Meine Daten gehören mir!

Datenabgleich und Datenaustausch

Den dritten Vortrag hielt die Rechtsanwältin Angela Furmaniak. Sie stellte ausgewählte Fallbeispiele aus der Rechtspraxis für die Schwierigkeiten vor, die sich aus der umfassenden Datenspeicherung durch die EU ergeben. Zunächst berichtete sie von dem Fall eines türkischen Staatsangehörigen, der in der Bundesrepublik einen Asylantrag gestellt hatte, der abgewiesen worden war. Dieser Mann hatte später eine Italienerin geheiratet. Er reiste oft nach Deutschland. Im SIS war er als abgeschoben gespeichert worden, sodass er nach einer entsprechenden Kontrolle Einreiseverbot erhielt. Möglicherweise liege eine Namensverwechslung vor.

Ein juristisch äußerst brisantes Beispiel stellen die sogenannten „Troublemakers“ dar. So können europäische Polizeien Daten über DemonstrationsteilnehmerInnen und Fußball-Fans austauschen. Anhand dieser Daten wurde Personen, die „das Ansehen Deutschlands schädigen“, die Ausreise nach Frankreich verweigert. Diese klagten vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart und bekamen Recht zugesprochen, sodass sie die deutsche Polizei nicht mehr aufhalten konnte. Stattdessen hinderte die französische Polizei sie an der Einreise. Es wird vermutet, dass die Polizeien von Deutschland und Frankreich zusammengearbeitet hatten, unklar bleibe allerdings auf welcher rechtlichen Grundlage. Die Einführung einer Sonderkategorie „Störer“ werde erwogen.

Fakt sei, dass es ein schwieriges Unterfangen darstelle, SIS-Einträge wieder löschen zu lassen. In Straßburg stehe ein Zentralrechner, in den Daten aus allen EU-Staaten gelangten. Die Rückverfolgung der Herkunft der Daten gestalte sich als hindernisreich. Zudem fügten Ausländerbehörden auch Personen ein, die - auch nach Intention der Datenbanken - nicht in diese hineingehörten. So kann aus einem abgelehnten Asylantrag ein Abschiebungseintrag werden, der wiederum zu einem unbefristeten Einreiseverbot führen kann. Der Mann aus dem ersten Beispiel muss, wenn Italien seinen Eintrag nicht löschen lässt, erst in Deutschland klagen. Als zusätzlich problemstiftend erweise sich bei der Datenspeicherung auch der Prüm-Vertrag, wonach sich der Rechtsschutz der Betroffenen nach dem Staat richte, der den Eintrag erstellt habe. Die Datenschutzstandards seien jedoch unterschiedlich.

Widerstand gegen das Stockholm Programm

Der vierte Beitrag, der die „Reclaim your data“-Kampagne genauer vorstellen sollte, wurde von Matthias Monroy (Gipfelsoli, Kampagne „Reclaim your data“) gehalten. Diese sei der eingebettet in den Widerstand gegen das Stockholm Programm und seine Wirkungen:

  1. Das Programm ermögliche den Behörden proaktive Handlungen, die eine Steigerung von präventiven Handlungen darstellten. Demnach können die Behörden noch gar nicht vorhandene, aber mögliche Gefahren zu beseitigen trachten. Dieses Vorgehen bezeichnete Matthias Monroy als eine „vorausschauende Repression“.
  2. Es finde eine Vermischung von innerer und äußerer Sicherheit statt. Zudem schicke die Polizei immer mehr BeamtInnen in Drittländer.
  3. Die EU bekomme immer mehr Kompetenzen, so dass der Widerstand auf nationaler Ebene immer aussichtsloser werde. Die quantitativ am stärksten betroffenen Gruppe seien die MigratInnen, aber nicht nur sie. Verstärkt gerieten auch politische und online-AktivistInnen ins Visier.

Das Stockholm Programm sei zwar nicht mehr aufzuhalten, aber andere Formen des Widerstands sind möglich. Als Gegenmaßnahmen sei die Arbeit gegen FRONTEX viel versprechend. Außerdem sei das European Ciber Liberty Network im Entstehen begriffen. Dieses werde aus Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen bestehen. Verwiesen wurde auf die Seite www.datenschmutz.de, sowie die Seiten respektive Blogs der RednerInnen und Organisationen, die die Veranstaltung realisiert hatten.

Im Abschluss entwickelte sich eine Grundsatzdiskussion, in der das Staats- und Freiheitsverständnis der europäischen Regierungen kritisiert wurde. So wandte sich Monroy gegen die langläufige Ansicht, dass Freiheit im Gegensatz zur Sicherheit stehe und es lediglich der Widerherstellung der Balance zwischen beiden bedürfe. Für ihn müsse auch das Staatsverständnis, das diese Einstellung hervorbringe, überdacht und revidiert werden. Da die Stellen, die für den SIS-Abgleich zuständig seien, bisher nur marginal besetzt seien, lohne es sich, diese mit Auskunftsanträgen zu „bombardieren“. Wichtig sei auch die Weiterleitung der eigenen juristischen Fälle an die veranstaltenden Organisationen, sodass eine bessere Übersicht über die derzeitige Lage, über die der europäischen Bevölkerung nicht in jeder Hinsicht Auskünfte erteilt werden, gewonnen werden könne.


Katharina Eichler