Spunk von der Studienzulassung

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Audimax Uni Wien/ Foto: Niko Ostermann

WIEN (pw/hpd) Im dritten Tag der Besetzung sind die Studierenden im Wiener Auditorium Maximum der Universität an einem Wendepunkt. Der erste Eifer der Protestierenden ist einer Ernsthaftigkeit gewichen. Selbstorganisiert und basisdemokratisch wollen sie sicherstellen, dass sich der Protest nicht in Demonstration und Besetzung erschöpft. Eine Reportage über eine Bewegung auf der Suche nach sich selbst.

Spunk heißt er. Eveline, seine Besitzerin hat ihn an einem der Stehtische auf dem Durchgang zur Studienzulassung angebunden. „Sonst würde er frei herumlaufen und wäre bald überall. Das würde vielleicht ein paar Leute stören“, erklärt die junge Frau während sie auf einem Gaskocher einen Kessel indischen Chai zubereitet. Der große und Jagdhund heischt nach der Aufmerksamkeit der Studierenden, bekommt viele Streicheleinheiten. Eine Studentin fotografiert ihn mit dem Handy, als er Männchen für ihren Freund macht. „Er ist sehr liebesbedürftig“, erklärt Eveline. Und sehr ruhig. Man hört ihn nie bellen. Es scheint ihm zu gefallen auf der Protestaktion der Uni Wien.

Das gibt einen schönen Schaum

Sein Frauchen ist eine der Studierenden, die versuchen, eine Volksküche auf die Beine zu stellen. Mit dem Kaffee klappt es. Er wird in italienischen Espressokännchen auf Elektrokochplatten gemacht. Daneben eine zweite Platte mit einem Topf Wasser. „Wenn man das heiße Wasser in die Kännchen füllt, wird der Mokka schneller fertig“, sagt ein Student. Auf einem zweiten Tisch Brot und Gemüse aus dem Supermarkt. Nur mit Getränken abseits von Kaffee. Tee und Haltbarmilch hapert es noch. Eveline rührt mittlerweile italienischen Kaffeesüßer an. Ein wenig schwarzer Kaffee in einem Glas mit Zucker. „So bekommt der Kaffee einen schönen Schaum“, erklärt sie.

Die Volksküche steht wenige Meter vom Audi Max entfernt, dem Zentrum der heimischen Studentenproteste. Am Weg dorthin sind zahlreiche Tische aufgestellt. Es sind politische Gruppierungen hier. Doch die meisten dienen der Selbstorganisation. Hinter dem Info Zentrum hängen mehrere Bögen Packpapier. Dort findet man die Treffen der meisten Arbeitsgruppen für den Nachmittag oder Abend. Eine soll einen Forderungskatalog ausarbeiten. Eine andere beschäftigt sich mit der Mobilisierung. Eine dritte widmet sich der Abendgestaltung. „Heute abend ist eine Theatergruppe aus Teheran hier“, hat der Leiter der Arbeitsgruppe kurz vorher beim Plenum im Hörsaal verkündet. „Vielleicht wollen die heute abend hierher kommen. Wär doch eine spannende Alternative zur Party.“ Der Applaus der meisten der 400 Studierenden, die hier sind, gibt ihm recht.

Man ist hier, um zu bleiben

Man ist hier um zu bleiben, signalisiert die Stimmung. Die Aktion gegen die geplanten Einschränkungen auf den heimischen Universitäten soll sich nicht einfach in einer mehrtägigen Besetzung des größten Hörsaals Österreichs größter Universität beschränken. Die Bewegung kann und soll sich ausweiten, lautet das erklärte Ziel der Besetzerinnen und Besetzer. Sie sind angetreten, um gegen übervolle Hörsäle zu kämpfen, zu wenig Lehrende an den Unis, und gegen Studiengebühren oder Zulassungsprüfungen, wie sie Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) in den Raum gestellt hatte. Dass der versucht, die Protestaktion nicht einmal zu ignorieren, motiviert die Streikenden zusätzlich. Zudem haben sich Studierende der Uni Graz solidarisiert und dort einen Hörsaal besetzt. Was ein zusätzlicher Auftrieb war.

Jetzt, am Wochenende, droht die spontane Aktion an Bewegung zu verlieren. Bis Dienstag wird sich niemand mehr den Protesten anschließen. Am Montag ist Nationalfeiertag. Da sind auch die Universitäten geschlossen. „Bis dahin müssen wir etwas auf die Beine stellen“, ist von mehreren Seiten zu hören. Die Wiener Studierenden haben ihre Fühler in Richtung Linz und Klagenfurt ausgestreckt. Wenn die mitmachen, kann die Sache groß werden, lautet die Hoffnung. Wenn nicht, droht die Bewegung in Wien und Graz zu versanden, fürchten andere, die zweifeln, wie lange man die Stimmung aufrecht erhalten kann.

„Hab das Plenum verschlafen“

Schon jetzt macht sich das Wochenende bemerkbar. Von den weit mehr als 1.000 Studierenden, die sich am Donnerstag und Freitag im Audi Max versammelt hatten, sind die meisten heute zuhause geblieben. Immerhin, einige hundert sind immer noch hier.

„Für mich ist es Tag drei“, erzählt ein Student, der auch in der Sozialistischen Jugend aktiv ist. Ein wenig Erschöpfung merkt man ihm an. Er hat auch die Nächte hier verbracht und beteiligt sich bei einer der Arbeitsgruppen. Auch ein Doktoratstudent der Philologie ist seit Tag Eins dabei. Was nicht der Hauptgrund seiner Erschöpfung ist. Er war bei der Party gestern abend dabei. „Ich bin gleich im Audi Max geblieben und hab das Plenum verschlafen“, erzählt er ein wenig schuldbewusst. Er hat schlicht nicht mitbekommen, dass ab elf Uhr Vormittag zum Teil hitzig debattiert wurde. Wach wurde er erst um zwei, als die Sache schon fast vorbei war. Nach unserem Gespräch ist er unauffindbar. Vielleicht ist er nachhause gegangen. So wie viele Schlachtenbummler, die des revolutionären Funkens dabei waren oder des Event-Charakters, den Studierenden-Proteste unausweichlich haben.