Rezension

Antisemitismus als Grundlage für das Feindbild Israel – eine Streitschrift

BONN. (hpd) Die beiden Journalisten Georg M. Hafner und Esther Schapira gehen in ihrem Buch "Israel ist an allem Schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wird" davon aus, dass hinter einer einseitigen "Israelkritik" ein kaum verborgener Antisemitismus auszumachen sei. Die beiden Autoren können für ihre Auffassung eine Fülle von Belegen präsentieren, neigen aber in ihrer erklärten Einseitigkeit zu Pauschalisierungen und Überspitzungen – was aber eine erkenntnisfördernde kritische Beschäftigung mit ihren Deutungen nicht ausschließen sollten.

Im Sommer 2014 kam es zu Demonstrationen gegen die Militärpolitik Israels gegenüber den Palästinensern, wobei auf deutschen Straßen antisemitische Sprüche wie "Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein" geschrieen wurden. Meist handelte es sich bei den Akteuren um arabischstämmige Jugendliche. In ihrer Agitation wurde die Kombination von Israel- und Judenhass deutlich, welche aber auch in der deutschen Mehrheitskultur ausgemacht werden kann.

Der Antisemitismus der Gegenwart tarnt sich häufig genug im Gewand der Israelkritik. Damit einher geht eine Einschätzung des Nahostkonflikts nach dem Motto: "Israel ist an allem schuld". So lautet auch der – ohne distanzierende Anführungszeichen geschriebene – Haupttitel eines Buches, das die TV-Journalisten Georg M. Hafner und Esther Schapira mit dem Untertitel "Warum der Judenstaat so gehasst wird" veröffentlichten. Sie setzen sich darin mit dem Feindbild Israel auseinander, welches auf die Existenz fortbestehender Judenfeindschaft zurückgeführt wird.

Cover

So heißt es auch gleich zu Beginn: "Der moderne Antisemit schlüpft in das Gewand des Antizionismus und stellt sich dumm" (S. 23). Die Autoren verstehen ihr Buch dezidiert als "Streitschrift" (S. 28) und nicht als wissenschaftliche Abhandlung. Insofern bemühen sie sich in ihrer erklärten Parteinahme für Israel (vgl. S. 301) auch nicht um eine differenzierte Sicht. Dies sollte indessen nicht ein Ausblenden der präsentierten Sachargumente motivieren, denn mit ihrer pro-israelischen Einseitigkeit beklagen Hafner und Schapira die anti-israelische Einseitigkeit der Anderen. Bereits am Beginn der Abhandlung erwähnen die Autoren, dass bei israelischen Angriffen auch immer wieder palästinensische Kinder ums Leben kommen. Dies löst nach einer Berichterstattung in den Medien besondere Empörung in Deutschland und anderen westlichen Ländern aus. Indessen kamen und kommen auch palästinensische Kinder durch arabische bzw. palästinensische Verantwortliche ums Leben. Doch dann kommt es nicht zu Demonstrationen und Empörung, Unterschriftenlisten und Verurteilungen.

"Ist es also vielleicht weniger das Mitleid mit den palästinensischen Kindern", so fragen Hafner und Schapira, "als das Ressentiment gegen den Judenstaat, das so viele Menschen auf die Straße treibt?" (S. 32). In der Tat wäre das besondere Ausmaß von Ablehnung und Protest erklärungsbedürftig. Es scheint seinen Grund in einem negativen Bild von Israel zu finden. Die Autoren machen in den folgenden Kapitel auf eine Fülle von derartigen Einseitigkeiten aufmerksam und sehen darin immer judenfeindliche Motive. So geht es etwa um die Rolle der Medien, wobei anhand von Karikaturen die Präsenz antisemitischer Stereotype aufgezeigt wird. Kommentierend heißt es: "Meist geht es nicht um die Gegenwart im Nahen Osten, sondern um die deutsche Vergangenheit. Die Dämonisierung Israels hilft, den Dämon des Holocaust zu besiegen." Und weiter: "Gerade die sensiblen Deutschen, die den Holocaust nicht ausblenden, die innerlich verzweifelt sind, ob der eigenen Schuld oder der Grausamkeit der eigenen Vorfahren, sind besonders anfällig für diesen Abwehrreflex" (S. 246).

Haffner und Schapira können eine Fülle von Belegen für eine einseitige Deutung Israels mit falschen Maßstäben präsentieren. Davon sind sicherlich nicht wenige letztendlich antisemitisch motiviert, aber dies muss eben nicht immer so sein. Die Autoren neigen hier auch zu Dramatisierung und Pauschalisierung, so findet man Sätze wie: "Hinter dem Dreigestirn Walser, Grass und Augstein können die klugen Antisemiten getrost aus der Deckung kommen. sie haben den Weg frei geschrieben, jetzt darf jeder mal" (S. 189).

Gerade bei der Ableitung der Einseitigkeit aus der Judenfeindschaft fehlt es mitunter aber an den Begründungen. Manchmal können sie ganz einfach präsentiert werden, wie etwa bezogen auf einen Molotowcocktail-Wurf auf eine Synagoge. So heißt es hier: "Wenn der Staat Israel gemeint sein soll, warum schleudert ein Palästinenser seinen Brandsatz dann nicht gegen die israelische Botschaft, sondern gegen ein jüdisches Gotteshaus?" (S. 86). Bei allen Einseitigkeiten verdient das Buch demnach sehr wohl kritische Reflexionen.
 


Georg M. Hafner/Esther Schapira, Israel ist an allem Schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wird, Köln 2015 (Eichborn-Verlag), 317 S., 19,99 Euro