Der „Prophet der Moderne” in Zwickau

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Foto: Kunstsammlungen Zwickau

ZWICKAU. (hpd) Die Stadt Zwickau, im Südwesten von Sachsen, hat das Glück, dieses Jahr das graphische Werk von Francisco de Goya zeigen zu können. Eine der vollständigsten Sammlungen der graphischen Blätter Goyas stellt das Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft Freiburg i.Br. vom 14. Februar bis 2. Mai 2010 in den Kunstsammlungen Zwickau aus.

Seit dem 14. Februar 2010 ist die Ausstellung der Radierungen Goyas in den Kunstsammlungen der Stadt zu sehen und hat damit einen sehr würdigen Rahmen.

Geschichte des Museums

Unter dem Namen „König Albert-Stiftung“ wurde im Oktober 1897 eine städtische Anstalt für die „Unterbringung, Verwahrung, Erhaltung und dem Allgemeinwohl förderliche Benutzung von wissenschaftlichen und Kunst-Sammlungen“ begründet. Im Laufe der nächsten 15 Jahre vergrößerte sich das Stiftungsvermögen, unter anderem durch größere Zuwendungen der Stadt Zwickau, so dass ein Architektur-Wettbewerb ausgeschrieben werden konnte. Der Zittauer Architekt Richard Schiffner gewann diese Ausschreibung und wurde mit dem Bau des König-Albert-Museums beauftragt. Nach zweijähriger Bauzeit konnte das Museum am 23. April 1914 eröffnet werden.

Der junge Dresdner Kunsthistoriker Hildebrand Gurlitt, der erste Museumsdirektor, begann 1925 mit einer – zielstrebigen und beharrlichen Kunstsammlung. Er verstand es, eine sehr weitsichtige Arbeit für die moderne Kunst zu leisten. Die Bedeutung reichte schon bald weit über Zwickau und Sachsen hinaus. Gurlitt erwarb einen Bestand an Werken zeitgenössischer Künstler für das Museum und zeigte unter anderem in Ausstellungen erstrangige Gegenwartskunst, wie zum Beispiel Max Pechstein, Käthe Kollwitz Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Emil Nolde.

Neben der Skulpturen- und Gemäldesammlung gehören die Mineralien und Kulturhistorischen Sammlungen zu den ständigen Ausstellungen. Auch eine umfangreiche graphische Sammlung von ca. 30.000 Werken, schwerpunktmäßig Kunst aus Dresden, wie etwa Werke von Felixmüller, Griebel, Lange und Dix sind ständig zu sehen. In der Zeit des Nationalsozialismus verschwanden ab 1937 leider viele Werke unwiederbringlich. Unter dem Motto „Entartete Kunst“ beschlagnahmte und vernichtete man u.a. Blätter von Barlach, Kandinsky, Kirchner, Klee, Kokoschka, Nolde, Pechstein, Rohlfs und Schmidt-Rottluff. Zum Glück blieben einige Werke der klassischen Moderne aus der Gurlitt-Zeit von dieser „Räumungsaktion“ verschont. So bilden Werke von Pechstein, Lehmbruck, Feininger, Dix, Grosz oder Chagall noch heute den Mittelpunkt in der grafischen Sammlung.

Die Ausstellungsräume erlauben Einblicke in die wichtigsten Zeitalter der Kunstgeschichte, angefangen von der westsächsischen Spätgotik über den Barock, Klassizismus und die Romantik bis hin zu Impressionismus und Expressionismus. Darüber hinaus wird die Gegenwartskunst in ständigen und wechselnden Ausstellungen vorgestellt.
 

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"Liebe und Tod"
Das druckgraphische Werk Goyas

In einer sehr umfangreichen Sonderausstellung wird derzeit das druckgraphische Werk Francisco de Goyas. gezeigt. Es stammt aus der Sammlung des Morat-Instituts für Kunst und Kunstwissenschaft Freiburg im Breisgau. Die insgesamt 253 Blätter einschließlich vieler einmaliger Probedrucke sammelte Franz-Armin Morat kenntnisreich und mit viel Engagement. Das Besondere an der Sammlung ist, dass es sich vorwiegend um qualitativ erstklassige Drucke handelt. Abgesehen von der Prado-Sammlung in Madrid dürfte dies die einzige, das Gesamtwerk des Künstlers zeigende, graphische Sammlung sein.

