Die Entwicklung des Islams in Frankreich

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Abb.: www.alawan.org

FRANKREICH. (alawan/hpd) Die arabische rationalistische Liga („alawan.org“) führte ein Interview mit Jocelyn Bézecourt (von atheisme.org) über die Entwicklung sowie die Situation des Islams in Frankreich und die Rolle der französischen Politik. Hier die Übersetzung.

alawan.org : Gibt es wirklich einen ernsthaften Versuch der Islamisierung durch die nordafrikanischen Einwanderer?

JB: Für die Entwicklung des Islams in Frankreich darf nicht allzu leicht ein ausländisches Komplott verantwortlich gemacht werden. Sicherlich existieren die globalen Ambitionen eines erobernden Islams, die Geschichte zeugt dafür seit vierzehn Jahrhunderten, aber der Auslöser ist in Frankreich anderweitig zu suchen: Der islamische Aktivismus wächst auf dem Boden der Arbeitslosigkeit, der kulturellen Entfremdung in den großen Wohnvierteln, der Diskriminierung in Beschäftigung und Wohnen. In diesem für Fanatiker mit Erfahrung in der Islamisierung idealen Bereich sehen wir die geheimen Gebetsräume sich vervielfältigen, die Verbreitung obskurantistischer Schriften ohne Grenzen und es gibt eine echte Steigerung des in der Praxis sichtbaren Islams gegenüber der ersten Generation von Migranten in Frankreich.

Mehr als ein von außen aufgezwungenes System wird der Islam so zu einem Trend unter einigen Jugendlichen, die ihn wie eine Fahne schwenken: Kopftuch bei jungen Frauen (mit seinen verschiedenen um Eleganz rivalisierenden Versionen), Barttragen bei Männern (evtl. mit einer Markierung auf der Stirn, um die gewissenhafte Ausübung der fünf täglichen Gebete zu beweisen), das Ändern der Sprache (Verallgemeinerung der Ansprechweise "Mein Bruder"). Die Mode geht so weit, dass konvertierte Nicht-Muslime dann öffentlich ihre exaltierte Begeisterung für ihre neue geistige Unterwerfung zeigen. Es scheint, dass ein erheblicher Anteil der Frauen in Burka oder Niqab Konvertierte sind. Das Alles wird bedient durch die wachsende betrügerische Verwandlung des Kult zu Kultur: Der Ramadan wird immer mehr zu einem gesellschaftlichen Ereignis, wovon niemand mehr die körperlichen Gefahren (seinen Glauben durch Kasteiung beweisen), die Unvereinbarkeit mit den beruflichen Aktivitäten (Rückgang der Produktivität), die Gefahren für die Gesundheit (Hyperglykämie nach dem Ende des Fastens) und beim Autofahren (körperliche Schwäche), etc. bemängelt. Die Islamisierung schreitet auch durch den Druck von Verwandten voran: Durch die Blicke von Familienmitgliedern, Freunden, Nachbarn, möglicherweise Bedrohungen, werden die Unentschlossenen oder Unwilligen davon überzeugt, den Islam zu akzeptieren.

Weit schwerer und dramatischer ist in der Praxis die Islamisierung im Gefängnis, wo die Gefangenen durch den Kontakt mit gefährlichen Fanatikern entweder konvertieren oder reislamisieren müssen. Hier ist es nicht mehr die Mode von "Es ist mein Recht, meine Wahl ", sondern das Zutreten zu einem totalitären politischen Projekt und seine gewalttätigen Umsetzung.

alawan.org: Wie gehen die islamischen Missionäre vor (z. B. die Moschee von Paris, Lyon, die Verbände, die UOIF – Union der islamischen Organisationen Frankreichs, etc.)?

JB: Man kann unter dem Begriff Islamisierung jede Struktur oder jedes Individuum einordnen, dessen Ziel die Ausbreitung des Islams ist. Expansionismus ist dem Islam eigen, die Organisationen handeln wie kleine Soldaten der Sache und gliedern sich in drei Gruppen: Moscheen, Vereine, Referenten.

