Über die Entdeckung von Meerestieren

Der See-Pferdflüsterer

ein_maennliches_seepferd_bei_der_geburt_seiner_jungen.jpg

Ein männliches Seepferd bei der Geburt seiner Jungen
Ein männliches Seepferd bei der Geburt seiner Jungen

hippocampus_hippocampus_als_erste_art_vom_vater_der_nomenklatur_carl_von_linne_1758_aus_dem_mittelmeer_beschrieben.jpg

Hippocampus hippocampus, als erste Art vom Vater der Nomenklatur, Carl von Linné, 1758 aus dem Mittelmeer beschrieben
Hippocampus hippocampus,  als erste Art vom Vater der Nomenklatur, Carl von Linné, 1758 aus dem Mittelmeer beschrieben

dies_weibliche_pygmaeenseepferd_h.debelius_lebt_in_einer_gorgonie.jpg

Dies weibliche Pygmäenseepferd H.debelius lebt in einer Gorgonie
Dies weibliche Pygmäenseepferd H.debelius lebt in einer Gorgonie

hippocampus_debelius_maennlich.jpg

Hippocampus debelius, männlich
Hippocampus debelius, männlich

hippocampus_debelius_weiblich.jpg

Hippocampus debelius, weiblich
Hippocampus debelius, weiblich

korallen-zwergseepferdchen_h._debelius_mit_seinen_typischen_stacheln.jpg

Korallen-Zwergseepferdchen H. debelius, mit seinen typischen Stacheln
Korallen-Zwergseepferdchen H. debelius, mit seinen typischen Stacheln

ein_winzling_im_weiten_ozean.jpg

Ein Winzling im weiten Ozean
Ein Winzling im weiten Ozean

hippocampus_denise_1.5_cm_in_ganz_suedostasien_beheimatet.jpg

Hippocampus denise, 1.5 cm, in ganz Südostasien beheimatet
Hippocampus denise, 1.5 cm, in ganz Südostasien beheimatet

hippocampus_jayakari_in_einer_seegraswiese_im_roten_meer.jpg

Hippocampus jayakari in einer Seegraswiese im Roten Meer
Hippocampus jayakari in einer Seegraswiese im Roten Meer

hippocampus_waleananus_paerchen_aus_indonesien.jpg

Hippocampus waleananus, Pärchen aus Indonesien
Hippocampus waleananus, Pärchen aus Indonesien

pygmaeenseepferd_h._debelius_hier_etwa_1.5_cm_passt_sich_farblich_an_eine_hydrozoe_an.jpg

Pygmäenseepferd, H. debelius, hier etwa 1.5 cm, paßt sich farblich an eine Hydrozoe an
Pygmäenseepferd, H. debelius, hier etwa 1.5 cm, paßt sich farblich an eine Hydrozoe an

seegras-geisterpfeifenfisch_solenostomus_cyanopterus_im_roten_meer.jpg

Seegras-Geisterpfeifenfisch Solenostomus cyanopterus im Roten Meer
Seegras-Geisterpfeifenfisch Solenostomus cyanopterus im Roten Meer

perfekt_seinem_wirt_angepasst_hippocampus_bargibanti_vor_papua_niugini.jpg

Perfekt seinem Wirt angepaßt, Hippocampus bargibanti vor Papua Niugini
Perfekt seinem Wirt angepaßt, Hippocampus bargibanti vor Papua Niugini

der_blaue_mauritius-zwergkaiserfisch.jpg

Der blaue Mauritius-Zwergkaiserfisch
Der blaue Mauritius-Zwergkaiserfisch

NEU-BAMBERG. (hpd) Für viele ist er schlichtweg der "Vater der Fische". Seine vielen, maritimen Bestimmungsbücher erschienen weltweit in zehn Sprachen. Hier erzählt Helmut Debelius die Geschichte von der Entdeckung des Pygmäen-Seepferdchens, das nun seinen Namen trägt. In einem seiner weiteren Unterwasser-Erlebnisse findet er für die "schönste" Korallenfischfamilie, die der Kaiserfische, auf abenteuerlich Weise eine neue Art.

