Islamfeindlichkeit hänge vor allem mit Fremdenfeindlichkeit und Autoritarismus zusammen, weit weniger mit christlicher Religiosität. Zu diesem Befund kam eine groß angelegte Erhebung der Universität Mainz unter der Leitung des Politikwissenschaftlers Kai Arzheimer. In der Studie finden sich jedoch einige Ungereimtheiten, die legitime Ansichten leichtfertig in die Nähe von Rechtsaußen rücken.
Unter extrem rechten Akteuren und Wählern in den USA breitet sich zunehmend eine Überidentifikation mit einem als "eigen" verstandenen Christentum aus, das als Gegengewicht zu einem als "fremd" etikettierten Islam in Stellung gebracht wird. Laut Arzheimer funktioniert dieses Narrativ in den Vereinigten Staaten besonders gut, weil dort das Konzept von einem "weißen Christentum" besonders tief verankert sei. Für den Blick auf den rechten Rand in Westeuropa würde – so Arzheimers Ausgangslage – daher häufig angenommen werden, dass deren Opposition zum Islam ebenfalls religiös motiviert sei.
Arzheimer beobachtet zwar, dass rechtsextreme Akteure auch hierzulande das Christentum instrumentalisieren, um den "Islam als Bedrohung für 'unsere' Identität" herabzusetzen. Doch wie christlich überzeugt "Islamfeinde" in Westeuropa tatsächlich sind, ist damit noch längst nicht gesagt.
Deshalb führten Arzheimer und sein Team eine fragebogengestützte Untersuchung mit rund 75.000 Personen aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden durch. Erfasst wurden Indikatoren für rechtspopulistische und rechtsextreme Einstellungen – Nativismus, Autoritarismus und Populismus – sowie für Islamfeindlichkeit, christliche Religionszugehörigkeit und religiöse Praxis.
Sie kamen zu dem Schluss: Die allermeisten Rekurse "islamfeindlicher" Kräfte auf das Christentum seien vorgeschoben. Eine belastbare Konvergenz zwischen christlichem Bekenntnis, gelebtem Christentum und der Ablehnung des Islam existiere nicht. Schließlich verdeutlicht die Studie, dass die sogenannte "Islamfeindschaft" Marker rechtsextremer Gesinnung sein kann und diese Feindschaft dabei häufig von autoritären und fremdenfeindlichen Ideologiesegmenten flankiert werde.
Arzheimer zufolge würden sich so "Islamfeindschaft" und "Nativismus" – also die Vorstellung, dass Zuwanderer kulturell oder wirtschaftlich eine Belastung darstellen – wechselseitig bedingen. Ebenso gäbe es klare Zusammenhänge zwischen "Islamfeindschaft" und autoritären Bedürfnissen, wie dem Ruf nach einer "durchgreifenden Hand" oder nach traditionellen gesellschaftlichen Korsetts. Auch "Islamfeindschaft" und Populismus – die Ablehnung des Establishments und Überhöhung des Volkes – würden deutlich korrelieren. Eine Nähe zwischen der Zurückweisung des Islam und dem christlichen Glauben sei hingegen "praktisch gleich null".
Die christliche Färbung des Rechtsextremismus in Westeuropa sei – wenn überhaupt – strategische Fassade, so der Befund aus Mainz. Arzheimer verweist einerseits darauf, dass diese Strategie schnell verpuffe, sobald sie mit Nächstenliebe und barmherziger Ethik konfrontiert wird. Andererseits zeige die Untersuchung, dass regelmäßige Kirchgänger oder Menschen, die sich als christlich-traditionell bezeichnen, "nicht systematisch islamfeindlicher als Menschen ohne religiösen Glauben" seien.
