Geschichten aus Norwegen

OSLO. (HEF/hpd) Der Human Etisk Forbund beschreibt für den hpd den langen Weg der Säkularisierung in Norwegen. Norwegen ist eines der säkularsten Länder weltweit mit der größten Mitgliederzahl in einer humanistischen Vereinigung.

Wie Sie vielleicht wissen, haben wir in Norwegen eine protestantische Staatskirche – die Kirche Norwegens. Wir befinden uns im Prozess, die Verbindungen zwischen Staat und Kirche zu lockern. Die Verfassung muss dafür geändert werden, was in zwei unterschiedlichen Nationalversammlungen verhandelt werden muss. Die erste Runde haben wir bereits 2008 absolviert, die zweite und finale Runde des Prozesses der Verbindungslockerung wird irgendwann vor 2014 erfolgen, wahrscheinlich im Jahr 2013.

Der politische Kompromiss um das neue Abkommen zwischen Staat und Kirche ist kein vollständiger Bruch. Selbstverständlich ist der Human Etisk Forbund (HEF, Norwegische Humanistische Vereinigung) stark gegen jegliche Form des Abkommens zwischen Staat und Kirche, aber die Organisation freut sich über das, was sie als wichtigen Schritt in die richtige Richtung ansieht.

Langer Kampf um Religions- versus Ethikunterricht

Der Human Etisk Forbund hat auch bereits einen langen Kampf für die gleichverteilte religiöse Bildung in öffentlichen Schulen hinter sich. Vor 1997 konnten norwegische Eltern zwischen einem „christlichen“ Fach in den Schulen wählen, oder aber ein neutraleres und eher pluralistisches „Lebensgrundhaltungs“-Fach.

1997 beschloss die norwegische Regierung, dass alle Schüler dasselbe Fach verpflichtend besuchen sollten, nämlich das berüchtigte „KRL-Fach“, für Christentum (K), Religion (R), Lebensgrundhaltung (L). Der Human Etisk Forbund erachtete das Fach als „vorgeschriebene christliche Indoktrination“ und protestierte heftig. Nach einer Weile unterstützte der Verbund eine Gruppe von Eltern durch das norwegische Rechtssystem und argumentierte, das neue Pflichtfach verletzte das Menschenrecht von Eltern, über die religiöse Erziehung ihrer Kinder zu entscheiden.

Der Fall wurde bis zum Hohen Gericht in Norwegen verhandelt, aber die Eltern verloren in sämtlichen Instanzen. Der Fall wurden sodann hinübergeschickt zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und zum UN-Menschenrechtskomitee. In beiden internationalen Instanzen gewannen die norwegischen Eltern und der Staat wurde gezwungen, das KRL-Fach zu ändern. Das Straßburger Urteil fiel im Juni 2007.

Das Pflichtfach wurde mittlerweile in RLE umbenannt (Religion, Lebensgrundhaltung, Ethik), um es neutraler und gemäß der Menschenrechtsverpflichtungen Norwegens zu gestalten. Der Human Etisk Forbund ist zwar noch nicht zufrieden mit dem Fach, erkennt aber an, dass dort (hier auch) ein Schritt in die richtige Richtung stattfand.

Weihnachtliche Kirchenbesuche der Schulen

Dann gibt es etwas, das jedes Jahr wiederkehrt. In Norwegen gibt es eine starke schulische Tradition, Kinder vor Weihnachten in die Kirche zu bringen. Der Human Etisk Forbund ist selbstverständlich dagegen und sagt, Eltern sollten stattdessen ihre Kinder nach der Schule in die Kirche bringen, und dass öffentliche Schulen sich neutral verhalten sollten, was Religion angeht. Die Diskussion löst immer eine Menge Ärger auf den Humanistischen Verbund aus – es wird behauptet, wir wollten eine Tradition zerstören, für die viele Menschen starke Empfindungen hegten.

Natürlich zwingen die Schulen niemanden, in die Kirche zu gehen. Man kann befreit werden, aber der Human Etisk Forbund ist der Meinung, dass die Tradition eine Menge Druck auf die Kinder ausübt, sich an dem zu beteiligen, woran „alle anderen“ partizipieren.

Ein sehr säkulares Land

Abgesehen davon ist Norwegen weit davon entfernt, in irgendeiner Hinsicht ein religiöses Land zu sein. Es ist in Wahrheit sehr säkular. Weniger als die Hälfte der Bevölkerung glaubt tatsächlich an Gott und nur rund zehn Prozent lassen sich vom Glauben durchs Leben führen. Dennoch hat die Staatskirche über 80 Prozent der Bevölkerung in ihren Reihen. Die Gefühle der Menschen in Bezug auf die christliche Herkunft Norwegens und die verschiedenen Bräuche drum herum, bilden selbstredend einen großen Teil der Erklärung. Aber, wie schon erwähnt, nur ein kleiner Prozentsatz glaubt tatsächlich an die christlichen religiösen Doktrinen. Dieses allgemeine Bild betrifft im Wesentlichen auch die anderen nordischen Länder wie Schweden, Dänemark und Finnland.

Etwa 100.000 gläubige Muslime finden sich in Norwegen, das sind schätzungsweise 1,5%. Andere Religionen existieren, sind aber zu vernachlässigen.

Der Human Etisk Forbund ist sage und schreibe die weltgrößte humanistische Vereinigung mit etwa 76.000 Mitgliedern. Wir stellen nicht nur die größte humanistische Vereinigung im Vergleich zur relativ kleinen Bevölkerung Norwegens mit ungefähr 4,7 Millionen, aber meines Wissens auch die größte in absoluten Zahlen.

Even Gran

Journalist bei Fritanke.no und Informationsberater der HEF


Mehr über Norwegen und den Human Etisk Forbund findet sich hier und hier (jeweils Englisch).