Wenn man so will, bin ich im Roten Meer "groß" geworden. Das heißt, ich habe nach meiner Tauchausbildung im Mittelmeer hunderte tropischer Tauchgänge ab Mitte der Siebziger Jahre im Roten Meer gemacht. Und zwar die ersten – wie damals üblich – nicht am Sinai, sondern auf einer expeditionsartigen Schiffsreise von Dschibouti aus in das südliche Rote Meer zur Bab-El-Mandeb, dem "Tor der Tränen". Zwei erinnerungswürdige Momentaufnahmen sind von dieser Reise verblieben: Ich sah im Golf von Tadjoura meinen ersten Walhai und bewunderte beim selben Tauchgang heimwärts zum Schiff in einer Seegraswiese erstmals ein Dorniges Seepferdchen (Hippocampus jayakari) mit seiner putzigen Schwimmweise. Welch ein Kontrast!

Als ich dann 1977 beruflich die Chance bekam, für ein Jahr entweder nach Zentralafrika oder nach Jordanien zu gehen, war die Entscheidung schnell getroffen. Jetzt sollte ich meinem Wunsch näher kommen, mich im Golf von Aqaba intensiver mit den Tieren im Roten Meer zu beschäftigen. Damals lebte ich in Amman und fuhr alle drei Wochen für einige Tage mit eigener Tauchausrüstung runter nach Aqaba und erkundete die 40 Kilometer lange Küstenlinie von Jordanien. Um zu lernen, was sich nachts an Korallen und in Seegraswiesen abspielt, ging ich manchmal zu jeder vollen Stunde rund um die Uhr ins Wasser. Dabei passierte während eines Tauchgangs um zwei Uhr morgens folgendes: Ziemlich durchfroren schwimme ich über eine Seegraswiese zum Ufer zurück. Der Film ist fast voll, aber was ist das im Scheinwerferstrahl? Seit wann kann ein Seegrasblatt schwimmen? Weg ist es. Und dann sehe ich nach zwei Minuten eifriger Suche dieses "Blatt" wieder, um einige Meter versetzt, wie es dicht über der Wiese kleinen pelagischen Mysiiden (Schwebegarnelen) nachstellt. Der Fisch hat ein langes, röhrenförmiges Maul und gleicht in seiner grünen Farbe perfekt einem der Seegrasblätter. In den vorhandenen Bestimmungsbüchern ist nichts über ihn zu finden. Zwei Aufnahmen gelingen, und mein Lehrmeister, der Meeresbiologe Jack Randall vom Bishop-Museum in Hawaii, gratuliert mir, dass ich erstmals den Geisterpfeifenfisch Solenostomus cyanopterus im Roten Meer nachgewiesen habe.

Der See-Pferdflüsterer
Der See-Pferdflüsterer

Zwei Jahre später mache ich die wohl eindruckvollsten meiner Rotmeer-Tauchgänge an den Riffen vor Port Sudan und Suakin. Dabei habe ich viele Seenadeln, aber auch weitere Geisterpfeifenfische des Roten Meeres kennengelernt. In Vorbereitung auf einen neuen "Riff-Führer Rotes Meer" suche ich in den folgenden Jahren auch intensiv nach Seepferdchen im Roten Meer. Und staune gewaltig, als ich 1995 am südlichen Sinai (Ägypten) beim Auftauchen ein winziges Seepferdchen in einer Weichkoralle entdecke. Perfekt in Farbe und Körperform seinem Wirtstier angepasst. Ich muss aus Luftmangel nach oben, und das etwa drei Zentimeter lange, rötlich gestreifte Seepferd wieselt nach unten weg, als ich ihm zu nahe komme. Es gibt ja nicht viele Seepferd-Arten im Roten Meer, und ich habe sie alle bereits auf dem Film: Hippocampus fuscus, Hippocampus suezensis und natürlich die häufigste Art Hippocampus jayakari. Aber wer ist dieser 3-cm-Winzling mit typischen, für seine Körpergröße sehr langen Stacheln auf Kopf und Rücken? Ich suche verzweifelt nach ihm für den Rest dieser Reise, überprüfe jede Weichkoralle, aber das Tierchen ist nicht mehr zu finden. Durch diverse Buchproduktionen in den nächsten Jahren komme ich nicht wieder ans Rote Meer, aber ein befreundeter Fotograf schickt mir für das anstehende Bestimmungsbuch für Rotmeerfische noch bessere Fotos als meine zu. Er hat dieses Zwerg-Seepferdchen bereits 1993 in der Marsa Bareika in nur 17 Metern Tiefe gefunden – auch in einer roten Weichkoralle.

