ROSSDORF. 2007 feiert die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von
Parawissenschaften (GWUP) ihr 20-jähriges Jubiläum. Damit stellt die GWUP mit Sitz in Roßdorf bei Darmstadt seit zwei Jahrzehnten als einzige Organisation ihrer Art im deutschsprachigen Raum kritische Informationen über Parawissenschaften der Öffentlichkeit zur Verfügung. Dazu zählen Fragen, wie:
- Können so genannte alternative Arzneimittel heilen?
- Steht unser Schicksal in den Sternen?
- Helfen Magnete bei der Wasserenthärtung?
- Gibt es Menschen, die Gedanken lesen oder in die Zukunft sehen können?
- Müssen wir uns vor Erdstrahlen schützen?
Der hpd sprach mit GWUP-Geschäftsführer <Amardeo Sarma>, der 1987 das erste Skeptiker-Treffen organisierte.
hpd: Gab es einen konkreten Anlass, warum die GWUP 1987 gegründet wurde?
Sarma: Einen benennbaren ‚Auslöser' gab es konkret nicht. Es wurde alles Mögliche unkritisch in der Öffentlichkeit verbreitet und dazu gab es dann auch gelegentlich Spezialisten, die versuchten, etwas richtig zu stellen. Insofern gab es einen Bedarf an interdisziplinären, fachkompetenten Antworten und in dieser Hinsicht war dann wohl das seinerzeitige „Erdstrahlenprojekt" des Bundesministeriums für Forschung ein Anstoß, etwas dagegen zu setzen, da derartige Fragen über die Kompetenz der einzelnen Fachdisziplinen hinausging. Die Zeit war also sozusagen ‚reif' und der Zuspruch, den wir aus den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen erfahren haben, gab uns recht.
hpd: Wenn Sie jetzt nach zwanzig Jahren das Jahr 2007 mit 1987 vergleichen, ist heute etwas anders?
Sarma: Meines Erachtens ist es nicht schlimmer, aber auch nicht besser geworden. Der Pegelstand von öffentlich verbreiteten Unsinnigkeiten ist insgesamt gleich geblieben, es haben sich nur die Themen verschoben. War es beispielsweise Uri Geller, der damals unterwegs war, so ist es heute eher die medizinische Quacksalberei einer Soft-Esoterik, die weite Kreise zieht. Einen Unterschied gibt es allerdings und das ist die Existenz der GWUP als anerkannter Ansprechpartner für die Medien und der an wissenschaftlicher Weltsicht Interessierten.
hpd: Hat es in den vergangenen zwanzig Jahren für Sie besonders wichtige Ereignisse gegeben?
Sarma: Oh ja. Da es ja auch unser Bestreben ist, in die Öffentlichkeit hinein zu wirken, sind die beiden „Doppelblind-Versuche" zu den Wünschelrutengängern besonders erwähnenswert. 1990 haben wir dazu eine Versuchsreihe mit dem Hessischen Rundfunk in Kassel durchgeführt und 2004 in Würzburg mit dem Westdeutschen Rundfunk für die Sendung „Quarks & Co.". Beide Fernsehsendungen waren wichtige Ereignisse. Als drittes ist dann noch die Internationale Welttagung der Skeptiker 1998 zu nennen, zu der 300 Teilnehmer aus aller Welt in Heidelberg zusammen kamen.
Das besondere „Highlight" – aus unserer Sicht – ist jedoch die Stetigkeit, mit der wir seit zwanzig Jahren den „Skeptiker" herausbringen und die jährlichen GWUP-Konferenzen veranstalten – dieses Jahr übrigens im Mai in Darmstadt zum Thema „Psychotechniken".
Ein Meilenstein war schließlich die Einrichtung unseres „Zentrums für Wissenschaft und kritisches Denken" in Roßdorf im Jahre 1999. Seit dieser Zeit haben wir eine Anlaufstelle für Sachfragen für Medien und die Öffentlichkeit.
hpd: Wie sehen die Skeptiker der GWUP die so genannte „Wiederkehr des Religiösen in Deutschland"?
Sarma: Inhaltlich befassen wir uns im Hinblick auf Religionen eher mit den angeblichen „Marienwundern", die bei uns aber selten sind und eher ein Phänomen Südeuropas bzw. Südamerikas sind. Ebenso ist es um das „Turiner Grabtuch" zurzeit ja auch ruhig. Sorge bereiten uns allerdings die zweimaligen ‚Ausrutscher' von deutschen Politikern in Sachen Kreationismus und Schöpfungsglaube. Auch wenn der Thüringer Ministerpräsident und die Hessische Kultusministerin in ihrer Partei Ausnahmen sind, sollten unsere ‚Warnlampen' eingeschaltet bleiben, denn das, was aus den USA auch nach Deutschland exportiert wird, ist bedenklich.
hpd: Herr Sarma, wir bedanken uns für das Gespräch.
Seit 15 Jahren stellt die GWUP <Informationen im Internet> bereit.
In den nächsten Jahren soll die Verankerung des kritischen Denkens im Bildungswesen einen besonderen Schwerpunkt darstellen. Gerade hier sieht die GWUP Handlungsbedarf: In einer immer komplexeren Welt müssen junge Menschen lernen, mit der Unvollständigkeit des eigenen Wissens ebenso umzugehen wie mit der Unzuverlässigkeit der Medien, der Täuschbarkeit der eigenen Sinne und der Fehlbarkeit des eigenen Urteils. Dazu gehören die systematische Prüfung von Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt und die kritische Diskussion der Ergebnisse.
Die GWUP fordert von Verantwortlichen in den Bildungseinrichtungen und der Politik, dass dieser kritische, wissenschaftliche Ansatz als Grundlage für Lehre und Bildung umgesetzt wird. Lehrinhalte müssen in Übereinstimmung mit dem Stand der Wissenschaft stehen. Didaktisch notwendige Vereinfachungen dürfen nicht zur Verfälschung führen. Dem Angebot an pseudowissenschaftlich-esoterischen Lehr- und Lernmethoden wie der Edu-Kinestetik, dem Neurolinguistischen Programmieren oder der Waldorf-Pädagogik sowie einer romantisierenden bzw. mystifizierenden Erlebnispädagogik muss Einhalt geboten werden.
CF