Der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins hat entscheidende Ideen und Anregungen in die Evolutionsbiologie der letzten Jahrzehnte eingebracht. In wieweit sind die Dawkin’schen Konzepte in Ihrer Neuauflage berücksichtigt worden?
Richard Dawkins hat über seine exzellenten Bücher, Vorträge, Interviews usw. entscheidend zur Popularisierung der auf Darwins Theorien basierenden Evolutionswissenschaften beigetragen. Im Lehrbuch bin ich wiederholt auf seine Thesen eingegangen, und konnte nachweisen, dass das Konzept des "egoistischen Gens" bereits in den Schriften von August Weismann (1834–1914), dem Urvater der Neodarwin’schen Theorie, niedergelegt ist. Dieser Befund schmälert in keinster Weise die enormen Verdienste von Dawkins, der, als Schlüsselfigur der modernen Evo-Bewegung, grundlegende Aufklärungsarbeit leistet.
Sie sind auch an der Stanford University, Kalifornien, tätig und dadurch regelmäßig in den USA. Sehen Sie einen Unterschied zwischen den deutschen und amerikanischen Bekenntnisschulen?
Wie unsere Web-Seite zeigt, kooperieren wir seit Jahren mit dem US-National Center for Science Education in Oakland, Kalifornien. Das NCSE ist im stetigen Streit mit amerikanischen Kreationisten, die an christlichen Bekenntnisschulen versuchen, ihre biblischen Dogmen im Biounterricht zu verankern. Hier in Deutschland verläuft diese Indoktrination Heranwachsender mit der Billigung unserer Ministerien: Meine Bemühungen, dieses Problem öffentlichkeitswirksam anzugehen, haben bisher nur geringe Wirkung gezeigt. Wir sollten über die Richard Dawkins-Foundation einen neuen Versuch starten, denn der Namensgeber dieser Stiftung hat in England diesbezüglich Erfolge erzielt, von denen wir hier nur träumen können (Stornierung staatlicher Mittel bei kreationistischer Indoktrination an britischen Privatschulen).
Sie sind im Beirat der Giordano Bruno Stiftung (gbs), der Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung. Für wie wichtig halten Sie das geplante Projekt "EvoKids" – Evolutionslehre für den Sachunterricht an Grundschulen?
Auf der EvoKids-Gründungsveranstaltung in Gießen habe ich einen Vortrag gehalten und im Detail dargelegt, wie bedeutsam diese Aktion ist. Leider werden in Deutschland unsere Schulkinder zunächst christlich-religiös geprägt, über das Einimpfen biblischer Wundergeschichten im staatlichen Religionsunterricht. Viel später kommen sie dann erst mit der Tatsache der Evolution, von den Lehrern in der Regel als “Darwin’sche Theorie” vermittelt, in Kontakt. Das muss sich ändern.
Den Grundschulpädagogen sollen auf einer Webseite Arbeitsmaterialien zur Verfügung gestellt werden, sind auch von Ihrer Seite Aktivitäten geplant?
Didaktisch aufbereitetes Material ist für die EvoKids-Kampagne wichtig, aber solide, auf dem aktuellen Wissensstand basierende Sachinformationen für Lehrende stehen an erster Stelle. Mit der Neuauflage meines Lehrbuchs 2015, sowie dem ergänzenden Online-Zusatzmaterial (YouTube-Kanal www.youtube.com/user/evolutionsbiologenDE) hoffe ich, auch Grundschulpädagogen eine fundierte Basis für ihre Evo-Unterrichtungen geliefert zu haben: Man kann nur das kompetent vermitteln, was man inhaltlich verstanden hat; das Faktenwissen ist die Grundlage aller erfolgreicher Lehrtätigkeit.
Warum ist das Thema Evolution für unser Weltverständnis so bedeutsam?
Im letzten Kapitel meines Lehrbuchs Evolutionsbiologie 2015 bin ich auf diese Frage im Detail eingegangen. Nur durch eine "Gott-lose" evolutionäre Weltsicht, mit Blick in die Vergangenheit und die Zukunft, können die Menschheitsprobleme, wie z. B. Umweltzerstörung, Nahrungsknappheit, Verhinderung von Kriegen usw. gelöst werden. Beten zum biblischen Designer-Gott kann möglicherweise religiösen Menschen subjektiv Erleichterung verschaffen, aber unsere anstehenden Probleme müssen logisch-rational und auf aktuellem Wissen basierend gelöst werden – Evolution ist das Generalthema aller Naturwissenschaften, und das ist eine Kern-These meines "Schlammspringer-Lehrbuchs" 2015.
Prof. Dr. Kutschera ich bedanke mich für das Interview.
Das Interview führte Ramona Wagner für die Richard Dawkins Foundation, der hpd dankt für das Recht auf Nachveröffentlichung.
3 Kommentare
Kommentare
Rainer Bolz am Permanenter Link
ich wiederhole: Wir werden in absehbarer Zeit erfolgreich die Geheimnisse der Schöpfung weiter und weiter entschlüsseln.
Kein Gott heißt auch keine Religionskriege mehr, weniger Terrorismus und billigere Flüge ohne Nacktscanner, sowie Kreuzfahrtschiffe ohne Riesenzäune drumherum.
Detailliertes wissenschaftliches Wissen läßt religiöse Überzeugungen haltlos werden, diese Kenntnis machen es jedem ausgeglichenen Intellekt unmöglich an die buchstäbliche Wahrheit jedes Bibelteils zu glauben, - in dem Maße - in dem es Fundamentalisten tun.
Thomas F. am Permanenter Link
Es wird immer ungebildete Menschen geben und immer Verführer, die sie ausnutzen.
Dr. Klaus Rogge... am Permanenter Link
Googlen Sie bitte > Gott ist unbeweisbar wahr < oder > Gott und die Vollkommenheit der Wahrheit in de.sci.philosophie <
Logisch kann es nur einen Gott, eine `Vollkommenheit der Wahrheit und deren Logik geben...Der Atheismus erübrigt sich trotzdem nicht, weil der Mißbrauch der Gläubigkeiten ebenfalls wahr und wirksam ist und entschärft werden muß, wenn die Glaubenskämpfe ein Ende finden sollen.