Philipp Möller antwortet Daniela Wakonigg

Ein Kritiker ist kein Gegner

Die stellvertretende Chefredakteurin des hpd, Daniela Wakonigg, unterzog das neue Buch "Isch geh Bundestag" des Bestseller-Autoren Philipp Möller einer scharfen Kritik. Der bekannte Religionskritiker antwortet nun in einer Replik, die der hpd im Originalwortlaut veröffentlicht.

Liebe Daniela,

zuerst einmal möchte ich dir danken, dass du mit deinem Artikel "Herr Möller hat keine Angst mehr" eine Debatte eröffnet hast, die im säkularen Spektrum offensichtlich überfällig ist. Nachdem ich die Fridays for Future (FFF) kritisiert und in meinem aktuellen Buch beschrieben habe, wie und warum ich die Angst vorm Weltuntergang verloren habe, werden mir fälschlicherweise zwei Dinge unterstellt, die ich hier gleich klipp und klar dementieren muss. Zunächst einmal will ich aber allen, die mein Buch nicht kennen, vermitteln, dass ich mir den Ausstieg aus der apokalyptischen Filterblase keineswegs leicht gemacht habe. Stattdessen ist der langsamen Anerkennung, dass ich auf einem moralistischen Holzweg unterwegs war, ein Zustand gefolgt, den ich im Buch noch verharmlost beschrieben habe: Ich bin durch psychische Tiefen gegangen, inklusive physischer Begleiterscheinungen; ich habe die Angst vorm Weltuntergang also direkt eingetauscht gegen die Angst davor, öffentlich zuzugeben, dass ich keine Angst vorm Weltuntergang mehr habe – vorm "Abgrund", wie du es nennst. Und weißt du auch warum? Weil ich wusste, dass es Reaktionen wie deine geben wird. Weil ich wusste, dass genau das passieren wird, was jetzt passiert: Ich werde als Zweckoptimist bezeichnet, als Schönredner, als Verharmloser oder, wie in deiner Schmähkritik, als "Kerlchen", als "unselbständiger Denker", der gerade mal "zwei Bücher der Wahrheit" liest und dann glaubt, die Welt würde von ganz alleine besser werden; in Kommentaren werden Leute schreiben, dass ich mich "schämen solle", dass man "enttäuscht" von mir sei, "entsetzt" und "schockiert"; und noch dazu, dass ich reflexartig als "Gegner" einer Bewegung bezeichnet werde, die doch eigentlich nur "das Gute" will … All das ist eingetreten, und ich will hier nicht so tun, als würde mir das nicht nahegehen – daher meine Erwiderung:

Erstens macht mich meine Kritik an den FFF lediglich zu ihrem Kritiker, nicht aber zu ihrem Gegner, der deswegen auf der anderen Seite der Extreme steht. Ich bin kein Klimaleugner, weil ich säkularreligiöse Entwicklungen bei den FFF feststelle. Ich bin nicht auf der Seite von AfD, Trump und Co., weil ich Greta Thunbergs Tonfall und die apokalyptischen Behauptungen der FFF als problematisch bezeichne. Ich unterstelle zudem durchaus nicht allen einzelnen Mitgliedern dieser Bewegung, apokalyptisch und moralistisch zu argumentieren. Und ich erkenne selbstverständlich an, dass in Sachen Klimaschutz Handlungsbedarf besteht, der vor allem politisch bisher noch nicht eingelöst wurde – wir müssen endlich aus dem Knick kommen und klimafreundliche Technologien zur Marktreife bringen! Mich nun aber wegen meiner Kritik an den FFF gleich in die Ecke der Klimaleugner oder gar der fanatischen Greta-Hasser zu rücken, weist deutlich darauf hin, dass hier ein Lagerdenken stattfindet – danke dafür, Daniela, denn genau darauf wollte ich hinweisen. Auch dein herablassender Tonfall weckt in mir den Eindruck, dass du dich persönlich angegriffen fühlst und deine Enttäuschung über meine persönliche und politische Entwicklung auf andere projizierst. Das tendenzielle Schwarz-Weiß-Denken, das hinter deiner Haltung steht, das auch Greta (wohl wegen ihres Asperger-Autismus) pflegt, und das sich in der Klimadebatte weitgehend durchgesetzt hat, ist eine ungesunde Entwicklung: 'Wer nicht für uns ist, ist gegen uns, denn wir haben die hundertprozentige Wahrheit gepachtet' ist ein deutliches Anzeichen säkularreligiöser Tendenzen. Bitte vergiss auch nicht: Die 20.000 WissenschaftlerInnen, die du ins Feld führst und die das Anliegen der FFF unterstützen, sind vor allem gegen AfD, Trump und Co., die tatsächlich der Meinung sind, man könne business as usual betreiben – nicht zwingend gegen mich, der die Notwendigkeit des Klimaschutzes anerkennt, aber die religiösen Elemente dieser Bewegung identifiziert und kritisiert.

Es ist – und das ist mein zweiter Punkt – ein später Satz in deinem Beitrag, Daniela, der deine Fehlinterpretation meiner Haltung am besten pointiert: "Lehnen wir uns also alle zurück und relaxen!" – Das habe ich nirgendwo geschrieben oder gesagt, weder explizit noch implizit; wer also glaubt, "Isch geh Bundestag" nach deiner Kritik richtig beurteilen zu können, den hast du gut aufs Glatteis geführt. Ganz im Gegenteil habe ich herausgearbeitet, dass die schrittweise Verbesserung der Welt keineswegs ein Selbstläufer ist, sondern ein mühsamer Job, der Tag für Tag erledigt werden will – siehe die Global Goals der UN. In meiner Anerkennung der schrittweisen Verbesserung der Welt und der Korrektur ökologischer Fehler steckt aber eine wichtige Message: Die Mühen lohnen sich. Es gibt noch jede Menge Probleme, aber mit dem richtigen Engagement können wir sie lösen; ich bezweifle lediglich, dass die Tendenzen, die die FFF inzwischen zeigen, konstruktiv zur Lösung beitragen. Und auch von der "sorgenfreien Selbstzufriedenheit", die du mir unterstellst, bin ich meilenweit entfernt und setze mich nun für eine Klimapolitik ein, die vor allem eines fordert: CO2 sektorübergreifend und möglichst multinational ein jährlich sinkendes und strenges Limit verpassen, so dass wir mit ökologischer Treffsicherheit im Jahr 2050 klimaneutral wirtschaften, so wie es 2015 in Paris vereinbart wurde – ich wüsste wirklich nicht, was daran falsch sein sollte.

Ich bleibe dabei: Der Klimawandel ist ein sehr ernstzunehmendes Problem – aber auch ein lösbares; Kinder und Jugendliche jedoch in ihrer realen Angst vorm Weltuntergang allein zu lassen und diese Angst für politische Zwecke zu nutzen, halte ich für verantwortungslos. 2017 habe ich dem Fischer-Verlag ein Aufregerbuch versprochen, habe dann "versehentlich" ein Abregerbuch geschrieben, was in aufgeregten Zeiten allerdings erst zum wahren Aufregerbuch wird – verrückte Welt.