin, um sich von anderen religiösen Gruppen abzugrenzen. Diese Aussage hat aber nichts mit der Realität zu tun. Auf die Nachfrage, inwieweit denn Aufklärung für den Atheismus notwendig wäre, bemerkte ich, dass wir bereits aufgeklärt sind, was mit großer Heiterkeit zur Kenntnis genommen wurde.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Konferenz in jeder Hinsicht ein Erfolg war. Sie war gut organisiert, die Beiträge waren alle von hoher Qualität und ohne Polemik. Die Diskussionen waren auf hohem Niveau und niemand sah sich im Besitz absoluter Wahrheiten. Die beteiligten Theologen waren von der Einsicht geprägt, dass man gegen eindeutige naturwissenschaftliche Ergebnisse nicht argumentieren kann. Man verlegt sich einerseits darauf, die Grenzen der Erkenntnis der Naturwissenschaften aufzuzeigen und andererseits die theologischen Aussagen zu relativieren um sie gegen naturwissenschaftliche Aussagen zu immunisieren. Da das aber außerordentlich schwierig ist, führt das zuweilen zu komplizierten, wortgewaltigen Formulierungen bei denen man als Naturwissenschaftler Probleme hat, noch eine konkrete Aussage daraus zu entnehmen, von Überprüfbarkeit ganz zu schweigen. Ich kann das nur als fortdauerndes Rückzugsgefecht des Christentums interpretieren. Für die Gesellschaft wäre es aber schon ein gewaltiger Fortschritt, wenn die begrenzten Einsichten der Theologen wenigstens bis zu den Kanzeln in den Kirchen und in den Religionsunterricht durchdringen würden. Denn was dort den Kindern erzählt wird, ist häufig noch auf dem Stand des Mittelalters. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie spukte während der ganzen Tagung der Buchtitel von Franz Buggles Buch „Denn sie wissen nicht, was sie glauben“ in meinem Kopf herum.

Bernd Vowinkel