Zollitsch beauftragte Mönche – trotz Untätigkeit

Beispielbild
Zollitsch / Screenshot / Fotos: Evelin Frerk
Hinweise oder Fakten?

Es fällt auf, dass das Erzbistum in seinen jüngsten Pressemitteilungen vom 07.06.2010
 und 02.06.2010 – also etwa zwei Monate später – formuliert, dass es „Hinweise darauf gibt, dass der beschuldigte Pater erneut zur Klostergemeinschaft des Zisterzienserordens in Birnau gehörte.“ [Hervorhebung von mir.] Wenn Pater Gregor jahrelang im Schematismus geführt wurde, muss er ja entweder den Zisterziensern oder direkt dem Verantwortungsbereich des damaligen Personalreferenten Zollitsch zugeordnet gewesen sein, und der Erzdiözese liegen (und lagen damals) diese Informationen vor. Außerdem ist dem Erzbistum seit März bekannt, dass Pater Gregor von 1987 bis 1992 wieder in Uhldingen-Mühlhofen gemeldet war.

Aber gut: Die Information, dass Pater Gregor, der 1968 strafversetzt wurde und von dessen Übergriffen in Birnau selbst das Bistum Basel bereits 1971 nachweislich Kenntnis hatte, während Zollitschs Zeit als Personalreferent jahrelang im Personalverzeichnis der Erzdiözese geführt wurde, würde sich in einer „Medien-Information“, die das Bistum und den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz entlasten soll, natürlich nicht so gut machen.

Bistums-Erklärungen vs. Opferperspektive

Aber nicht nur im Hinblick auf Zollitschs Zeit als Personalreferent der Erzbistums (1983 bis 2003), auch im Hinblick auf das Verhalten 2006, als sich das Opfer mit dem Missbrauchsvorwurf an die Erzdiözese wandte, hält das Bistum es offenbar für nötig, die Darstellung zu schönen.

Nach Darstellung des Opfers lief dieser Kontakt so ab:

"12/2006: Ich informierte die Erzdiözese Freiburg und die Abtei Mehrerau von den Übergriffen auf mich. Ich wies schon damals darauf hin, dass ich den Verdacht habe, dass weitere Kinder/Ministranten Opfer dieses Pädophilen sein könnten. Außer diesem Telefongespräch wurde ich nicht über den Ausgang der Ermittlungen informiert und bekam keine konkreten persönlichen Hilfsangebote. Den Verzicht auf eine staatsanwaltschaftliche Anzeige erreichte man, indem man mich "über den Tisch zog" und mir vorgaukelte, dass man Nachforschungen anstellen würde und man mir verschwieg, dass
a) der Kirche bereits weitere Übergriffe des Täters bekannt und dokumentiert waren
b) der Täter ein weiteres Mal in Deutschland, zudem in Birnau aktiv war - und das zu einer Zeit, die noch nicht verjährt war."

Demgegenüber erklärte der Generalvikar des Erzbischofs von Freiburg, Dr. Fridolin Keck, am 22.03.2010 – also diesen März:

„Uns ist in Birnau nur ein Missbrauchsfall bekannt: Ende 2006 hat uns darüber ein Mann informiert. Die Tatzeit war in der ersten Hälfte der 60er Jahre - liegt also etwa 40 Jahre zurück. Wir haben Hilfe und Gespräche angeboten. Das Opfer, das sich bei uns gemeldet hatte, forderte eine Aussprache mit dem beschuldigten Pater, der sich bei ihm entschuldigen sollte. Diese Aussprache und Entschuldigung ist erfolgt.“

Das Opfer sagt, es habe keine Aussprache mit dem Täter gegeben – es wartet noch heute darauf.

Die Kirche tat nichts

Warum äußerte sich Dr. Keck am 22. März? Kurz zuvor – mehr als drei Jahre nach dem Hinweis des Opfers an die Erzdiözese Freiburg – war der pädokriminelle Pater dann doch noch aus dem seelsorgerichen Dienst entfernt worden. Allerdings nicht auf Betreiben der Kirche, sondern des Opfers:

„2/2010: Nach den vollmundigen Ankündigungen von Dr. Ackermann und Zollitsch nehme ich erneut Kontakt mit diesen Stellen auf.
Nachdem ich über Internetrecherchen herausfand, dass Pater Gregor Müller weitere Übergriffe in Birnau und Mehrerau beging, habe ich erneut Freiburg und Mehrerau auf den pädophilen Priester hingewiesen und dessen Rücktritt gefordert. Freiburg und Mehrerau bleiben weiter untätig.
Dann rief ich den Täter in Schübelbach an und forderte von ihm, sofort zurückzutreten. Danach versuchte mich eine Pfarrgemeinderätin aus Schübelbach telefonisch von meinem Vorhaben abzubringen, indem sie mich als Täter und den Kinderschänder als Opfer darstellte und Sätze wie
"er war ja so lieb zu Kindern ..."
"... die Ministranten gingen so gerne zu ihm hin ..."
"... auf Frauen stand er nicht so, das merkte man ..."
Diese Sätze alleine hätten aufhorchen lassen müssen, statt dessen legte diese Frau "... ihre Hand ins Feuer, dass die letzten 16 Jahre in Schübelbach keine Übergriffe waren"
[...] Inzwischen hörte ich von Videoabenden und Pizzaparties die Pater Gregor Müller in Schübelbach mit Kindern veranstaltete ... zu welchem Zweck? Mit welchen Folgen?“

Das Opfer musste selber handeln

Der Rücktritt des Paters wurde offenbar dadurch erreicht, dass das Opfer ankündigte, sonst vor dessen Gottesdienst zu demonstrieren – mit einem Plakat „Hier zelebriert ein Kinderschänder.“ (Badische Zeitung, 22.04.2010)

Der Täter war also nach dem Hinweis des Opfers an die Zisterzienser und das Erzbistum Freiburg 2006 noch mehr als drei Jahre lang völlig unbehelligt in der Seelsorge tätig. Wie ging man in Zollitschs Bistum mit der Angelegenheit um?

Hierzu wieder Generalvikar Dr. Keck:

„Der Beschuldigte Pater aus der Abtei Mehrerau (in Österreich) war zum Zeitpunkt der Anzeige (2006) nicht mehr in Birnau (in unserem Erzbistum Freiburg) eingesetzt. Wir haben 2006 sofort den zuständigen Abt im Kloster Mehrerau verständigt - mit der Aufforderung, die erforderlichen Schritte einzuleiten. Der Abt hat uns zugesichert, dies zu tun und sofort auch das Bistum Chur verständigen. Dieser Zusicherung haben wir vertraut. Der uns gemeldete Fall aus den 60er Jahren war strafrechtlich verjährt. Wir haben den Wunsch des Opfers respektiert, nicht die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Der Pater hat sich für den Missbrauch in Birnau entschuldigt und diese Tat als Einzelfall dargestellt.“

Keine Anzeige: „Auf Wunsch des Opfers“

Wie oben im Opferbericht bereits dargestellt, scheint der Verzicht auf eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft weniger auf „Wunsch des Opfers“ als vielmehr aufgrund der Versprechungen seitens des Bistums erfolgt zu sein.