Das schwedische Modell gilt manchen in Deutschland als Vorbild; es hat allerdings viele Schattenseiten. Dort gelten seit 1999 ein Verbot des Sexkaufs und eine Bestrafung der Freier, während der Sexverkauf straffrei bleibt. Eigentlich absurd. Es käme doch auch niemand auf die Idee, den Käufer von Alkohol zu bestrafen, aber gleichzeitig den Verkauf zu erlauben. Zwar ist Prostitution in Schweden nicht mehr so häufig auf der Straße sichtbar, aber die Frauen leben seitdem gefährlicher. Sie werden an unsichere Orte verdrängt, verabreden sich über das Internet. In Schweden hat ein Polizeioffizier deshalb das Recht, eine Überwachung oder Hausdurchsuchung, sogar eine Telefonüberwachung, wenn sie nicht in größerem Ausmaß stattfindet, ohne richterlichen Beschluss durchzuführen. Wollen wir in einem solchen Staat leben? Von einer Verhältnismäßigkeit der Mittel kann wohl kaum gesprochen werden, wenn in Schweden weniger als eine Anklage gegen Freier pro Tag erhoben wird und in den vergangenen Jahren vier Männer für Sexkauf ins Gefängnis mussten. Für einen liberalen Rechtsstaat wie Deutschland ist so etwas glücklicherweise undenkbar.
Auch ein Komplettverbot ist für uns unrealistisch. In China, Saudi-Arabien oder Iran steht auf Prostitution die Todesstrafe. In den Vereinigten Staaten werden jährlich 60 000 Frauen wegen Prostitution verhaftet, diese finden danach keine Arbeit – und gehen weiterhin der gleichen Tätigkeit nach.
Was hilft den Menschen wirklich?
Wenn es allen – wie gern behauptet wird – um die verbesserte Situation der Prostituierten ginge, müsste die Leitfrage für jede vorgeschlagene Maßnahme lauten: “Was hilft den Menschen, die in der Prostitution arbeiten, wirklich?” Dann wären viele populistische Vorschläge, die das eigene Ego beruhigen, sofort vom Tisch. Dennoch besteht ein erheblicher Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Arbeitssituation. Hier hätten die Länder, die bis zur Föderalismusreform für das Gewerberecht zuständig waren, längst handeln müssen. Nun ist der Bund am Zuge. Die schwarz-gelbe Koalition hatte 2013 einen Versuch unternommen – ohne Erfolg.
Jetzt wollen CDU / CSU und SPD die allgemeinen Aussagen im Koalitionsvertrag mit Leben füllen. Über die konkreten Regelungen gibt es allerdings in vielen Punkten Streit. Einigkeit besteht bei der gewerberechtlichen Erlaubnispflicht für Prostitutionsbetriebe mit entsprechenden Auflagen, um unhygienische und unzumutbare Arbeitsbedingungen zu beenden. Dabei muss auch die Zuverlässigkeit der Betreiber geprüft werden, anderenfalls darf es keine Erlaubnis geben. Ähnliches ist bei der Nichteinhaltung vorgeschriebener Auflagen vorzuschreiben. In diesem Fall sollte die Genehmigungsbehörde die Erlaubnis entziehen können und die Einrichtung schließen. Mit diesen Maßnahmen könnten bereits viele Missstände beseitigt werden. Eine Anmeldepflicht für jede einzelne Prostituierte hingegen dient nicht zur Unterscheidung zwischen legaler Prostitution und strafbarer Zwangsprostitution, sondern nur der Kontrolle mit immensen Datenschutzproblemen.
Neben dem Bund sind allerdings auch die Kommunen gefragt. Angesichts ihrer knappen Kassen haben allein in Nordrhein-Westfalen 13 Gemeinden eine Sexsteuer eingeführt und nehmen dadurch 300.000 Euro jährlich ein. Dieses Geld sollten sie in Beratungsstellen stecken, die über die rechtliche Situation, Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten informieren. Unglücklicherweise erleben wir gerade das Gegenteil. So wurde beispielsweise in Dortmund die Finanzierung für ein Projekt gestrichen, das bulgarischen Prostituierten in ihrer Heimatsprache Hilfe angeboten hatte.
Schutz für die Opfer des Menschenhandels
Die von der CDU vorgeschlagene Heraufsetzung des Mindestalters von 18 auf 21 Jahre, “um die stetige Nachfrage nach immer jüngeren Frauen” einzudämmen, entbehrt nicht nur jeder Statistik, sondern ist auch keine sinnvolle Maßnahme. Die jungen Volljährigen würden sicherlich in die Illegalität gehen und keinerlei Schutz genießen. Es dürfen rechtlich keine anderen Maßstäbe an Prostituierte angelegt werden als etwa an Soldatinnen, die mit 18 Jahren sogar ihr Leben in Gefahr bringen können. Auch die von der CSU ins Spiel gebrachten Zwangsuntersuchungen stigmatisieren Menschen, die in der Prostitution arbeiten. Untersuchungen hatten gezeigt, dass das Risiko übertragbarer Krankheiten bei ihnen nicht größer ist als im Durchschnitt der Bevölkerung.
