Strategiewechsel für Afghanistan gefordert

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Auf der Hauptstraße von Feyzabad / Foto: Bundeswehr/Martin Stollberg

BERLIN. (hpd/HU) Die Humanistische Union fordert den Abzug von 1.000 Bundeswehr-Soldaten in 2010 und die schrittweise Beendigung des Militäreinsatzes innerhalb von vier Jahren. Ziviler Aufbau und Entwicklungsarbeit müssen oberste Priorität erhalten.

Die Humanistische Union fordert in einem heute veröffentlichten Positionspapier einen sofortigen Strategiewechsel in der Afghanistan-Politik: Angesichts der bevorstehenden Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Verlängerung des ISAF-Mandats der Bundeswehr legt die Bürgerrechtsorganisation konkrete Vorschläge vor, wie die Spirale militärischer Gewalt verlassen und die zivile Hilfe für das Land verstärkt werden könne.

"Die Konflikte in Afghanistan sind nicht mit militärischen Mitteln zu lösen, die Sicherheit im Land kann nicht durch immer mehr Soldaten verbessert werden", fasst Dr. Gerd Pflaumer die Lehren aus den Ereignissen der vergangenen Monate zusammen. Von der neuen Bundesregierung sei deshalb ein umfassender Strategiewechsel gefordert. "Derzeit werden drei Vierteln aller Gelder für Afghanistan für militärische Zwecke ausgegeben, nur ein Viertel komme den zivilen, entwicklungspolitischen Projekte zugute." Eine Befriedung Afghanistans sei aber nur durch den Aufbau von Justiz, Sicherheitskräften und ziviler Infrastruktur zu erreichen, bei der lokale Akteure einbezogen werden.

  Stärkeres Engagement bei der Polizei- und Armeeausbildung

"Die finanziellen Aufwendungen für Afghanistan müssen deshalb dringend umgeschichtet werden, um zivile Aufbau- und Entwicklungsprojekte zu beschleunigen", fordert der Vertreter der Humanistischen Union. Die Bundesregierung sollte das von ihr versprochene stärkere Engagement bei der Polizei- und Armeeausbildung in Afghanistan wahr machen, denn zu einer Eigenverantwortung der afghanischen Behörden für die Sicherheitslage im Land gebe es keine Alternative.

Als vertrauensbildende Maßnahme schlägt die Humanistische Union den Abzug von zunächst 1.000 Bundeswehrsoldaten im kommenden Jahr vor. Bis zum Ende der Legislaturperiode sollten die verbliebenen Einheiten schrittweise abgezogen werden. "Wir sind davon überzeugt, dass sich jene Spirale der militärischen Eskalation, die wir in den letzten Monaten erfahren mussten, nur durch konkrete und verbindliche Zusagen zur Eindämmung des Militäreinsatzes beenden lässt", betont Gerd Pflaumer. "Wir erwarten deshalb von der Bundesregierung eindeutige, vertrauensbildende
Maßnahmen." Die neue Bundesregierung sollte zugleich in ihrer Außenpolitik alles daran setzen, mit einer "Konferenz für Frieden und Zusammenarbeit im mittleren Osten" neuen politisch-diplomatischen Initiativen den Weg zu bereiten, um aus der Sackgasse der militärischen Verstrickung in Afghanistan heraus zu gelangen.

Zivil-militärische Zusammenarbeit gescheitert

Insbesondere die zivil-militärische Zusammenarbeit muss aus Sicht der HU und vieler Entwicklungsorganisationen als gescheitert angesehen werden. "Wir fordern die Bundesregierung auf, sich endlich mit der Kritik der Nichtregierungsorganisationen an der zivil-militärischen Zusammenarbeit auseinander zu setzen und die realen Gefährdungen ziviler Akteure zu berücksichtigen." Zivile Organisationen beklagen seit langem, dass ihre Helferinnen und Helfer in Afghanistan durch die Verbindung mit dem Militär einem erhöhten Risiko für Leib und Leben ausgesetzt sind, die Aufbauarbeit durch die Vermischung ziviler und militärischer Aufgaben gefährdet werde.

Schließlich fordert die Humanistische Union die Bundesregierung dazu auf, sich für ein Ende des sog. "Krieges gegen den Terror" einzusetzen. Dieser Krieg fordere immer wieder zivile Opfer und schade allen Bemühungen für eine bessere Sicherheitslage im Land. Gerd Pflaumer weist in diesem Zusammenhang darauf hin: "Das ISAF-Mandat der Bundeswehr ist kein Freibrief für die Aufstandsbekämpfung. Unser Grundgesetz verbietet die Führung eines Angriffskrieges." Die Bundeswehrführung sei dafür verantwortlich, dass jeder Soldat und jede Soldatin ein entwickeltes Bewusstsein dafür haben, dass ihre Handlungen im Einsatz den Grundsätzen des humanitären Kriegsvölkerrechts entsprechen. "Die Geltung von Menschenrechten bezieht sich auf alle am Kriegsgeschehen Beteiligten - Gegner ebenso wie Zivilisten", unterstreicht Gerd Pflaumer.

Das ausführliche Positionspapier der Humanistischen Union, in dem die
Forderungen erläutert werden, befindet sich im Anhang.

Eine Chronik des Krieges in Afghanistan.

Veranstaltung zum Thema:
Aus aktuellem Anlass bietet die Humanistische Union gemeinsam mit anderen Bürger- und Menschenrechtsgruppen am morgigen Mittwoch, dem 25. November 2009 eine Diskussionsveranstaltung zum Thema an: Im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte diskutieren Ute Finckh-Krämer (Bund für Soziale Verteidigung) und Martin Kutscha (Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht) über Perspektiven zur Beendigung des deutschen Militäreinsatzes. Die Veranstaltung beginnt am Mittwoch um 19 Uhr (Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Straße 4, Berlin).
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