WITTENBERG. (hpd) Vom 25. bis 27. September 2009 fand in der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt eine Tagung statt. Das Thema lautete „Weltall-Erde-Mensch-Gott? – Atheismus und Religion in einer naturwissenschaftlich geprägten Welt“.
Ein Bericht von Bernd Vowinkel
Die gebührenpflichtige Tagung war recht gut besucht, insgesamt gab es 57 Teilnehmer. Sie wurde von Dr. Thorsten Moos perfekt organisiert. Die Beiträge waren interessant und von hoher Qualität und das Publikum machte einen sehr gebildeten Eindruck. Trotz der zum Teil extrem unterschiedlichen Standpunkte waren die Diskussionen sehr sachlich und auf hohem Niveau.
Der erste Beitrag von Dr. Karlheinz Steinmüller war über das Thema „Weltall-Erde-Mensch, Naturwissenschaft und Atheismus in der DDR“. Er zeigt auf, dass in der DDR versucht wurde, den Atheismus zu ideologisieren. Bei manchen neuen Erkenntnissen der Naturwissenschaften, die nicht so recht in das Weltbild der Parteiführung passten, dauerte es schon mal ein bis zwei Jahrzehnte, bis sie dann doch zähneknirschend akzeptiert wurden. Insofern gab es da Parallelen zu den Religionsgemeinschaften. Nach der Wende begann, entgegen den Hoffnungen der Vertreter der christlichen Kirchen, keine Abkehr vom Atheismus, da die meisten nicht zuletzt durch die naturwissenschaftlichen Fortschritte zutiefst vom Atheismus überzeugt sind.
In der nachfolgenden Diskussion wurde der Schöpfungsgedanke im Christentum mit der Urknalltheorie verglichen. Ich habe darauf hingewiesen, dass der Begriff „Erklärung“ in den Naturwissenschaften so verstanden wird, dass man komplexe Naturphänomene auf einfache Gesetzmäßigkeiten zurückführt, die dann in aller Regel auch mit einer tieferen Einsicht in die Vorgänge verbunden sind. Dagegen führt der religiöse Schöpfungsgedanke komplexe Naturphänomene auf etwas noch komplexeres, wie z.B. Gott zurück. Dies ist dann aber keine „Erklärung“ sondern eine „Verklärung“. Das heißt, statt eine tiefere Einsicht zu vermitteln, werden hier Nebelkerzen geworfen, die die Dinge nur verschleiern.
Der erste Beitrag des folgenden Tages befasste sich mit der Naturwissenschaft und dem Atheismus im 19. Jahrhundert, wobei besonders auf Leben und Wirken von Charles Darwin und Ernst Haeckel eingegangen wurde. Im Gegensatz zu Darwin war Haeckel ein extrovertierter Mensch, der mit großer Überzeugung und großem Aufwand an Bildmaterial eine Vielzahl von Vorträgen hielt. Haeckel machte die Arbeiten von Darwin in Deutschland bekannt und baute sie zu einer Abstammungslehre aus.
Danach folgte ein Beitrag des Theologen Dr. Dirk Evers über die neuen Atheisten in den USA und in Europa mit dem Titel „Streiter gegen den Gotteswahn“. Zunächst wurden einige Passagen aus dem Buch „Der Gotteswahn“ von Richard Dawkins besprochen. Dabei wurde auch auf den von Dawkins eingeführten Begriff der Meme eingegangen. Danach wurde auf die Giordano-Bruno-Stiftung hingewiesen und als Beispiel der Aktivitäten der Stiftung das Video „Susi Neunmalklug erklärt die Evolution“ gezeigt. Zum Schluss ging Evers noch auf die Frage ein, wie Kirche und Theologie auf diese Herausforderungen reagieren sollten. Er schlug vor, den Graben zwischen Naturwissenschaften und Theologie zu überwinden. Dazu sei insbesondere eine bessere naturwissenschaftliche Sachkenntnis der Theologen notwendig. Das Freiheitspotential der Religion müsse entwickelt und vermittelt werden. Glaubensgewissheit dürfe aber nicht mit Zwang durchgesetzt werden. Der Glaube an Gott sei keine Antwort auf Defizit Erfahrungen. Schließlich müsse ein aktiver Beitrag zu einer Kultur der Toleranz statt Gleichgültigkeit geleistet werden.
Der Vortrag war frei von Polemik und insgesamt recht ausgewogen und sachlich, wofür ich dem Vortragenden ausdrücklich dankte mit den Worten, dass ich da insbesondere bei katholischen Theologen durchaus schon anderes erlebt hätte. Ich habe dann noch kurz ein paar Worte über die Giordano-Bruno-Stiftung gesagt und darauf hingewiesen, dass ich eine Broschüre über die Stiftung ausgelegt habe, in der die Stiftung ausführlich dargestellt wird.
