Kritik an Woelkis Priester-Kaderschmiede

Parallelstruktur in der theologischen Ausbildung

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Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln und Kardinal
Rainer Maria Woelki

Nicht nur die Kirchenmitglieder kehren der Kirche in Scharen den Rücken. Auch interessieren sich junge Menschen immer weniger für das Theologiestudium. Und um die verbleibenden Interessentinnen und Interessenten streiten sich auch noch Hochschulen und Kirche: Das Bistum Köln macht der benachbarten Universität Bonn mit einer eigenen Bildungseinrichtung Konkurrenz.

Für ein Theologiestudium entscheiden sich immer weniger Studienanfängerinnen und -anfänger: In der evangelischen Theologie haben sich im Wintersemester 2023/24 knapp 660 Studierende im ersten Hochschulsemester eingeschrieben, in der katholischen Theologie waren es 450. Fünf Jahre zuvor waren es noch 1.230 in der evangelischen Theologie und 655 in der katholischen Theologie.

Da wollen wir die wenigen Verbleibenden doch lieber unter unsere Fittiche nehmen und nicht der benachbarten Universität überlassen, dachte sich wohl das Erzbistum Köln unter seinem Kardinal Rainer Maria Woelki. Der Mann ist nämlich nicht nur erster Mann an der Spitze des Bistums, sondern auch "Großkanzler" der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT).

Das ist eine Ausbildungsstätte für angehende Priester – jenseits der theologischen Fakultäten an den Universitäten. Der nicht weit entfernten Universität Bonn ist das ein ungeliebter Wettbewerber. Schon vor drei Jahren, als die KHKT den Betrieb aufnahm, griffen zwei prominente Vertreter des Wissenschaftsbetriebs die Woelki-Hochschule in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung frontal an:

Dieter Engels, Vorsitzender des Hochschulrats der Universität Bonn und Klaus F. Gärditz, Rechtsprofessor an der Hochschule sprachen mit Blick auf Woelkis Hochschule von einer "Priesterausbildung in abgeschotteten Exklaven" – und das "ausgerechnet auf dem Höhepunkt des öffentlichen Ansehensverlusts des Erzbistums". Die Bistums-Hochschule führe zu "akademischem Sektierertum", so der Vorwurf. "Wer Kinder zur Erstkommunion führt, sie in Religionsfragen unterrichtet, wer in der pastoralen Jugendarbeit und in der Erwachsenenbildung als Geistlicher wirkt, soll nicht nur innerhalb der jeweiligen Religionsgemeinschaft, sondern auch in einer Universität ausgebildet werden", argumentieren sie. Nur an der Uni würden die angehenden Geistlichen mit abweichenden Weltbildern und Forschungsergebnissen konfrontiert und so vor "einseitiger weltabgewandter oder doktrinärer Ausbildung bewahrt".

Woelkis Priesterschule dagegen wies die Vorwürfe zurück, eine Art konservative Kaderschmiede zu sein. Die besonderen Schwerpunkte der KHKT lägen im Bereich des Dialogs mit den verschiedenen Kulturen und Religionen. Die gute zentrale Lage in Köln ermögliche es, inmitten der Metropole nicht nur inhaltlich, sondern auch persönlich dem Schwerpunkt des Dialoges mit der Gesellschaft, den Institutionen, Kulturen und Religionen nachzukommen.

Vor dem Hintergrund sinkender Zahlen von Priesteramtskandidaten befürchten die Vertreter der Universität Bonn, dass es durch die Kölner Konkurrenz zu einem Ausbluten der universitären Theologieausbildung kommt. Die Kritiker betonen, dass der Heilige Stuhl und der Freistaat Preußen 1929 im Konkordat vereinbart haben, dass die Priesterausbildung der Katholischen Fakultät der Uni vorbehalten sei. Eine Vereinbarung, die auch das Land Nordrhein-Westfalen als Rechtsnachfolger binde. Es dürfe keine Anerkennung oder Förderung der KHKT mit staatlichen Mitteln geben.

Infragestellung durch parallele eigene Hochschulstrukturen

Das Preußenkonkordat ist ein Vertrag des Freistaats Preußen mit dem Heiligen Stuhl unter dessen damaligem Papst Pius XI, der die Rechtslage der Katholischen Kirche in dem Gebiet regelte. Dort heißt es in Artikel 12: "Für die wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen bleiben die katholisch-theologische Fakultäten an den Universitäten in Breslau, Bonn und Münster und an der Akademie in Braunsberg bestehen."

