(hpd) Der im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts entstandene „Traktat über die drei Betrüger“ – gemeint sind Moses, Jesus und Mohammed – gehört zu den klassischen Texten der Aufklärung und der Religionskritik. Die von Winfried Schröder sorgfältig edierte Ausgabe enthält ausführliche Informationen zur ideengeschichtlichen Einordnung und Rezeption eines frühen Schlüsseldokuments der Geschichte des Atheismus.
Entgegen weit verbreiteter Annahmen war die Aufklärung nicht dezidiert atheistisch, sondern allenfalls kirchenkritisch ausgerichtet. Gleichwohl gab es in dieser philosophischen Strömung eine Richtung, die über die Kritik an Aberglaube und Intoleranz sowie an Herrschaftsgebaren und Machtorientierung hinausging. Sie stellte die zentrale Glaubensgrundlagen von Judentum, Christentum und Islam in Frage. Als frühe programmatische Schrift dieses Atheismus in der Aufklärung gilt der „Traktat über die drei Betrüger“, der wohl im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts entstand. Bis heute weiß man nicht, wer der Autor dieser Streitschrift gegen den Glauben an Moses, Jesus und Mohammed war. Gleichwohl handelte es sich um einen seinerzeit weit verbreiteten und wirkungsreichen Schlüsseltext der Aufklärung. Er liegt in der renommierten „Philosophischen Bibliothek“ des Felix Meiner-Verlags, Hamburg in einer sorgfältig betreuten Edition deutscher und französischer Sprache mit ausführlicher Einleitung und informativen Erläuterungen von Winfried Schröder vor.
Der Herausgeber ordnet den „Traktat“ in die ideengeschichtliche Entwicklung der Aufklärung ein, gibt einen Überblick zu Textgeschichte und Verbreitung und deutet ihn als Montage aus Werken verschiedener Autoren des 17. Jahrhunderts. Inhaltlich gliedert sich der Haupttext in sechs unterschiedlich lange Kapitel, jeweils noch weiter in mehrere Paragraphen unterteilt: Zunächst geht es um die gegen Vernunft und Verstand gerichtete falsche Vorstellung von einem Gott, welche mit Einbildungen und Hirngespinsten die Massen in Aberglauben und Dummheit halten wolle: „Diese Betrüger haben ein zu großes Interesse an der Unwissenheit des Volkes, als dass sie es hinnehmen könnten, dass man ihm die Augen öffnet“ (S. 7). Danach stehen die Ursachen für den Glauben an ein solch unsichtbares Wesen im Zentrum des Interesses: So erblickt der „Traktat“ in der Furcht und Unkenntnis gegenüber natürlichen Vorgängen. Politische Interessen mit betrügerischen Machenschaften hätten sich die damit verbundenen Vorstellungen zu Nutze gemacht.
Demnach erklären sich die Autoren die große Zahl von Religionen auf der Erde anhand des Wirkens von Moses, Jesus und Mohammed auch dadurch, dass Judentum, Christentum und Islam um bestimmter Machtinteressen willen geschaffen wurden. Denn: „Die Religionsstifter hatten ein genaues Gespür dafür, dass ihre betrügerischen Machenschaften auf die Unwissenheit des Volkes gegründet waren“ (S. 53). Obwohl das Urteil zu Jesus eher gemäßigt klingt, bemerkt der Text zur Originalität seiner Lehre: „Was die Moral Jesu Christ angeht, so ist in ihr nichts anzutreffen, dessentwegen sie den Schriften der antiken Autoren vorzuziehen wäre; vielmehr ist alles, was man in ihr findet, aus ihnen entlehnt oder ihnen nachgeahmt“ (S. 89). Und die letzten kürzeren Kapitel kritisieren die Auffassung von der Existenz von Geistern, die Behauptungen von der Natur der Seele und die Vorstellungen von der Existenz von Dämonen. Die danach folgenden kommentierenden Anmerkungen im Anhang erläutern noch ausführlich Begriffe, Kontexte und Verweise.
Der „Traktat über die drei Betrüger“ steht, wie Schröder in seiner Einleitung zutreffend hervorhebt, für ein „frühes Schlüsseldokument der Geschichte des Atheismus“ (S. IX). Allein von daher verdient der Text Interesse, stellt er doch eine Art „Sammelband“ zur seinerzeitigen Religionskritik dar. Schröder hat auch sorgfältig herausdestilliert, woher die Argumente der Autoren stammen (vor allem von Hobbes, Spinoza). Inhaltlich handle es sich um die Verbindung von einem „theoretisch anspruchslosen, aber griffigen Materialismus einerseits und einer radikalen Kritik der Offenbarungsreligion und der traditionellen Metaphysik andererseits“ (S. XXIX). Über weite Strecken nimmt der „Traktat“ tatsächlich eine etwas zu simple Ideologiekritik der Religion vor, gilt sie doch nur als Betrug am Volk durch Politiker und Priester. Gleichwohl geht man ansatzweise auch über diese Perspektive hinaus, wenn etwa im Sinne einer modernen Religionskritik auf die Bedeutung der Angst verwiesen wird: „Die Furcht, die die Götter geschaffen hat, hat auch die Religion geschaffen“ (S. 45).
Armin Pfahl-Traughber
Anonymus, Traktat über die drei Betrüger. Französisch – Deutsch. Kritisch herausgegeben, übersetzt und kommentiert und mit einer Einleitung versehen von Winfried Schröder, Hamburg 1992 (Felix Meiner-Verlag) (Neudruck: 2010), 168 S., 16,90 €