Lange bevor Friedrich Merz mit Rechtsaußen paktiert hat, haben Menschen mit und ohne Migrationshintergrund ihre Koffer gepackt. Sie wollen Deutschland verlassen. Der Grund: Der Aufstieg der AfD. Unsere Autorin Oranus Mahmoodi fragt sich, ob sie Deutschland lieber auch verlassen sollte. Nicht wegen der AfD, sondern wegen Friedrich Merz und seinem (rechten) "Politikwechsel für Deutschland".
Laut einer Kurzstudie vom September 2024 hat schon ein Viertel der Menschen mit Migrationshintergrund erwogen (zumindest hypothetisch), Deutschland zu verlassen. Sogar jede zehnte Person ohne Migrationshintergrund wollte schon vor fünf Monaten einfach nur weg. Konkrete Auswanderungspläne hatten die Befragten mit Migrationshintergrund zu 9,3 Prozent – also fast ein Zehntel. Das Resümee der Studien-Autor:innen: Es könne für bürgerliche Parteien sinnvoller sein, "sich klar von der AfD und ihren Positionen abzugrenzen, anstatt restriktive, AfD‐nahe politische Inhalte zu übernehmen". Denn die Sorge, die Ausreisewillige umgetrieben hat, war die Frage: "Werden die AfD und ihre Standpunkte zunehmend auch von der breiten Mitte der Gesellschaft akzeptiert?"
"Fritze" will den Rechtsruck
Hätten die Befragten im September schon gewusst, dass Friedrich Merz und seine Union am 29. Januar sehenden Auges und mit Kalkül "das Tor zur Hölle" (Rolf Mützenich, SPD) weit aufreißen würden, wäre die Zahl derer, die es in Betracht ziehen zu verschwinden, wahrscheinlich höher gewesen. Dass Friedrich Merz rechts ist, war schon lange klar, er war im Anden-Pakt, war gegen das Verbot von "Vergewaltigung in der Ehe" und seit er CDU-Vorsitzender ist, kopiert er den AfD-Sprech, Stichwort Sozialtourismus und "kleine Paschas". Es ist wenig verwunderlich, dass "Fritze" sich an die AfD schmiegt. Dass es so schnell ging, noch vor der Wahl und so offensichtlich, ist erstaunlich. Der Schulterschluss mit der teilweise rechtsextremen AfD war kein Zufall oder gar Unfall. Nein, Merz will den Rechtsruck, Gott ist mit ihm (und nicht mit den Kirchen).
Wiederholt sich die deutsche (Nazi-)Geschichte?
Soll ich bleiben und zusehen, wie Friedrich Merz, Jens Spahn und Julia Klöckner das Land "versehentlich" und gemeinsam mit der Alternative für Deutschland (AfD) in den Abgrund führen, in Verarmung, Verrohung und schlimmstenfalls in eine Wiederholung der deutschen (Nazi-)Geschichte? Alle weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen wiederholen sich. "Das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce", ergänzt Karl Marx (MEW, Band 8). Die große Tragödie in Deutschland ist weltberühmt: Weltwirtschaftskrise, Paul von Hindenburg dient als Steigbügelhalter für Adolf Hitler, der mit über 33 Prozent zum Reichskanzler gewählt und dann "der Führer" wird. Es folgen Holocaust, Weltkrieg, ein zerbombtes Europa, die Teilung Deutschlands, Elend und Vertreibung.
Es gehen die Fachkräfte
Was wäre dann die Wiederholung, die Farce? Wird Friedrich Merz der Erfüllungsgehilfe einer Kanzlerin Alice Weidel, die dann "der (lesbische) Führer" wird? Oder ist die weltgeschichtliche Farce, dass der Nationalsozialismus diesmal aus den USA kommt? Wer übernimmt in der Wiederholung die Rolle des Führers? Trump, Musk oder doch Merz? Oder ist es die Farce, dass Deutschland auf Migration angewiesen ist, um wirtschaftlich funktionieren zu können? Was bedeutet es für den Fachkräftemangel, wenn tatsächlich zehn Prozent der Migrant:innen gehen sollten? Denn es sind diejenigen, die wegen ihrer Ausbildung keine Probleme hätten in einem anderen Land Fuß zu fassen. Ich spreche zum Beispiel neben Deutsch noch fünf weitere europäische Sprachen.
Demos: Die Deutschen wollen keine Nazis
Es klingt alles unfair den Deutschen gegenüber, die selbst in den kleinsten Käffern auf die Straße gehen. In Hamburg, Berlin und München sind die Proteste immer größer als erwartet. Die Demonstranten sind keine Antifas, sondern "stinknormale Menschen". Ich, als Hamburgerin, kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, dass die Hamburger Bevölkerung plötzlich rechtsradikal wird. Zumal die freie Hafenstadt schon immer weltoffen war. Die Hamburger:innen sind stolz auf ihre Internationalität. Rassistische und fremdenfeindliche Sprüche habe ich ausschließlich von zugezogenen Schwaben oder Hessen gehört, die weder gewillt sind, sich in Hamburg zu integrieren noch anständiges Deutsch zu sprechen.1 Trotz allem geht mir immer wieder eine Aussage der Leiterin des Mendelssohn-Hauses bei einer Konferenz durch den Kopf. Sie ging auf die Frage ein, warum so viele deutsche Juden Deutschland nicht verlassen haben, obwohl sich der Hass und Zerstörungswillen der NSDAP schon angekündigt hat? "Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, dass ihre deutschen Mitbürger, mit denen sie vielleicht Schulter an Schulter im 1. Weltkrieg im Schützengraben lagen, dazu fähig wären, sowas wie die 'Reichskristallnacht' durchzuziehen".