In der Fischsammlung meines "Heimat-Museums" Senckenberg in Frankfurt suchte ich damals intensiv nach einem Namen für das Tierchen. Mit dem Kurator für Fische war ich einig, dass es im gut erforschten Roten Meer kein unbekanntes Seepferd mehr geben könne. So blieb nur Hippocampus lichtensteinii übrig, das der Forscher Kaup "aus dem Roten Meer" ohne weitere Angaben beschrieben hatte. Diesen Namen benutzte ich 1998 in meinem neuen Riff-Führer Rotes Meer. Aber wir lagen alle falsch!

Der australische Meeresbiologe Rudie Kuiter brachte mich 2001 auf die richtige Spur: Der im 19. Jahrhundert am Senckenberg-Institut arbeitende deutsche Ichthyologe Kaup hatte 1856 zur gleichen Zeit Seepferdchen aus Japan und aus dem Roten Meer vorgelegt bekommen. Bei seinen Bestimmungen muss es zu einer Verwechslung gekommen sein, denn Hippocampus lichtensteinii stammt augenscheinlich aus japanischen Gewässern. Rudie bat mich, für eine Neubeschreibung des Weichkorallen-Seepferdchens, das in keiner wissenschaftlichen Sammlung zu finden war, neue Fotos zu besorgen und ein Tier für wissenschaftliche Untersuchungen aus dem Roten Meer zu fangen. Ich verbrachte danach wegen anderer Buchverpflichtungen nur noch einen Monat am Sinai, konnte trotz großer Mühen das Zwerg-Seepferdchen nicht mehr finden!

Kuiter begann 2008 mit der Arbeit an der Revision seines Buches "Seahorses and their relatives", und da musste eine neue Strategie her: Ich informierte meine Freunde von einem großen Unterwassermagazin über die "Fahndung" nach Fotos des Weichkorallen-Seepferdchens. Die Meldung auf www.unterwasser.de zeigte endlich Wirkung: Aus Hurghada meldeten sich Tauchlehrer Sven Kahlbrock, der das "lichtensteinii"-Seepferd aus meinem Riffführer gut kannte. Allerdings sprach Sven davon, er habe hunderte von Tauchgängen gebraucht, um es zu finden, zumeist in "gefährlichen" Tiefen unter 40 m. Völlig sprachlos war ich, als er seine großartigen Seepferd-Fotos per e-Mail übersandten und mir viele interessante Hinweise zum Verhalten der Winzlinge gab. Inzwischen hatte mir die Filmerin Darja Tjioe ein Video vom Wrack der Rosalie Moller nahe Hurghada geschickt, auf dem das gesuchte Zwergseepferd, als weiße Hydrozoe getarnt, in der Strömung nach Plankton haschte. Später traf ich Sven zur Durchsicht seiner gesamten Unterwasser-Fotos in Deutschland, und er war zuversichtlich, für wissenschaftliche Zwecke ein Weichkorallen-Seepferdchen fangen zu können.