Während Evers das Video weitgehend unkommentiert ließ, haben sich hinterher einige Teilnehmer bei mir sehr negativ darüber geäußert. Der Vorwurf war, dass Susi ausgesprochen arrogant rüberkommt und dass das Video uns doch mehr schaden als nützen würde, weil es unterstes Niveau wäre.
Nach einer Stadtführung durch die Innenstadt von Wittenberg wurde das Programm am Nachmittag in drei parallelen Workshops fortgesetzt. Die Themen waren: 1.Glauben als Evolutionsvorteil? – die naturwissenschaftliche Erklärung von Religion, 2. Dass die Welt doch wirklich existiert…- vom bleibenden Recht das Materialismus, 3. Was ist Schöpfung? – Annäherung eines Philosophen an einen schwierigen Begriff. Ich hatte mich zu dem Workshop über die Schöpfung entschieden. Dieser Workshop wurde von dem Philosophen Carsten Passin geleitet. Ich habe dabei meine Sichtweise der Entstehung unserer Welt auf Basis der Naturwissenschaft dargelegt und darauf hingewiesen, dass die Naturwissenschaften keinen Schöpfer brauchen. Passin versuchte klarzumachen, dass das alte Testament nicht wörtlich auszulegen sei und dass im theologischen Sinn Schöpfung als die Grundlage des Seienden zu sehen wäre und daher nichts mit naturwissenschaftlichen Methoden zu tun hätte. Ich selbst sehe diese Position eher als Immunisierungsstrategie der Theologie. Wenn Gott außerhalb der naturwissenschaftlichen Erfahrungswelt steht, dann steht er auch außerhalb der Natur und dann ist seine mögliche Existenz für uns ohne Belang. Persönliche Gotteserfahrungen und Offenbarungen halte ich für Produkte des Gehirns, die keinen Bezug zur Realität haben.
Am Abend wurden Ausschnitte aus dem Film Genesis gezeigt. Dieser zeigte sehr eindrucksvolle Bilder von der Natur. Ein Schamane erzählt dabei die Schöpfung aus Sicht der Naturwissenschaften. Der Sonntag begann mit einer Andacht im Konferenzsaal. Aus verständlichen Gründen habe ich daran nicht teilgenommen, habe aber aus Jux die Theologin Dr. Christina aus der Au Heymann aufgefordert, für mich mitzubeten.
Sie hat dann anschließend das Programm mit einem Vortrag über das Thema „Neue Herausforderungen, Hirnforschung und Religion“ fortgesetzt. Innerhalb der Theologie gilt sie mittlerweile als Expertin auf diesem Gebiet. Sie zeigte einige Beispiele für die Ergebnisse der modernen Hirnforschung. Ihr wesentlicher Punkt war dann, dass einige Hirnforscher ihre experimentellen Ergebnisse überinterpretieren würden, bis hin zu Aussagen, dass es keine Willensfreiheit und keine Seele gäbe. Dinge wie Schmerz, grundlegende Gefühle (Qualia) bis hin zu religiösen Empfindungen seien aber Erste-Person-Erfahrungen die nicht objektiviert werden könnten und damit auch über die naturwissenschaftliche Hirnforschung nicht vollständig erfasst werden könnten. Man kann zwar genau feststellen, welche Gebiete des Gehirns bei der Empfindung von Schmerz aktiviert werden, aber damit kann man nicht vermitteln, wie sich Schmerz anfühlt. Ihr Fazit war, dass keine Wissenschaft Zugriff auf religiöse Phänomene hat.
In der Diskussion habe ich sie dann gefragt, welcher Art denn die Erkenntnismethoden der Religion seien und wie sie z.B. bei der Landung von Außerirdischen feststellen würde, ob diese Wesen eine Seele besitzen oder nicht. Sie musste zugeben, dass es für religiöse Positionen keine Beweise gäbe. Man könne, ähnlich wie bei den Gefühlen, religiöse Einsichten und Empfindungen nur solchen Menschen übermitteln, die das aufgrund eigener Erfahrung nachvollziehen könnten. Da sie während ihres Vortrags auch von seelenlosen Maschinen gesprochen hatte, habe ich noch nachgefragt, woher sie denn wüsste, dass zukünftige Maschinen prinzipiell keine Seele hätten. Da hat sie zugegeben, dass sie das auch nicht wirklich wüsste und dass es ja durchaus denkbar wäre, dass Gott solche Maschinen mit einer Seele ausstatten könnte. Ich stellte mir dann geistig vor, dass es bei der Roboterproduktion am Fließband eine Stelle gibt, an der ein Mitarbeiter Gottes sitzt und den Robotern die Seele einhaucht. Prof. Bayrhuber hat dann noch mal nachgehakt und nachdrücklich eingefordert, dass die Theologie einmal klare, nachvollziehbare Positionen beziehen und darlegen müsse, damit man überhaupt miteinander über diese Probleme diskutieren könne. Der Theologe Evers hat darauf auch zugegeben, dass dies in der Tat ein Problem der Theologie sei.