1 Hinweis der Redaktion: Dieser Satz wurde am 22.02.2025 um 14:15 Uhr ergänzt.
15 Kommentare
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Paul Pfeffer am Permanenter Link
Ich bin gegen Panik und Angstmache angesichts der Entwicklungen. Die ganz große Mehrheit der Deutschen ist (gemäßigt) konservativ.
Wir haben in Deutschland nach den aktuellen Umfragen eine solide Mitte-Rechts-Mehrheit, wenn man die Stimmen von CDU/CSU, FDP und AfD zusammenzählt. Die „Brandmauer“ sorgt aber dafür, dass die CDU/CSU zur Mehrheitsbildung im Parlament auf die SPD und/oder die Grünen angewiesen ist. Das verschafft diesen Parteien eine Garantie für Regierungsbeteiligung, obwohl sie vom Wähler erkennbar für ihre Politik abgestraft worden sind. Folge: Der Schwanz kann mit dem Hund wedeln, weil die kleineren Kolitionspartner in Koalitionsverhandlungen eine überproportional starke Verhandlungsposition – unfreundlicher ausgedrückt Erpressungspotenzial – haben.
Jeder Mensch mit einigermaßen intaktem Menschenverstand kann sich ausmalen, wohin das führt.
Meine Befürchtung: Wenn eine nach den Wahlen wahrscheinliche Mitte-Links-Koalition (z. B. CDU/CSU und SPD) scheitert, wird die AfD bei den darauf folgenden Wahlen so stark, dass sie den Kanzler stellen kann. Ironie der Geschichte: Die „Brandmauer“, die die Rechte zurückdrängen will, bringt sie an die Macht.
Evil Ernie am Permanenter Link
Welche Brandmauer soll das sein, die die Merz neulich schon zerstört hat?
Die "Abstrafung" wird doch erst die kommende Wahl wirklich zeigen. Aber ich befürchte, so wird es wohl kommen.
https://afd-verbot.de/
Paul Pfeffer am Permanenter Link
Merz hat die "Brandmauer" nicht eingerissen, sondern höchstens angekratzt. Er kann es sich (noch) nicht leisten, mit Duldung der AfD eine Mitte-Rechts-Politik zu machen.
Ein AfD-Verbot halte ich für höchst kontraproduktiv. Die Frage ist doch: Warum ist diese Partei in den letzten Jahren so stark geworden? Antwort: Sie ist so stark geworden, nicht weil sie so eine tolle Partei ist, sondern weil die anderen Parteien angesichts der anstehenden Probleme eine so schwache Politik gemacht haben. Sie zu verbieten führt zu Reaktanz und die wiederum dazu, dass der rechte Rand stärker wird.
Das beste Mittel gegen Extremisten von rechts und links ist und bleibt eine pragmatische, am Gemeinwohl orientierte Politik. Die großen Baustellen, die ich hier nicht mehr aufzählen muss, müssen endlich angepackt werden. Ich bin gespannt, ob eine solche Politik nach der Wahl angesteuert wird. Wenn nicht, sehe ich die AfD im Aufwind.
René am Permanenter Link
Es hätte sicher im Verlauf geholfen, die AfD zu "entzaubern", wenn bei entsprechenden Wahlergebnissen tatsächlich mit ihnen koaliert worden wäre.
Paul Pfeffer am Permanenter Link
Leider haben die Parteien auf die AfD gestarrt wie das Kaninchen auf die Schlange. Dann haben sie die Ausgrenzungstaktik gefahren und sind unter die Brandmaurer gegangen.
Zwei Gründe: 1. Merkel hat die SPD kannibalisiert und rechts von der CDU eine Repräsentationslücke aufgemacht, die von der AfD dankbar angenommen worden ist 2. Die Merkelregierung hat in ihren letzten 2 Legislaturperioden die großen Probleme ignoriert, und die Ampel hat diese Versäumnisse nicht korrigieren können, weil sie aus drei Parteien bestand, die nicht zusammenpassten, schon gar nicht im Krisenmodus. Deswegen muss ein Neuanfang her, und zwar aus der bürgerlichen Mitte, zur Not unter Einschluss von AfD-Stimmen. Merz hat ja recht: Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die "Falschen" zustimmen.
Evil Ernie am Permanenter Link
Es hätte sicher nicht geholfen und endete schon einmal eine Katastrophe. Das wäre schlicht der reine Irrsinn. Wie die Partei tickt und was sie vor hat, ist inzwischen hinlänglich bekannt.