Frühjahr und Sommer 2008 vergingen ergebnislos. Der Tauchlehrer tauchte jede freie Minute nach dem Winzling, aber er blieb verschwunden. Ich mache eine Luftsprung, als ich am 25. September 2008 eine SMS von Sven erhalte. Gerade hat er ein Zwerg-Seepferdchen gefangen und wohlpräpariert nach Deutschland gesandt. Die australischen Seepferd-Experten Martin Gomon und Rudie Kuiter arbeiten an einer Abhandlung über neue Zwerg-Seepferdchen, als sie “meinen” Rotmeer-Zwerg erhalten. DNA-Untersuchungen und Röntgenaufnahmen zeigen, dass die indonesischen Zwergseepferdchen (H.bargibanti, H. pontohi, H. waleananus) nicht mit dem Winzling von 3 cm Größe aus dem Roten Meer verwandt sind. Letzteres ist zweifelsfrei eine neue Art und wird noch im Januar 2009 nach mir benannt: Hippocampus debelius.

Der Blaue Mauritius

Obwohl als Ferienziel von Badeurlaubern rund ums Jahr sehr geschätzt, fand ich wenig Positives über das Tauchen um Mauritius geschrieben. Und wenn jemand von seinen Tauchgängen — wie in der Fremdenverkehrswerbung des Landes — überschwänglich erzählte, bekam man beim Anblick der Fotos zum Bericht einen Schrecken: Wie so oft klafften Wort und Bild meilenweit auseinander. Bevor ich aber den Urteilen anderer vertraue, verschaffe ich mir lieber selbst einen Eindruck. Und so reiste ich 1988 zum ersten Mal in den südlichen Indischen Ozean.

In Flic en Flac, einem Fischerdorf an der Westküste, machte ich eine ungewöhnliche Bekanntschaft: Daniel Pelicier. Er lebt vom Fischfang, sei es für den Fischmarkt, sei es für den Export tropischer Zierfische. Während meines Besuches ist Daniel gerade von einem südafrikanischen Haiforscher engagiert worden, der unbedingt einen mauritianischen Hai untersuchen will. Tot oder lebendig ist ihm egal und Daniel schlägt dazu einen Haken mit Köderfisch an einer Langleine vor. Mir wird aufgetragen, die Konstruktion in etwa 50 m Tiefe an einer steil abfallenden Riffwand zu befestigen. Gesagt, getan. Doch was ist das im Augenwinkel?

Endlich im Netz des Autors in 52 m Tiefe, der unbekannte Zwergkaiser, Foto: © Archiv Debelius
Endlich im Netz des Autors in 52 m Tiefe, der unbekannte Zwergkaiser, Foto: © Archiv Debelius

Mit dem Entfernungsknopf bewege ich die 100er Makrolinse näher und näher. Ich wage kaum zu atmen. Das Gesicht eines Zwergkaiserfisches mit den Dornen am Kiemendeckel ist mir seit Jahren vertraut, doch dieses tiefblaue Farbkleid habe ich noch nie gesehen. Es ist ziemlich düster in dieser Tiefe und ich habe Schwierigkeiten, den quirligen algenzupfenden, mir unbekannten Zwergkaiser zu focussieren. Doch genau in dem Moment, als der Fisch von etwa 10 cm Länge zur Kamera schaut, drücke ich ab. Mit dem Blitz ist der Fisch verschwunden! Ich lauere noch einige Sekunden lang und hoffe innigst, dass er nochmal aus seinem genau 48 m tiefen Versteck hervorkommt, da erinnert mich ein Piepsen des Tauchcomputers an bevorstehende Deko-Probleme. Ich folge der Vernunft, nicht dem Jagdtrieb. Zufrieden und mit nur noch geringer Restluft in der Flasche tauche ich langsam auf. Dieses eine Foto ist zwar nicht berauschend, aber es reicht für die Pomacanthiden-Experten aus, meinen Verdacht auf einen der Wissenschaft bislang unbekannten Kaiserfisch der Gattung Centropyge zu bestätigen.