Francisco José de Goya y Lucientes (1746-1828), geboren in Spanien, ist der Wegbereiter der modernen Kunst in Europa. Seine Kunst prägte das widersprüchliche Zeitalter der Aufklärung. Als Hofmaler am Hofe Karl III. stand er immer zwischen den lukrativen Aufträgen des Adels und der freien, visionären Ausübung seiner Kunst. Er machte die brutalen, absonderlichen Verhaltensweisen der Menschen zum Thema seiner Bilder. Er tauchte in Phantasien und menschliche Abgründe hinab und stellte sie schonungslos dar. Vor allem seine Radierungen geben Ausdruck über seine für damalige Zeit sehr kritische Sicht der Verhältnisse.

Habgier, Teufelsglaube, Hexenwahn, Gewalt, Mord und Inquisition sind Themen, die er vor Augen führt. Er stellt sich damit gegen Tyrannei und Willkür. Unwissenheit, Dummheit und Aberglauben stellt er bloß und verspottete Geistlichkeit und Adel in den Phasen ihres Verfalls.

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"Los Caprichios" (Detail)
Doch auch die positiven menschlichen Seiten übersieht er nicht. Es gibt genauso Szenen der Liebe, Mut, Tapferkeit, Verbundenheit und Humor. Er deckt also das gesamte Spektrum der menschlichen Erscheinungsformen ab.

Die vier Graphikzyklen „Los Caprichios”, „Los Desastres de la Guerra”, „La Tauromaquia” und „Los Proverbios” zeigen die künstlerische Beschäftigung und Umsetzung mit den komischen, visionären und dämonischen Seiten des Menschen. Er inszeniert Grauenhaftes mit hintergründigem Spott und Satire.

 Als erstes sieht man die "Los Caprichos" ("Einfälle"). Dieser aus 80 Blättern bestehende Zyklus ist in den Jahren 1797-1799 entstanden. Er zeigt die sich dem Verfall nähernde bürgerliche Gesellschaft. Das Verhalten der Menschen untereinander wird durch Gewalt, Habgier, Prostitution und Aberglaube bestimmt.

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Der Tod 4
Sehr kompakt gehängt folgen die 80 Blätter des "Los Desastres de la Guerra" ("Die Schrecken des Krieges") Sie thematisieren die menschlichen Grausamkeiten und die verheerende Hungersnot während der spanischen Befreiungskriege. Sehr direkt und schonungslos zeigt er die Brutalität, die menschenverachtende Metzelei, Elend und Aggressivität des Krieges. Mit heutiger Kriegsberichterstattung verglichen, kann man die erschreckende Parallelität nicht übersehen.
Und wenn man dann weiter geht und die Stierkampfszenen betrachtet, die angeblich so harmlos daherkommen, kann man kaum die fortgesetzte Brutalität übersehen, die sich an die Bilder des Krieges nahtlos anreiht.

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Der Tod des Pepe Hillo
"La Tauromaquia" ("Kunst des Stierkampfs") ist zwischen 1814 und 1816 entstanden. Erst beim genauen Hinsehen, kann man die technische Perfektion der Bilder sehen. Handwerklich perfekt, fast fotografisch genau hält er einzelne Momentaufnahmen fest. Damit wird die Spannung, aber auch die Brutalität des spanischen Stierkampfes meisterhaft wiedergegeben.

"Los Proverbios" ("Sprichwörter") ist eine sehr geheimnisvolle Serie innerhalb des druckgraphischen Werkes. Sie sind vermutlich

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Torheit der Furcht
1815 bis 1824 entstanden und spiegeln eindeutig das Spätwerk Goyas wieder. Eigentümlich fliegende Hexenwesen oder schwebende Gestalten kehren als Motiv immer wieder und zeigen die Nähe zu Goyas bedeutenden "Schwarzen Gemälden" auf.

Auf jeden Fall eine einmalige und lohnende Chance, Goyas Werk in dieser Fülle und Qualität zu sehen.
 

Elke Schäfer

 

Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft der Botschaft von Spanien, Berlin. Das Projekt wird unterstützt vom Ministerpräsidenten des Landes NRW. Die Kunstsammlungen der Städtischen Museen Zwickau werden gefördert vom Kulturraum Vogtland-Zwickau.

Katalog zur Ausstellung:
Francisco de Goya – Radierungen. Die Sammlung des Morat-Instituts., Edition Braus, Heidelberg, 3. ergänzte Auflage, 2007 (168 Seiten, 253 S/W-Abb. u. 104 Duoton-Tafeln, Preis: 20,00 €)

Alle Bilder: wikimedia.commons.francisco de goya