Hier wären zwei Anmerkungen zur breiteren Einordnung der Beziehung zwischen Rechtsaußen, Islam und Kirchen angebracht gewesen: In hiesigen interreligiösen Dialogformaten fallen Kirchen dadurch auf, dass sie sich dem organisierten – fast ausnahmslos politischen – Islam anschmiegen, ohne dessen ausgeprägtes Fremdeln mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung offen zu benennen. Ein Beispiel hierfür ist das jüngste Treffen der Deutschen Bischofskonferenz mit dem zweifelhaften Koordinationsrat der Muslime. Weshalb tun sie das? Eine Antwort wäre, dass beide Fraktionen sich nach mehr Frömmigkeit in der Bevölkerung sehnen. In besonders extremen Fällen kommt es sogar zu aktivistischen Kooperationen. So schlossen sich 2023 in Belgien ultrakonservative Katholiken, Rechtsextreme und reaktionäre Muslime zu einer Kampagne gegen ein Sexualaufklärungskonzept an Schulen zusammen.
Darüber hinaus weist die Studie bei der Definition des Untersuchungsgegenstands und der Zusammensetzung des Fragebogens erhebliche Unschärfen auf, die säkulare Islamkritiker schnell in Misskredit bringen können.
Ist Richard Dawkins also "rechtsextrem"?
In humanistischen Kreisen sorgte es kürzlich für erhebliche Irritationen, als der prominente Atheist und Evolutionsbiologe Richard Dawkins sich wiederholt als "Kulturchrist" ("cultural christian") bezeichnete. Affirmativ verwies er auf Weihnachtsbräuche und christliche Architektur, verteidigte ausdrücklich einen "christlichen Ethos" und titulierte sein Heimatland Großbritannien als "christliches Land". Seine kulturelle Wertschätzung des Christentums resultiert ihm zufolge vor allem aus einer notwendig erachteten Zurückdrängung des Politischen Islam, dessen wachsende Präsenz er im öffentlichen Raum – etwa durch die Leuchtreklame zum Ramadan oder den fleißigen Bau von Moscheen – mit Sorge begleitet. Hingegen sei das Christentum, so Dawkins, "grundsätzlich anständig, rücksichtsvoll" ("fundamentally decent").
Nun konstatiert die Mainzer Studie: Die "radikalen Rechten haben ein Narrativ geschaffen, in dem das Christentum als kulturelles Symbol einer angeblichen westlichen Zivilisation erscheint", was es so auch für säkulare Milieus anschlussfähig machen würde. Weiter heißt es: "In seiner reinsten Form behaupten Befürworter dieser Strategie sogar, dass das (kulturelle) Christentum die 'Matrix aus Liberalismus, Säkularität und Geschlechtergleichheit' ist (Brubaker 2017, 1212), während der Islam als von Natur aus unvereinbar mit diesen Werten beschrieben wird." Nach dieser Definition befände sich Richard Dawkins nicht nur im Fahrwasser der Rechtsextremen, sondern bereits verlässlich in deren ideologischem Beiboot – was wirklich eine hanebüchene Unterstellung wäre.
Mindestens zwei Punkte geben hier zu denken:
Zunächst mangelt es der Studie an Realitätssinn. Jeder vernünftige Vergleich zwischen islamisch und christlich geprägten Ländern zeigt, dass letztere deutlich mehr individuelle Freiheitsrechte, liberale Normen und eine größere gesellschaftliche Sicherheit aufweisen als die Mehrheit muslimisch geprägter Regionen. Der Diskurs scheint erneut alles zu sein, die Wirklichkeit hingegen nichts.
Außerdem kommt es doch maßgeblich auf die Absichten an. Möchte jemand schlicht keine Fremden im Land und es ethnisch homogen halten? Oder macht er sich bloß Sorgen um den Erhalt zivilisatorischer Standards? Dawkins' Haltung folgt offenkundig Letzterem. Dafür ist er bereit, auf das geringere Übel zu setzen, das in diesem Fall das säkularisierte Christentum ist, ohne automatisch Homophobie, Zölibat und Abtreibungsverbote gutzuheißen. Diese legitime Einstellung als rechtsextremen Talking Point zu verunglimpfen, gleicht einer intellektuellen Bankrotterklärung.
Sind aber Ex-Muslime "rechtsextrem"?