Bekanntlich braucht ein Wissenschaftler zur Beschreibung einer neuen Fischart mindestens ein Exemplar, besser jedoch mehrere. Ich werde daher aufgefordert, mich doch gelegentlich darum zu kümmern. Der Ichthyologe Richard Pyle von Hawaii, der seine Doktorarbeit über Zwergkaiserfische (Pygmy angelfishes) gerade vorbereitete, ist damals ganz versessen darauf, mich bei einer weiteren Mauritius-Reise zu begleiten.

Wir landeten im März 1990 - das ist die beste Jahreszeit zum Tauchen, es sei denn, ein Zyklon beliebt sich zu nähern. Nach unserer Ankunft war die Wetterlage stabil und wir freuten uns auf spannende Tauchgänge. Richard Pyle war sich da ganz sicher: "Helmut, dieser Kaiserfisch ist gar nicht so selten, wie du glaubst. Du bist nicht tief genug getaucht, denn in 60 – 70 m werde ich ihn gleich gruppenweise antreffen." Bei aller Liebe zur Wissenschaft meide ich solche Tiefen mit normaler Pressluft. Ich musste ihm aber glauben, da er im Pazifik genug Erfahrung mit Zwergkaisern gesammelt hatte, die in solch großen Tiefen leben. Wir waren beide optimistisch, den kleinen Centropygen an der mir gut verinnerlichten Steilwand wiederzufinden, denn Fischfänger Daniel sollte uns verabredungsgemäß zur Zielwand Rempart l‘herbe führen.

Das Tauchwetter war gut, nur weigerte sich Daniel plötzlich, mit uns an diesem Riff zu tauchen. Er machte uns unmissverständlich klar, dass das hier “sein” Gewässer sei und hier niemand anderes Fische fangen dürfe. Ziemlich verärgert verließen wir Flic en Flac. Uns war klar, wollten wir den unbekannten Zwergkaiserfisch finden, mussten wir weiter an der Westküste suchen, denn im Osten von Mauritius ist die Küste sehr flach. Alle bekannten Fischforscher hatten in den letzten Jahrzehnten die gesamte Westküste von Mauritius betaucht und den blauen Zwergkaiser im üblichen 40-Meter-Bereich nicht gesehen. Dann machte Tauch-Instructeur Hugues Vitry uns wieder Mut. Seine Tauchbasis liegt bei Trou aux Biches und er kennt die dortigen Tauchgründe wie kein anderer.

Unsere Ungeduld wuchs, als im Radio gemeldet wurde, ein Zyklon nähere sich von Osten. Hugues war nun endlich bereit, mit uns gemeinsam den Sondertauchgang an einer ihm bekannten Wand, die in 45 m Tiefe anfangen und steil ins Unendliche fallen sollte, durchzuführen. Wir tauchten zu dritt ab. Hugues und ich blieben im 50 m Bereich und schwammen an der unbekannten Riffwand entlang, während Richard in der Tiefe verschwand. Schon nach drei Minuten sehe ich ihn. Hastig, wie alle Zwergkaiser nun mal schwimmen, huscht der vielleicht 6 cm lange Fisch aus einer Felsspalte in die andere und zupft an den Algen. Wieder wage ich kaum zu atmen und pirsche mich näher heran. Der Winder der Kamera läuft. Habe ich den Flitzer nun scharf erwischt? Manchmal verschwindet der Zwergkaiser der düsteren, veralgten Felswand für Minuten, kommt aber zum Glück wieder hervor. Wenn er weg ist, werden die Minuten zur Ewigkeit! Als Hugues mich antippt, schaue ich auf den Computer: 52 m Tiefe und 13 Minuten getaucht. Es wird Zeit, aufzusteigen.

Von Richard keine Spur. Ich freue mich schon auf die Exemplare, die der Kenner der Zwergkaiser in größeren Tiefen gefangen hat, und hänge erwartungsvoll am Dekoseil. Da endlich taucht Richard auf. Sichtlich enttäuscht. Und ich kann es nicht fassen: Richard hat weder einen blauen Zwergkaiser gesehen noch gefangen. In seinem Behälter sind einige Mitratus-Falterfische und auch zwei Acanthops-Zwergkaiser, nur der von ihm vermuteten Gruppenansammlung des neuen Kaiserfischs ist er in bis zu 75 m Tiefe nicht begegnet. Im Indik herrschen wohl andere Gesetze als im Pazifik ….