Durch die erzeugte Loyalität ihres Publikums sind die Moscheen die ersten Brutstätten der Ausbreitung des Islams. In Paris, die Omar-Moschee in der Straße Jean- Pierre Timbaud, und in der Nähe von Barbes, die Moscheen El Fatah und Khaled Ibn El Walid füttern einen Fanatismus, dessen Intensität daran gemessen werden kann, dass sie jeden Freitag mit Hunderten Gläubigen mehrere Straßen blockieren. Im Jahr 2005 hat eine Exorzistensitzung in der Omar-Moschee eine Person getötet und vor zehn Jahren wurde Sheikh Abdelbaki Sahraoui, einer der Gründer der FIS, im Gebetsraum der Moschee Khaled Ibn Al Walid ermordet.

Die Moschee Addawa spielt die Rolle der Offenheit und der kulturellen Begegnungen, aber verzichtete nicht auf die Einladung eines starren Doktrinärs wie Hani Ramadan. Die Pariser Moschee, mit ihrem Rektor Dalil Boubakeur, optiert für Unterwürfigkeit gegenüber der zivilen Macht, und man könnte fast von einem gallischen Islam sprechen, praktiziert aber durch falsche Gemäßigte, die eher echte Reaktionäre sind. Wenn die Moschee von Paris ein Nebengebäude der Botschaft von Algerien ist, sträuben sich andere nicht vor den Petrodollars. Während der französischen Tour des saudi-arabischen Abdullah Turki im Jahr 2002 gab es viele, die zu dem frommen Kapitalisten strömten, um ein wenig Ölmanna zu sammeln.

Unter der Masse der muslimischen Verbände ist die Union der islamischen Organisationen in Frankreich die repräsentativste: Die jährliche Konferenz ist eine gigantische Operation, welche die Stärke des Islam in Frankreich zeigt. Tausende von Menschen drängen sich in der Lobby, in der großen Gebetshalle oder in dem riesigen Konferenzhangar, mit einer Trennung von Männern und Frauen in diesen beiden Letztgenannten. Mit der überwiegenden Mehrheit der Frauen verschleiert, ist sie ein Maß für den Fortschritt des politischen Islams. Islamisierung geschieht auch durch sehr preiswerte obskurantistische Literatur, deren Zweck nicht Nachdenken ist, sondern einfache und schnell konsumierbare Antworten zu liefern, um das Entstehen von Fragen zu vermeiden. Nicht für sich selbst zu denken, sondern die Sätze von anderen zu wiederholen, ist die Aufgabe dieser platten Literatur.

Schließlich sichern die Referenten die notwendige geistige Garantie der gläubigen Unterwerfung der Massen. Der Kongress der UOIF und unzählige Moscheen, Gebetsräume und lokale Verbände, sind ihre Lieblingsfelder und die begehrtesten Spieler sind Iquioussen Hassan, Tariq Ramadan und sein Bruder Hani (die andere Seite der gleichen Medaille).

Aber die Operation wäre nicht vollständig, ohne die unerwartete Unterstützung von Universitären und Verantwortlichen von französischen, nichtmuslimischen Vereinen, vereint unter der Bezeichnung Islamolinke. Im Glauben, dass der Islam die Religion der Unterdrückten ist, vertreten sie einen kulturellen Relativismus, der auf der einen Seite die Menschen aus muslimischen Ländern in eine Identität einsperrt, in der sie sich nicht unbedingt wiedererkennen, und andererseits die verschleierte Unterdrückung innerhalb der Familie oder der Nachbarschaft minimiert. Vincent Geisser, Mouloud Aounit Liogier und Raphael sind deren Vertreter.


alawan.org: Was ist die Verantwortung der Regierungen?

JB: Die Verantwortung der französischen Regierung ist entscheidend für die Akzeptanz des Islams als politischer Partner. Durch die Gründung des französischen, muslimischen Kultusrates in den Jahren 2002-2003, hat Nicolas Sarkozy die Herausforderung von Jean -Pierre Chevènement wieder aufgenommen, um die Entstehung des muslimischen Fanatismus durch seine Institutionalisierung strukturell in Richtung der Demokratie zu kanalisieren. Diese Hoffnung zeigt die Unkenntnis über eine Bewegung, für die das erste Gebot ist, dass vor den durch das Volk und ihren gewählten Abgeordnete beschlossenen Gesetzen, die heiligen religiösen Texte einzuhalten sind.

