(hpd) Der Historiker Wolfgang Schieder legt mit “Benito Mussolini” eine kenntnisreiche und knappe politische Biographie des italienischen Diktators vor. Dabei konzentriert er sich stark auf dessen Persönlichkeitsstruktur, wobei andere Aspekte des Einflusses auf seine Politik mitunter nicht immer genügend Aufmerksamkeit finden.
“Faschismus” gehört in politischen Diskussionen zwar zu den mitunter häufig genutzten Begriffen. Doch was man sich unter dem namensgebenden politischen System in Italien und dessen führenden Repräsentanten vorzustellen hat, bleibt dabei meist unbeachtet.
Es liegen denn auch nur wenige deutschsprachige Monographien zu beiden Themen vor. Der früher an der Universität Köln lehrende Historiker Wolfgang Schieder hatte bereits 2010 einen knappen Band “Der italienische Faschismus” veröffentlicht. Mit “Benito Mussolini” ließ er diesem 2014 eine Biographie zu dem Diktator folgen. Sie erschein in der Reihe “Wissen” des C. H. Beck-Verlages, die den Autoren einen maximalen Umfang von 128 Druckseiten vorschreibt. Insofern wäre auch jede Kritik, die sich auf eine zu knappe Darstellung des komplexen Gegenstandes bezieht, rein formal schon einmal unangebracht.
Schieder will auch gar nicht mit den umfangreicheren Biographien zu Mussolini konkurrieren. Vielmehr soll die Frage nach dessen “eklatanten Umbrüchen” (S. 8) im Leben im Zentrum seiner Arbeit stehen.
Der Autor wählt dazu einen eher unkonventionellen Zugang, liefert er doch nicht nur eine historisch-chronologische Beschreibung im klassischen Sinne. Dieser vorgeschaltet sind längere Ausführungen, die sich auf die Persönlichkeit Mussolinis, seine Handlungen und Wirkungen als Politiker und sein besonderes Verhalten als Diktator beziehen. So macht Schieder denn auch spätere Praktiken schon in der Charakterstruktur des Jugendlichen aus: “Er war ein ausgesprochen gewalttätiger Mensch, der sein Temperament nur schwer zügeln konnte. Treffend hat man von seiner ‘angeborenen Brutalität’ … gesprochen” (S. 10). Und weiter heißt es dann: “‘Gewalt’ gehörte von Anfang an zur Eigenlogik des Faschismus, der Aufstieg der Bewegung vollzog sich über die individuelle Gewaltanwendung gegen politische Gegner” (S. 24).
Schieder betont auch, dass die Ideologie für Mussolini weniger handlungsleitend als das Machtverlangen war. Insofern seien die bekannten Worte des Diktators “… unsere Doktrin ist die Tat” (vgl. S. 20) durchaus zutreffend.
Erst nach den Ausführungen zu diesen Aspekten geht der Autor den Weg der klassischen Lebensbeschreibung, wobei die Konzentration auf den Politiker erfolgt und die Privatperson danach kaum noch von Bedeutung ist. Zunächst findet Mussolinis Engagement als sozialistischer Revolutionär ohne feste Ideologie und dessen Erfindung des Faschismus besondere Aufmerksamkeit. Danach beschreibt Schieder die Entwicklung hin zur Machtübernahme und den Übergang in die faschistische Diktatur. Mussolinis Agieren als charismatischer Diktator findet dem folgend besondere Aufmerksamkeit.
Die Ausführungen zu außenpolitischen Fragen konzentrieren sich zum einen auf die imperialistische Kriegspolitik und zum anderen auf das Verhältnis zu NS-Deutschland. Ab Mitte der 1930er Jahre forcierte Mussolini für Schieder eine Radikalisierung des faschistischen Regimes. Und danach steht das Agieren während des Zweiten Weltkrieges mit dem verspäteten Eintritt an der Seite Hitlers bis zur Absetzung und dem Tod im Zentrum des Interesses.
Der Autor erweist sich als guter Kenner der Materie, der auch konkurrierende Deutung aus der Forschung behandelt und kommentiert. So findet man etwa eine kurze aber treffende Kommentierung zu den revisionistischen Umdeutungsversuchen von Renzo De Felices (vgl. S. 116). Schieders Gesamtdeutung lautet: “Mussolini hatte … seinen Aufstieg als Politiker in hohem Maße sich selbst zu verdanken, wozu auch gehörte, dass er stets zur rechten Zeit die richtigen Förderer und politischen Partner zu finden verstand” (S. 9). Diese Einschätzung darf man aber nicht verabsolutieren, würde sie doch gerade die konservativen Unterstützter des Weges in die Diktatur historisch unangemessen politisch entlasten. So treffend die Ausführungen zur Persönlichkeitsstruktur Mussolinis durch den Autor immer wieder sind, so sollten sie nicht zum Ausblenden anderer gesellschaftlicher Faktoren führen. Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes überzeugt seine Deutung einer “Balance zwischen faschistischer Einheitspartei und nationalkonservativen Sympathisanten” (S. 23) schon.
Wolfgang Schieder, Benitio Mussolini, München 2014 (C. H. Beck-Wissen), 128 S., 8,95 Euro