Was in den deutschen Rezeptionen der Studie weniger zum Ausdruck kommt, in den englischen Versionen jedoch häufig erwähnt wird, ist Arzheimers Verwendung des Begriffs "Islamophobie". Damit sind wir auch beim nächsten Knackpunkt: Nicht nur säkulare, westliche Religionskritiker, sondern auch Leidtragende eines rigiden Islams aus mehrheitlich muslimischen Herkunftsregionen dürften sich durch Teilergebnisse der Studie dem Vorwurf ausgesetzt sehen, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Letztere können aus nachvollziehbaren Gründen und bitteren Erfahrungen sogar eine berechtigte "Angst" (Phobie) vor dem Islam entwickelt haben. Sie müssen gegen dieses perfide Framing verteidigt werden.
Trotz Abwägung des Für und Wider entschied sich Kai Arzheimer für den Begriff "Islamophobie" als Synonym für Vorurteile "gegen Individuen auf Grundlage des religiösen Glaubens am Islam (Imhoff und Recker 2012, 812)". Dabei bleibt jedoch Wesentliches außen vor: Karriere gemacht hat der Vorwurf der "Islamophobie" vor allem durch Islamisten und ihre Helfershelfer, die Islamkritik kriminalisieren und Kritiker als rassistisch oder "geisteskrank" stigmatisieren wollen. Beispiele hierfür sind Ayatollah Khomeini, der iranische Frauenrechtlerinnen mit diesem Label als vom Westen vergiftet zu diskreditieren versucht oder der österreichische "Islamophobieforscher" Farid Hafez, dessen Werk Arzheimer wohlwollend zitiert. Hafez versucht beispielsweise, die Arbeit von Ahmad Mansour gegen Islamismus als "antimuslimischen Rassismus" zu denunzieren. Islamisten haben mit dem Begriff ein fulminantes Instrument gefunden, um den Islam gegen Kritik zu immunisieren und ihre Kritiker mundtot zu machen. Unterdessen springen auch autoritäre Linke im wohlfeilen Kampf gegen Rassismus auf diesen Zug mit auf.
Von Flüchtlingen, nicht-muslimischen Minderheiten aus mehrheitlich muslimischen Gesellschaften oder Ex-Muslimen habe ich oft gehört, dass sie "den Islam hassen", er "ihre Länder kaputt gemacht hat" und dass sie hierzulande – im Migrationsland wohlgemerkt – "Angst haben, wenn sie den Muezzin hören oder die Ramadan-Lichter sehen" – das erinnert sie an islamistische Zustände. Den Islam verbinden sie mit Folter, Entrechtung und Krieg. Diese Betroffenen sind keineswegs Rechtsextreme. Ganz im Gegenteil: Meist sind es Frauenrechtlerinnen, Künstler, Atheisten oder LGBTQ-Aktivisten. Ihre Erfahrungen sind teilweise so prägend, dass sie sich beispielsweise nicht einmal einer Frauenberaterin mit Kopftuch anvertrauen können. Mit Rückgriff auf den Terminus "Islamophobie" versucht die Studie, den Lesern weiszumachen, diese Angst sei ein "Vorurteil gegen Individuen auf Grundlage des religiösen Glaubens am Islam". Vorurteile können auch eine Schutzfunktion haben, möchte man entgegenhalten.
Obendrein: Wie hoch ist die "Islamfeindlichkeit" eigentlich im Iran oder unter der Jugend arabischer Staaten? Jüngste Umfragen – nicht von Arzheimer – lassen einen bemerkenswerten Bedeutungsverlust der islamischen Religiosität erkennen. Diese Abwendung wird sicher nicht immer respektvoll vorgetragen sein, doch mit repressiven Normen fraternisieren trotzdem vermutlich die allerwenigsten dieser sich säkularisierenden Generation.
Wohin die Einschränkung der Meinungsfreiheit mittels des Kampfbegriffs "Islamophobie" führen kann, zeigte sich im Jahr 2021 in Toronto. Eine Veranstaltung mit der jesidischen Überlebenden und ehemaligen Sex-Sklavin des Islamischen Staates, Nadia Murad, sollte zunächst aus Sorge, ihre Berichte könnten "Islamophobie" fördern, abgesagt werden.