Dadurch reiht sich die französische Regierung in die schon sehr lange Reihe ihrer Vorgänger ein, für die die Religion in erster Linie ein Hilfsmittel zum Machterhalt ist: Wenn die spirituelle Dimension der Religion sie letztlich nicht sehr interessiert, dann doch ihre Fähigkeit, die Gläubigen der Autorität unterzuordnen, um ihnen im Gegenzug echte Vorteile zu sichern. Napoleon, Thiers und Gambetta hatten verstanden, dass die Zusammenarbeit mit einem fatalistischen Katholizismus die Menschen von der Versuchung der Rebellion oder Forderungen nach einem besseren Leben fern halten würden. Nicolas Sarkozy macht nichts anderes, wenn er zum Vatikan oder zur Pariser Moschee geht. Jeder Ramadan sieht einen Regierungsbeamten (Präsident, Premierminister und andere Minister) in der Moschee von Paris ihrem Rektor der Freundschaft einer Republik zusichern, die jedoch als säkular gilt.

Es geht also um den sozialen Frieden, wenn der Staat zu glauben verlangt, dass es einen mit dem Säkularismus und der Republik zu vereinbaren Islam gibt. Es geht nicht darum, diese Kompatibilität nachzuweisen, geschweige denn den Theologen diese Aufgabe aufzuerlegen, sondern alle Bürger davon zu überzeugen, so dass der Staat über Individuen verfügt, die kaum für ihre Emanzipation eintreten werden.

Doch der französische, muslimische Kultusrat hat nach sieben Jahren seines Bestehens wiederholt seine Unfähigkeit bewiesen, um den Kult und die Verhaltensweisen der Muslime zu steuern. Persönliche Rivalitäten, die Unfähigkeit mit einer Stimme zu sprechen, totaler Widerspruch zwischen der laizistischen Rhetorik und dem islamischen Diskurs, machen den Rat zu einer absoluten Nutzlosigkeit. Von dieser Organisation zu fordern, dass alle Muslime auf französischem Boden sich gleich verhalten und reden ist absurd: Wie Sunniten und Schiiten, Salafi und ein türkisches Mitglied seiner Regierung, ein Abgesandter der algerischen Regierung und ein Untertan Mohammed VI, eine militante Tabligh und eine Muslima die behauptet, das Recht zu haben den Schleier nicht zu tragen, miteinander versöhnen? Die Christen in Frankreich verfügen nicht über eine einigende Organisation, die alle ihre Tendenzen als Katholiken, Protestanten, Orthodoxe, Adventisten, Pfingstler und so viele unversöhnliche Sekten unter einem Hut bringt. Die Forderung der Muslime ist genau so zum Scheitern verurteilt.

Die Bemühungen der Regierung für die Legende eines humanistischen Islams geschehen auch durch die subtilere Manipulation der Sprache. Der Begriff Islamophobie, wie der allgemeinere der Religiophobie, drückt totale Ablehnung der Religion aus, ist aber oft von Nicolas Sarkozy in einem Rassismus gegen Personen verwandelt worden. Ob es sich hier um sein Unvermögen zur Unterscheidung zwischen Kritik an einer Religion und Ablehnung seiner Anhänger oder um eine bewusste Strategie der Manipulation von Konzepten handelt ist unklar, aber die Handlungsweise bleibt de facto verleumderisch. Offensiv eine Religion mit der größten Respektlosigkeit angreifen, heißt nicht ihre Anhänger schandhaft zu stigmatisieren.

Eine riesige Kluft trennt aus zwei Gründen oftmals Religion von denen, die sie in Anspruch nehmen: Entweder sind die Gläubigen sich nicht voll bewusst über die Gesamtheit der Lehre (nur wenige haben die Bibel oder den Koran gelesen), oder sie können die Ablehnung der Punkte, die sie nicht akzeptieren, weil sie moralische Werte außerhalb eines religiösen Rahmens entwickelt haben, ausdrücken. Wenn aber der Gläubige den gesamten totalitären Inhalt seiner Religion akzeptiert, dann würde die Gleichsetzung der Denunziation der durch ihn getragenen Ideologie mit Rassismus das Ende des Rechts auf die Kritik jeder Idee, jedes Glaubens, jedes Systems bedeuten, egal ob es in einen religiösen Rahmen fällt oder nicht.

 

Übersetzung: R. Mondelaers

Quelle / Originaltext