In der Kaffeepause habe ich bei den Theologen noch etwas Reklame für das neue Buch von Michael Schmidt-Salomon „Jenseits von Gut und Böse“ und für die „Reimbibel“ von Wolfgang Klosterhalfen gemacht, mit dem Hinweis, dass wir uns als Atheisten bestens mit der Bibel auskennen. Zum Abschluss fand dann eine Podiumsdiskussion mit Dr. Christina aus der Au Heymann, Prof. Dr. Horst Bayrhuber und mir statt. Nach der Vorstellung der Beteiligten wurde ich gefragt, wie ich zum Atheismus gekommen bin und warum ich Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung geworden bin. Zu letzterem habe ich den Mottowagen der GBS bei dem Weltjugendtag in Köln erwähnt, der seinerzeit für mich den entscheidenden Hinweis auf die GBS gegeben hatte.
Im weiteren Verlauf kam die Frage auf, was mich als Naturwissenschaftler denn von der Existenz eines persönlichen Gottes überzeugen könnte. Meine Antwort darauf war: wenn er mir über ein Gebet die Lottozahlen der nächsten Ziehung richtig voraussagt, oder etwas ernster, wenn man z.B. über Gebete die Zahl der Wunderheilungen signifikant erhöhen könnte. Genau dieses konnte aber einem Experiment nicht nachgewiesen werden. In Übereinstimmung stellten wir dann fest, dass es keine Wunderheilungen gibt. Frau aus der Au Heymann wies darauf hin, dass Wunder ja auch eher etwas anderes sind, wie z.B. wenn der Tisch vor uns von alleine über dem Boden zu schweben beginnen würde. Ich habe sie daraufhin aufgefordert, das doch mal zu demonstrieren, was allgemeine Heiterkeit auslöste.
Es wurde dann die Frage diskutiert, warum sich denn Atheisten so sicher sind, dass es keinen Gott gibt. Ich habe darauf hingewiesen, das es wohl keiner der Anwesenden für plausibel halten würde, dass Gott ein unsichtbares, fliegendes Spaghettimonster sei, wie es die Juxkirche des FSM behaupte, dass aber deren intellektuelle Grundlage die gleiche Qualität besitze, wie die Grundlage des Christentums.
Die letzte Frage an mich war, wie wir die Forderung nach Aufklärung sehen würden. Ich habe dann dargelegt, dass vor allem die Erkenntnismethoden der Religion kritisch hinterfragt werden müssten. Während ja von den meisten Theologen schon eingeräumt wird, dass das alte Testament reiner Mythos sei, müsse man einen Schritt weitergehen und auch das neue Testament als Mythos erklären, weil es keinerlei Augenzeugenberichte vom Leben Jesus enthält sondern nur Geschichten vom Hörensagen, die Generationen nach Jesus Tod niedergeschrieben wurden. Dass Jesus der einzige Sohn Gottes ist, war eine Anordnung von Kaiser Konstantin, um sich von anderen religiösen Gruppen abzugrenzen. Diese Aussage hat aber nichts mit der Realität zu tun. Auf die Nachfrage, inwieweit denn Aufklärung für den Atheismus notwendig wäre, bemerkte ich, dass wir bereits aufgeklärt sind, was mit großer Heiterkeit zur Kenntnis genommen wurde.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Konferenz in jeder Hinsicht ein Erfolg war. Sie war gut organisiert, die Beiträge waren alle von hoher Qualität und ohne Polemik. Die Diskussionen waren auf hohem Niveau und niemand sah sich im Besitz absoluter Wahrheiten. Die beteiligten Theologen waren von der Einsicht geprägt, dass man gegen eindeutige naturwissenschaftliche Ergebnisse nicht argumentieren kann. Man verlegt sich einerseits darauf, die Grenzen der Erkenntnis der Naturwissenschaften aufzuzeigen und andererseits die theologischen Aussagen zu relativieren um sie gegen naturwissenschaftliche Aussagen zu immunisieren. Da das aber außerordentlich schwierig ist, führt das zuweilen zu komplizierten, wortgewaltigen Formulierungen bei denen man als Naturwissenschaftler Probleme hat, noch eine konkrete Aussage daraus zu entnehmen, von Überprüfbarkeit ganz zu schweigen. Ich kann das nur als fortdauerndes Rückzugsgefecht des Christentums interpretieren. Für die Gesellschaft wäre es aber schon ein gewaltiger Fortschritt, wenn die begrenzten Einsichten der Theologen wenigstens bis zu den Kanzeln in den Kirchen und in den Religionsunterricht durchdringen würden. Denn was dort den Kindern erzählt wird, ist häufig noch auf dem Stand des Mittelalters. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie spukte während der ganzen Tagung der Buchtitel von Franz Buggles Buch „Denn sie wissen nicht, was sie glauben“ in meinem Kopf herum.
Bernd Vowinkel