René am Permanenter Link
Das Problem ist, dass anscheinend viele Menschen diese Partei demokratisch wählen. Und noch immer kann sie sich geschickt in der Opferrolle wälzen und mehr Frustrierte und Protestler hinzugewinnen.
Gerhard B. am Permanenter Link
Wer aus der Geschichte nichts gelernt hat, ist gezwungen sie zu wiederholen, darum,
wehret den Anfängen bevor es zu spät ist!
Helmut Lambert am Permanenter Link
Die Weimarer Republik ist auch von Linken - Kommunisten kaputt gemacht worden und von Brandmauern!
Petra Pausch am Permanenter Link
Ach was? Haben Sie Geschichte bei Herrn Höcke gelernt oder wie kommen Sie auf solch einen Quatsch?
Heidi Winter am Permanenter Link
"Hitler war Kommunist!" haben wie doch alle von Alice Weidel gelernt! Und glauben ganz fest daran! - Wer hat uns mit der AFD bestraft? Und wofür? Ist das immer noch die "Ursünde"?
Michael Haß am Permanenter Link
Ich kann nur mit dem Kopf schütteln, dass sich auch der HPD dazu hinreißen lässt, beim fröhlichen Merz-Bashing mitzumachen!
Stattdessen lächerliche Unterstellungen, Merz "paktiere" mit der AfD - als wenn inhaltlich richtige Forderungen dadurch ihre Korrektheit einbüßen würden, wenn "die Falschen" sie unterstützen. Was für ein erbärmliches Diskussionsniveau!
Dazu kann ich nur Anna Schneider ("Die Welt") beipflichten: "Die Demokratie ist nicht in Gefahr. Sie wurde nur vom Merkel´schen Konsenskoma befreit!"
Ansonsten gräbt Mahmoodi fleißig "olle Kamellen" aus der Mottenkiste des linken Empörialismus aus (Merz "kleine Paschas" - wobei dem HPD sehr wohl bekannt sein dürfte, in welchem Umfang das Weltbild strengreligiöser muslimischer Eltern sich viel zu oft im schulischen Verhalten ihrer Kinder niederschlägt).
Und zu den Demos "gegen rechts" fällt der Autorin offenbar auch nur ein, die zahlreichen Teilnehmer seien "stinknormale Menschen", anstatt auch kritisch zu fragen, wo denn diese Leute waren/sind, wenn wieder einmal palästinensische Demonstranten israelische Fahnen verbrennen oder gleich ganz offen "Tod den Juden!" skandieren.
Oder das ohrenbetäubende Schweigen innerhalb der linken Blase nach jedem islamistischen Anschlag - hier wäre es doch mehr als naheliegend gewesen, eine "Demo gegen Islamismus" einzufordern - was wir stattdessenn erleben, ist die x-te "Demo gegen rechts", welche eher als kostenlose Wahlkampfhilfe für die AfD fungieren dürfte.
Ganz abgesehen davon, dass bei nicht wenigen dieser wackeren Streiter wider das Vierte Reich offenbar nun auch Merz oder gleich die komplette Union zum "Reich des Bösen" gezählt werden, deren Geschäftsstellen man einfach so beschmieren oder deren Mitarbeiter man bedrohen darf.
Roland Fakler am Permanenter Link
Das Problem ist nicht die Nationalität der Migranten, sondern ihre ideologische Verblendung, das heißt die Einstellung von Leuten aus islamischen und vordemokratischen Kulturen zu unseren freiheitlichen Werten und der
Es wäre dagegen absolut irre, Leute wie sie oder gut integrierte Migranten remigrieren zu wollen. Es gab nie Probleme mit der Integration von Vietnamesen oder EU- Europäern und auf Leute wie Hamed Abdel-Samad, Mina Ahadi, Ahmad Mansour, Nekla Kelek, Seyran Ates… können wir wirklich stolz sein. Sie verteidigen die freiheitlichen Werte besser als mancher Biodeutsche.
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Also das Land verlassen halte ich für keine gute Lösung, wäre es denn überhaupt eine Lösung? Die erste und wichtigste Frage wäre doch: Wohin?
Anfang des vorigen Jahres wurde viel darüber debattiert, ob man die blaue Partei verbietet, man scheute sich, weil das Verbot einer Partei eine sehr heikle Angelegenheit ist. Das brachte nur Adenauer mit der linken Partei, der KPD, fertig. Ratz-Fatz war das Verbot 1956 umgesetzt. Aber ich denke, man könnte einzelne Partei-Mitglieder verklagen, wenn genügend Argumente vorliegen um es (das Mitglied) vor den Richtertisch zu bringen (der Vogelschiss von Gauland wurde wohl nicht ernsthaft verfolgt wegen der Abgeordneten Immunität, aber in meinen Augen hätte er dazu gehört, ihn zu verklagen). Aber eine Immunität ließe sich auch mit guten Gründen aufheben, vor allem, wenn Abgeordnete gegen die freiheitliche Grundordnung ankämpfen und sie in Gefahr bringen.
Petra Pausch am Permanenter Link
Herr Sedgwick; haben Sie daran gedacht, dass die Autorin aus Afghanistan stammt und im Falle eines Falles nicht freiwillig das Land verlassen würde. Sondern müsste.