Kommentar zum Bahnstreik

Alle Räder stehen still…

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unbefahrene Gleise
unbefahrene Gleise

BERLIN. (hpd) Die kleine Lokführergewerkschaft GDL streikt. Auf Deutschlands Schienen bewegt sich kaum noch etwas. Doch anders als bei vorherigen Streiks halten sich Bürger- und Medienschelte in Grenzen. Was ist anders als noch vor zwei Wochen?

Dieses Mal haben nicht Gewerkschaften den Hahn überdreht, sondern die sozialdemokratische Arbeitsministerin Andrea Nahles. Ihr Versuch, kleine Gewerkschaften zu entmachten, das Streikrechte sowie die Tarifautonomie der Gewerkschaften auszuhebeln, wird nicht nur August Bebel in seinem Grab zum Rotieren gebracht haben. Der Wind, den das verursachte, bläst der Ministerin jetzt heftig ins Gesicht.

Nahles hat das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollte: selbst die Arbeitnehmer in der CDU - die Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) - kommen nun auf regelrecht kommunistische Gedanken. Der Bundesvize der CDA, der CDU-Politiker Christian Bäumler, sprach sich gegenüber dem Handelsblatt - das auch jeglicher revolutionärer Ideen unverdächtig sein dürfte - dafür aus, die Bahn wieder zu verstaatlichen. “Die Deutsche Bahn sollte in eine Bundesagentur für Mobilität umgewandelt und die Lokführer verbeamtet werden” fordert er dort.

Früher war ja sowieso alles besser, damals, als die Post noch Beamte hatte und die Bahn. Dem schließt sich auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, an. Er sieht einen der Gründe für die aktuelle Eskalation im Bahnkonflikt in der Privatisierung der Bahn: “Es waren Politiker, die entschieden haben, dass der Bahnverkehr privatisiert und somit in die Spielregeln der Tarifauseinandersetzung entlassen wird.” Das allerdings wird man Frau Nahles nicht anlasten können.

Doch man wundert sich, wenn man die Medien verfolgt. Zum Beispiel n-tv. Dort wurde noch am 28. Oktober der Nahles-Vorschlag recht freundlich kommentiert. Und heute heißt es zwar: “Wut über Lokführer-Streik”, aber auch, dass es nicht die GDL ist, die den Konflikt verschärft hat. Dass ich so etwas bei n-tv noch einmal lesen darf: “Dabei erledigt die GDL mit Mut und Konsequenz ihre Aufgabe: Sie vertritt die Interessen ihrer Mitglieder. Und das sind eben nicht nur Lokführer. Und so sehr es die Reisenden schmerzt: Was die GDL tut, ist aus gewerkschaftlicher Sicht vorbildlich. Und ihr Chef ist kein ‘Amok-Läufer’, wie ihn die Bahn nennt oder ein ‘Größen-Bahnsinniger’, wie in den Worten der ‘Bild’-Zeitung, sondern ein Mann, der seiner Linie treu bleibt und der von einem Grundrecht, dem Recht auf Streik, Gebrauch macht.”

Kann sein, dass sich die GDL noch an ihre sozialdemokratischen Wurzeln erinnert: sie wurde bereits im Jahr 1919 gegründet; kennt also noch ganz andere Kämpfe. Und die GDL war es, die sich seinerzeit gegen die Privatisierung der Bundesbahn durch den heutigen Flughafenverhinderer Mehdorn wehrte. Im Gegensatz übrigens zu der größeren Gewerkschaft Transnet, die sich damals für Posten und Pöstchen verkauft hat.

Die ZEIT gar erhöht den GDL-Chef zu einem Vorbild und fordert einen Orden für ihn, weil er sich gegen jegliche Medienschelte für ein demokratisches Grundrecht einsetzt. Ist es vielleicht das, was Frau Nahles wollte: eine Stärkung des Streikrechts, mehr Sozialdemokratie, die diesen Namen wert ist?
Dann war das ein äußerst gelungener Schachzug von ihr; das wäre dann die ganz hohe Kunst der Politik.

Denn welche Macht die haben, die die Räder in Bewegung setzen - auf denen zum Beispiel auch Züge rollen - wusste schon im Jahr 1863 Georg Herwegh, als er das “Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein” schrieb (der übrigens Vorgänger der SPD war, Frau Nahles!): “Mann der Arbeit, aufgewacht! / Und erkenne deine Macht! / Alle Räder stehen still. / Wenn dein starker Arm es will.”

Eine andere Sparte mit vermutlich ebenfalls schlecht bezahlten Mitarbeitern aber freut sich: die Fernbus-Unternehmer. Nach Bekanntwerden der Streikpläne schossen die Kosten für die Tickets innerhalb einer halben Stunde auf das Dreifache hoch. Wat dem eenen sin Uhl…