Nachgefragt II
Am nächsten Tag kommt der Rückruf des Verantwortlichen für die „Jugendverbände der Gemeinschaft Christlichen Lebens.“ Der Pressesprecher des BDKJ hatte ihn vorab informiert. Um nicht aneinander vorbei zu reden trage ich die Punkte des Berichts erneut vor, mit der abschließenden Frage, was er dazu sagen möchte.
„Ich hoffe, dass es sich um einen Einzelfall handelt und bedauere natürlich sehr, wenn es zu solchen Fällen gekommen ist. Da spielt es auch keine Rolle, wie lange es her ist.“
„Täter“, dieses Wort spricht der Vorsitzende explizit aus. Kamen sie aus den Reihen der geistlichen Leiter, waren es Erwachsene, Padres oder Priester, Jesuiten aus der Marianischen Congregation, deren sexuelle Übergriffe nicht erst seit den Veröffentlichungen Anfang 2010 aus dem Canisius Kolleg bekannt sind? Oder waren die Täter junge Erwachsene, in den eigenen Reihen aufgewachsen, die als Gruppenführer Verantwortung für Jugendliche übernommen hatten? Diese Form der Ausbildung war und ist immer noch aktuell. War es einer? Waren es mehrere? Das alles seien Fragen, denen er als Verantwortlicher nachgehen werde. Und er spricht weiter von den Kindern und Jugendlichen, die ihm vor dem Auge seien und die vor Übergriffen zu schützen sind. Aus seiner Sicht hat der Verband in den letzten Jahren vorsorgend und fürsorglich daran gearbeitet, Ausbildungsprämissen vorzulegen, speziell Positionspapiere gegen Missbrauch zu erarbeiten und hat diese Texte veröffentlicht.
„Es ist sehr zu bedauern, aber leider nicht auszuschließen, dass es zu Übergriffen gekommen ist. Man muss es beim Namen nennen, Misshandlungen aus früheren Zeiten sind mir nicht bekannt. Und doch ist nicht auszuschießen, dass es heute noch passiert, obwohl wir 1990 ein neues Schulungskonzept eingeführt haben, auf pädagogische Schulung größten Wert legen und bei unseren Kindern politische Bildung sowie die Entwicklung von demokratischen Verständnis nicht zu kurz kommt.“
Er verweist dabei auf die Internetseite, mit speziellen Positionspapieren.
Die Worte des für Tausende Jugendlicher zuständigen und Verantwortung tragenden Vorstandes im Ohr lese ich die Positionspapiere. Gut gemeinte Worte ist die eine Ebene, alle werden freundlich zustimmen, die Umsetzung im Alltag ist jedoch der andere Teil. Ist dies eine ausreichende Maßnahme? Ist damit Vorsorge getroffen, als Schutz vor Übergriffen, Gewalt und Missbrauch?
„Aktuell geht es darum, Täter zu finden, nicht zu schützen. Wenn das Opfer sich entscheidet, Namen zu nennen, können wir der Sache nachgehen und, auch wenn es schwierig werden sollte, Staatsanwalt und Polizei einschalten. Wir bieten unsere Unterstützung und Hilfe an.“
Der Widerspruch zwischen dem Erleben des Opfers, seinem früh verloren gegangenen Vertrauen in die Organisation und dem Wunsch eben dieser Organisation, man möge ihr doch jetzt vertrauen, bleibt unüberbrückbar bestehen.
Evelin Frerk