Am nächsten Tag war Hugues mit Kunden ausgebucht und wollte mit ihnen nicht so tief tauchen. Zähneknirschend verstanden wir, dass sein Geschäft vorzugehen hatte, und machten einen "Lusttauchgang" zusammen mit den Touristen. Der Zyklon war inzwischen näher gekommen und an der Ostküste standen die Wellen schon meterhoch. Über Mauritius hingen tiefe schwarze Wolken, doch noch war das Wasser hier an der Westküste spiegelglatt. Die Zeit drängte, denn Richard und ich mussten den Kaiserfisch unbedingt fangen! Mit aufkommendem Wind fuhr Hugues allein mit uns beiden am darauf folgenden Morgen wieder raus. Es war ungemütlich, und Hugues konnte wegen der tiefliegenden Wolken kaum seine Orientierungsmarken an Land erkennen, mit dessen Hilfe er die Riffwand nur finden konnte. Richard und ich tauchten dann zusammen ab, während Hugues wegen des Wetters im Boot verharrte. In 15 m Tiefe ist es schon fast dunkel.

Hugues' Anker landet diesmal an einer anderen Stelle und wir haben Schwierigkeiten, den Wandabschnitt zu lokalisieren, an dem ich vor zwei Tagen den blauen Zwergkaiser fotografiert habe. Auf der Suche nach dem Habitat des kleinen Algenzupfers tauche ich nervös an der Wand entlang. Richard wird ungeduldig, weil ich die Stelle nicht gleich finde und lässt sich etwas tiefer fallen. Der Tiefenmesser hilft mir: Ich leuchte im 50-Meter-Bereich in die Höhlen und Überhänge hinein und finde tatsächlich nach fünf Minuten "meinen" herumwuselnden Kaiserfisch. Es muss ein sehr lauter Schrei gewesen sein, den ich bei seinem Anblick ausstoße, denn unmittelbar danach ist Richard neben mir, grinst mich an und "schiebt" den Fisch mit großem Geschick in den von mir gehaltenen Kescher. Mein Luftvorrat ist vor Aufregung fast aufgebraucht….

Unsere Augen leuchten, als wir zum Dekomprimieren an der Ankerleine des Tauchboots hängen. Und Hugues gratuliert uns herzlich, als Richard ihm den Fangeimer über die Bordwand reicht und er einen Blick hinein tut. Aus Erfahrung klug geworden — ein Zyklon hatte ihm sein vorheriges Holzboot am Ufer zerschlagen —‚ halfen wir Hugues direkt nach diesem Tauchgang, sein Boot so hoch wie möglich auf Land zu ziehen, denn das Unwetter hatte mit heftigem Regen längst eingesetzt. An Tauchen war in den nächsten Tagen nicht zu denken. Mich störte das alles recht wenig. Ich schaute nur dauernd den blauen Zwergkaiser an, der munter in einem vorbereiteten Aquarium schwamm. Richard brachte ihn und andere endemische Mauritius-Fische sogar lebend nach Hawaii. Dort begannen die vergleichenden Untersuchungen der Wissenschaftler, nachdem ich meine recht brauchbaren UW-Fotos übersandt hatte. Die Beschreibung des neuen Zwergkaiserfisches ist inzwischen erfolgt. Der (nicht die) Blaue Mauritius wurde mit wissenschaftlichem Namen nach mir benannt: Centropyge debelius. Eine Ehre, die mich stolz macht.

Wer kennt nicht DIE BLAUE MAURITIUS, hier DER blaue Mauritius als Briefmarke, Foto: © Archiv Debelius
Wer kennt nicht DIE BLAUE MAURITIUS, hier DER blaue Mauritius als Briefmarke, Foto: © Archiv Debelius