Hätte Arzheimer in seiner Studie zudem die Stimmen von Menschen jüdischen oder atheistischen Hintergrunds berücksichtigt sowie religiöse und ethnische Minderheiten aus mehrheitlich muslimischen Ländern miteinbezogen, müsste er sein Forschungsergebnis wohl revidieren und den Begriff "Islamophobie" als üblen Trick der Islamisten auf dem Müllhaufen der Propagandageschichte entsorgen.
Zwischen der Zurückweisung einer religiösen Idee und dem Hass auf Menschen liegen Welten
Arzheimer bemisst "Islamfeindlichkeit" anhand der Zustimmung zu zwei Aussagen: "Der Islam ist eine archaische Religion, die sich nicht an die Gegenwart anpassen kann" und "Ich denke, die islamische Religion und ihre aggressiven Seiten neigen dazu, dem Terrorismus nahezukommen."
Ersteres ist eine These, die sich verifizieren oder falsifizieren lässt. Etliche Indizien in der islamischen Realität – wie der Buchstabenglaube, das Dogma der letzten Offenbarung und die daraus abgeleitete Vorbildfunktion der medinensischen Phase Mohammeds als Kriegsherr – markieren strukturelle Anpassungsdefizite des Islam. Die Äußerungsfreiheit schützt Ansichten wie die, dass eine Reform des Islam nicht durch "echten", sondern einzig durch "weniger" Islam zu erreichen wäre – was selbstverständlich nicht bedeutet, dass sich Muslime nicht an die Gegenwart anpassen könnten.
Letzteres Item ist in erster Linie eine Meinung, keine Tatsachenbehauptung, und damit ohne Weiteres durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Natürlich lässt sich mit guten Gründen argumentieren, dass islamische Quellen Gewalt begünstigen: Gewalt gegen Frauen (Sure 4:34), gegen "Ungläubige" (Sure 9:5) oder gegen Juden (Hadith Sahih Muslim 2922). Etwas anderes wäre es, jede individuelle Gewalt eines Muslims pauschal auf den Islam zurückzuführen.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Muslime genießen in Deutschland Religionsfreiheit und sollen ihre Religion praktizieren dürfen – das ist auch gut so. Ein Rechtsstaat muss es allerdings aushalten, wenn Bürger einem Glauben, also einer Idee, skeptisch bis feindlich gegenüberstehen. Das mag die Gefühle der Gläubigen verletzen, ihre Person wird dadurch jedoch nicht verletzt. Ein himmelweiter Unterschied ist es, eine ganze Menschengruppe aufgrund eines Merkmals pauschal abzuwerten – das verletzt ihre Würde und grenzt an Volksverhetzung. Kurzum: Islamfeindlichkeit muss eine Demokratie aushalten, Diskriminierung von Muslimen nicht. Hier verläuft die Grenze.
Natürlich existieren etliche gefährliche Rassisten, die sich an Migranten stören und das Gewaltpotenzial des Islam als Vorwand für ihren Hass missbrauchen. Auf diese Menschen wird zutreffen, dass sie sich nach einem starken Führer sehnen und von einem "Volk" träumen, das "Parasiten" (im rechtsextremen Jargon: Juden) und "nutzlose Esser" (im rechtsextremen Jargon: Ausländer) mit Fackeln und Mistgabeln "hinauswirft". Dieselben Leute verachten auch Frauenrechte und sexuelle Vielfalt. Mit Nächstenliebe als Ideal eines säkularisierten Christentums können sie gewiss genauso wenig anfangen.
Doch den Begriff "Islamfeindlichkeit" mit der Diskriminierung von Muslimen gleichzusetzen, verzerrt und delegitimiert statthafte, scharfe sowie polemische Religionskritik. Islamisten erweist man damit einen Bärendienst.







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