Was bedeutet das Wahlergebnis für säkulare Anliegen?

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Das Reichstagsgebäude in Berlin, Sitz des Deutschen Bundestages
Dunkle Wolken über dem Reichstagsgebäude

Der neue Bundestag steht fest. Laut vorläufigem Ergebnis ist die Union mit 28,5 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, es folgt die AfD mit 20,8, die SPD kommt auf nur noch 16,4 Prozent der abgegebenen Stimmen, die Grünen auf 11,6 und die Die Linke auf 8,8. Wie schätzen säkulare Verbände dieses Ergebnis ein? Der hpd hat sich umgehört.

"Keine der etablierten Parteien hat in ihrem Programm auf säkulare Themen gesetzt", stellt der Erste Vorsitzende des Internationalen Bunds der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) Rainer Ponitka fest. Er blickt pessimistisch auf die kommende Legislatur: "Der Wahlsieg der Union wird es nach meiner Ansicht in den nächsten Jahren noch schwieriger machen, das berechtigte Anliegen der Trennung von Staat und Religion in der Politik zu thematisieren."

Auch Florian Chefai zeigt sich besorgt. Er ist Leiter des Hans-Albert-Instituts, das von der Giordano-Bruno-Stiftung getragen wird und sich für eine kritisch-rationale Politik einsetzt. "Mit der Koalition aus CDU und SPD unter Friedrich Merz ist aus säkularer Perspektive ein politischer Stillstand zu befürchten. Besonders die Trennung von Religion und Staat wird weiterhin blockiert, was die notwendige Modernisierung des Rechtsstaates erschwert." Weltanschaulich bedingte Blockaden könnten Fortschritte in der Bioethik und der reproduktiven Selbstbestimmung erschweren, so Chefai, außerdem drohten wichtige Reformen zu Sterbehilfe und Schwangerschaftsabbrüchen an überholten religiösen Moralvorstellungen zu scheitern. "Deutschland braucht eine kritisch-rationale Politik, die sich an Fakten und individuellen Selbstbestimmungsrechten orientiert und der konfessionsfreien Mehrheit der Bevölkerung Rechnung trägt."

"Der große Gewinner der Bundestagswahl ist die AfD, die über 20 Prozent der abgegebenen Stimmen erreicht hat. Das ist eine schwere Bürde für die demokratische Entwicklung in Deutschland", konstatiert der Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Bayern, Frank Riegler. Er befürchtet, dass eine von der CDU/CSU geführte Bundesregierung säkulare Themen ausblenden werde. Reformen zum "Gotteslästerungsparagrafen" 166 oder dem kirchlichen Sonderweg beim Arbeitsrecht werden ausbleiben, vermutet er, und der Umweltschutz werde wieder stärker wirtschaftlichen Interessen geopfert. "Als säkulare Organisation werden wir aber unbeirrt unseren Einsatz für die Verwirklichung der Menschenrechte im Sinne der Charta der Vereinten Nationen fortsetzen", betont Riegler.

Philipp Möller, der Vorsitzende des Zentralrats der Konfessionsfreien, mahnt mit Blick auf das starke Abschneiden der AfD: "Für die künftige Bundesregierung sehen wir sowohl die Chance als auch die Pflicht, bis zur nächsten Bundestagswahl die nötige Vollbremsung in der Polarisierung hinzulegen." Er sieht einen Grund dafür auch in der bisher mangelnden Umsetzung der Trennung von Staat und Religion: "Deutschland will säkulare Politik und braucht sie auch, denn die kirchenfreundliche Politik von Union und SPD ist auch dem Politischen Islam zugute gekommen und hat dadurch den Rechtsextremismus gestärkt." Was aus seiner Sicht nun zu tun ist: "Um das Vertrauen der Bevölkerung in die politische Mitte wiederherzustellen und die Probleme in der Islam- und Integrationspolitik zu lösen, braucht Deutschland eine religionspolitische Zeitenwende."

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