Nordrhein-Westfalen als Rechtsnachfolger Preußens verwies durch sein Wissenschaftsministerium bereits vor drei Jahren darauf, dass die Universität Bonn alleiniger Standort für die Kölner Priesterausbildung sei. Es war von der "Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens beim Heiligen Stuhl" die Rede – eben wegen eines Vertragsbruchs des Reichskonkordats.

In einem Aufsatz, der demnächst in einer juristischen Fachzeitschrift erscheint und über den vorab bereits in verschiedenen Medien berichtet wurde, unter anderem in der Kölnischen Rundschau und in der FAZ, halten zwei Rechtsexperten die Priesterausbildung an der Bistums-Hochschule für "rechtlich fragwürdig, politisch unklug und institutionell schädlich". Die Kölner Hochschullehrer Stefan Muckel und Markus Ogorek verweisen darauf, dass Artikel 12 Absatz 1 des Preußenkonkordats eine Bestandsgarantie für einige katholisch-theologische Fakultäten in Trägerschaft des Staates enthielten. Die Kirche ihrerseits sei verpflichtet, die Konkordatsfakultäten nicht durch parallele eigene Hochschulstrukturen in Frage zu stellen.

Wenn der Staat sich verpflichte, für die Ausbildung von Geistlichen zweckgebundene Fakultäten dauerhaft zu erhalten, erscheine es widersinnig, wenn die Kirche durch eigene Studiengänge zur Relativierung dieses Angebots beitragen wollte. Das Agieren Woelkis stelle einen völkerrechtlichen Vertragsbruch dar, meinen die Juristen.

Die juristischen Fürsprecher Woelkis verweisen indes auf die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen. In deren Artikel 16 Absatz 2 ist zu lesen: "Zur Ausbildung ihrer Geistlichen haben die Kirchen und zur Ausbildung ihrer Religionsdiener die Religionsgemeinschaften das Recht, eigene Anstalten mit Hochschulcharakter zu errichten und zu unterhalten."

Juristen und Nicht-Juristen, die im Hier und Jetzt leben, dürften staunend zur Kenntnis nehmen, dass ein "Reichskonkordat" aus dem Jahr 1929 gegenüber einer "aktuellen" Landesverfassung aus dem Jahr 1950 Vorrang haben soll. Eine Verfassung überdies, die auch schon recht angestaubte Sätze enthält wie etwa den Artikel 7: "Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung."

Gesamtgesellschaftlich doch gar nicht so schlecht?

Auf eine andere Perspektive kommen die Fürsprecher der universitären Theologenausbildung erst gar nicht zu sprechen. Dass es gesamtgesellschaftlich doch gar nicht so schlecht wäre, wenn die Kirchen die Priesterausbildung auf eigene Kosten selbst in die Hand nehmen. Das wäre doch allemal gesamtgesellschaftlich fairer, als alle Steuerzahler damit zu belasten. Das Land Nordrhein-Westfalen hingegen, das sich im Interesse der universitären Ausbildung gegen Woelkis Priesterschule wendet, will die hergebrachten Strukturen und damit auch die gesamtgesellschaftliche Finanzierung der Priesterausbildung beibehalten. Eigentlich verwunderlich und ein Eigentor, dass Woelki sich dagegen mit seiner eigenen Schule zur Wehr setzt.

Georg Bier, Professor für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte an der Universität Freiburg, brachte den Gedanken schon vor längerer Zeit in einem Interview auf den Punkt:

"Meines Erachtens sollten Bischöfe froh sein, wenn eine Landesregierung vehement für den Fortbestand der Priesterausbildung an staatlichen Universitäten eintritt und damit eben auch für den Fortbestand der Theologischen Fakultät. Wenn die Bischöfe darauf bestehen, ihr eigenes Ausbildungssüppchen zu kochen, dann gefährden sie nicht nur den Bestand der Katholisch-Theologischen Fakultäten und begünstigen mittelfristig deren Abschaffung. Sie forcieren damit auch das Verschwinden der Theologie aus dem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs. Das fände ich sehr dramatisch."

Für den konfessionsfreien Steuerzahler wäre es freilich alles andere als dramatisch, vielmehr eine gute Nachricht, wenn sie nicht die Kosten der theologischen Fakultäten tragen müssten, die bei jährlich dreistelligen Millionenbeträgen liegen dürften. Die Initiative Stop-Kirchensubventionen.de stellt die Frage so: "Wieso wird eigentlich die Ausbildung der Theologen vom Staat bezahlt? Warum dann nicht auch die Ausbildung von islamischen Imamen? Von Fußballtrainern, Tauchlehrern, Reitlehrern? Von Astrologen oder Kosmetikberaterinnen?"

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