Noch wesentlich mehr uneingeschränkte Hilfe und Unterstützung des Staates als bisher brauchen aber vor allem die Opfer des Menschenhandels. Eine effektivere Verfolgung der Täter ist ebenso unabdingbar, wie den Betroffenen Schutzwohnungen bereitzustellen und das Aufenthaltsrecht unabhängig von der Aussagebereitschaft anzubieten. Italien hat es uns vorgemacht und damit die Zahl der Aussagen gegen Menschenhändler sogar erhöht. Ein Zeugnisverweigerungsrecht für spezialisierte Beratungsstellen hilft den Opfern, Vertrauen aufzubauen und über ihre furchtbaren Erlebnisse zu berichten. Daneben ist es notwendig, den Straftatbestand Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung neu zu fassen, damit die Bestrafung der Täter nicht länger von der Aussage der Opfer abhängt. Denn bisher ist die Rechtlosigkeit der Opfer der beste Täterschutz. An diesem Punkt ist der Staat besonders gefragt.
Nachveröffentlichung von b-republik.de mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
3 Kommentare
Kommentare
Geraldine Kaufmann am Permanenter Link
Das Gesetz zur Prostitution von 2002 hat KEINE positiven, sondern nur negative Auswirkungen für Prostituierte gehabt.
Und auch die Prämisse für das Gesetz, daß Prostitution ein Beruf wie jeder andere sei wird durch ständige Wiederholung nicht wahr.
Prostitution ist kein Beruf, sondern eine Notlösung! 70 % der Prostituierten sind Opfer sexualisierter Gewalt!
Die Tätigkeit an sich ist frauenverachtend!
Und im übrigen bei männlichen Prostituierten männerverachtend. Also insgesamt menschenverachtend.
Prostitution an sich ist Ausbeutung.
Und Schweden ist ein gutes Vorbild. Ich persönlich möchte lieber in einem Land, leben, in dem Prostitution bekämpft wird und in dem Jungs aufwachsen mit dem gesellschaftlichen Bild, daß man sowas einfach nicht tut (zu einer Prostituierten gehen). Jungs in Deutschland hingegen werden in Zukunft sehr viel selbstverständlicher zu Prostituierten gehen. Hure ist ja schließlich ein Beruf wie jeder andere...
Felicitas Schirow am Permanenter Link
Sehr geehrte Frau Kaufmann,
ich wüßte gern, woher Sie ihre Zahlen haben. Außerdem sagen Sie mir doch bitte, woher Sie wissen, aus welcher Motivation heraus sich Menschen prostituieren. Fragen Sie die betroffenen Personen doch mal, ob sie ihre Arbeit als menschenverachtend empfinden und ob sie lieber in Schweden mit der aktuellen Gesetzeslage leben würden. Wenn Sie eine Gesetzeslage wie in Schweden fordern, dann sollten Sie sich einmal diesen Link herunterladen: http://sverigesradio.se/sida/gruppsida.aspx?programid=2108&grupp=2397&artikel=5714983
Zu Ihrer Aussage: "Prostitution ist kein Beruf sondern eine Notlösung" kann ich nur sagen, dass viele Menschen auch in anderen Berufen (oder bei beruflichen Tätigkeiten, wenn Sie so wollen) nicht immer glücklich sind und dass ich das Gefühl habe, dass Sie einfach immer wiederkehrende Phrasen einiger Pseudo-Feministinnen aufgegriffen haben, ohne selbst mal bei den Betroffenen nachgefragt zu haben. Auch unter Prostituierten gibt es Feministinnen. Und die haben ganz klare Aussagen (facebook: "voice4sexworkers" zum Beispie). Nur scheinen Sie diese gänzlich zu ignorieren. Frau Schewe-Gerigk hat eine hervorragende Arbeit für die selbständig arbeitenden Prostituierten geleistet. Das Prost.-G. war nicht als Mittel zur Bekämpfung von Zwangsprostitution gedacht. Eine Frau, die zum Sex gezwungen wird, ist ein Opfer von Gewalt und keine Prostituierte. Wenn Sie sich wirklich ernsthaft umfassend informieren wollen, lesen Sie die Inhalte von Hydra e.V. und Dona Carmen (Juanita Henning), unter anderem mit einem Text, den ich auch heute auf meiner facebook-Seite "PROstitution" veröffentlicht habe. Wenn Sie dann immer noch nicht gemerkt haben, dass sich freiwillig arbeitende Prostituierte durch Menschen, die sich wie Sie äußern, diskriminisiert fühlen, dann müssen wir halt damit leben. Vorurteile begleiten unser Leben und wir müssen oft ein Doppelleben führen, um unsere Familie vor Menschen wie Ihnen zu schützen. Wenn Sie aber ernsthaft Menschen helfen wollen, die Ihre Hife auch benötigen, dann werfen Sie nicht mit wilden Zahlen um sich, sondern gehen mal auf die Seiten des BKA und sehen sich das Bundeslagebild Menschenhandel an. Zu beachten ist hier, dass nicht alle Opfer von Menschenhandel gleichzeitig auch Opfer von Sexueller Ausbeutung sind und dass alle Frauen unter 21, welche in der Prostitution arbeiten, automatisch als Opfer von Menschenhandel eingestuft werden, auch wenn sie vollkommen freiwillig arbeiten. Um effektive Hilfsvorschläge zu erarbeiten, sollte man sich zu allererst einmal über eine ungefähr realistische Zahl von Betroffenen einig sein. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie ihre Energie erstmal darauf verwenden würden anstatt unser Gesetz zu kritisieren und zigtausenden von Menschen damit zu schaden!
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Vielen Dank für diesen Artikel, Frau Schewe-Gerigk. Das Prostitutionsgesetz von 2002 stellt kurz und bündig fest, dass Prostitution nicht sittenwidrig ist. Nicht mehr und nicht weniger.