Podiumsdiskussion "Religion und Kritik"

 

Beispielbild
Foto: Fiona Lorenz
Schmidt-Salomon protestierte natürlich laut: dass wir zum Glück in einer Streitkultur der Aufklärung leben und es in der Welt leider so viel Stagnation gebe, weil eine falsche Vorstellung von Respekt herrsche, nämlich nicht richtigerweise der vor Personen, sondern vor Meinungen.

Er führte aus, dass eigentlich die Atheisten die einzigen seien, die das Bilderverbot ernst nähmen – sie würden nichts über Gott sagen, wenn nicht andere bestimmte Vorstellungen davon hätten.

Es sei nicht einzusehen, warum Gläubige über andere fantasieren dürften, das umgekehrt aber nicht ginge (z.B. Salman Rushdi). Er selbst bekomme seit 15 Jahren Morddrohungen, Religionsführer nicht. Skandalös sei der Kommentar der Süddeutschen Zeitung zum kürzlich statt gefundenen Anschlag auf den dänischen Karikaturisten, dass dieser ja selber schuld gewesen sei. Als ob das Recht auf Kritik nicht die wesentliche Voraussetzung für eine offene Gesellschaft sei! Muhammad Kalisch habe in einem wunderbaren Aufsatz geschrieben, dass Respekt bedeute, den anderen nicht zu behandeln wie ein kleines Kind. – Woraufhin er von "Ditib und Co.“ gleich abgesetzt worden sei.

Doch nach diesem ersten Streitthema ließ Topcuk sehr nach, sagte prinzipiell nur dann etwas, wenn er gefragt wurde und antwortete dann stets, wie auf Knopfdruck, mit einer – mehr oder weniger passenden – Koran-Sure, einer von denen, die er sich für den Abend wohl unbedingt vorzutragen vorgenommen hatte.

Als eine Sure einmal ganz eindeutig nicht passte und die Frage an ihn (Woher kommt der Mensch?), daher noch einmal klar und dezidiert wiederholt wurde, ließ er durchblicken, wie sehr er sein "Sapere non aude!" verinnerlicht hatte und sagte sinngemäß, er wisse die passende Sure im Moment nicht, sie stehe aber sicher in seinem Buch, dort stehe es, was er glaube. Sein Schluss-Statement lautete dann noch, dass der Islam mit Terroristen nichts zu tun habe und dass Terroristen keine Menschen seien.

Und trotzdem ist der Diskussions-Abend als Erfolg zu werten, denn Schmidt-Salomon brachte das Phänomen der beiden Theologen auf den Punkt: Sie seien eigentlich clevere und aufgeklärte Burschen, müssten aber leider so tun als ob, und fast nur durch ihre antiquierte Sprache würden sie sich vom aufgeklärten Humanisten unterscheiden...

Und da die Mehrheit des sehr aktiven, fast geradezu aggressiven Publikums sich nicht täuschen ließ: gab es für die Theologen keine positiven Statements bzw. Fragen.

Ein Zuschauer sagte, er sei noch Christ, aber ihn überzeuge das Ganze immer weniger. Und auch dieser Abend hätte sehr dazu beigetragen.

Schmidt-Salomon erklärte in seinem Schluss-Statement, wir bräuchten für unsere Gesellschaft ein aufklärerisches Verständnis der alten Schriften. Leider werde im öffentlichen Diskurs dazu ständig übersehen, dass auch z.B. Zwangsverschleierung Terror sei. Und die einzig richtige Reaktion auf den Karikaturenstreit sei: "Mehr Mohammed-Karikaturen! Bis auch der letzte Moslem mitkriegt, dass man nicht stirbt, wenn man eine Karikatur sieht!"

Constanze Cremer