Aleksei Germans Film "Es ist schwer ein Gott zu sein" ist absolut großartig. Aber vollkommen irrsinnig.

Innerweltlicher Irrsinn

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Filmfoto
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BERLIN. (hpd) Nach seiner Uraufführung im November 2013 auf dem Filmfestival in Rom ist er nun zum 03. September 2015 in wenigen Kinos in Deutschland angelaufen. German drehte den Film von 2000 bis 2006. Die Postproduktion dauerte nochmals 7 Jahre. German hat ihr Ende nicht mehr erlebt, er starb 2013 kurz vor der Fertigstellung des Films.

Die sich an ein Buch der Brüder Strugatzki anlehnende Geschichte und die dahinter stehende Parabel sind schnell erzählt.

Ca. 30 Menschen werden von der Erde auf einen Planeten entsandt, der der historischen Entwicklung der Menschheit auf der Erde um 800 Jahre hinterher ist. Sie sollen dort die Entstehung einer Renaissance beobachten. Dabei ist es ihnen strikt untersagt, in den Prozess einzugreifen. Sie haben auf diesem Planeten die Stellung von Göttersöhnen und sind praktisch unverwundbar und unbesiegbar.

Die anfänglichen Entwicklungen von Wissenschaft (Bücher) und Technik (optische Linsen) auf diesem Planeten werden jedoch durch die Truppen eines Fürsten, "die Grauen", gestoppt. Gelehrte und Handwerker werden, sofern sie nicht fliehen können, ermordet, ihre Schriften und Produkte vernichtet. Die Grauen werden nach kurzer Zeit durch die Schwarzen, einen Orden, verdrängt, der nunmehr nicht nur Gelehrte und Handwerker, sondern wahllos die Bevölkerung vom lokalen Adel bis zu den Sklaven mordet.

Don Rumata, der "Held" des Films, steht zunehmend vor der Frage, ob er die Rolle des Beobachters aufgeben und einschreiten soll.

Filmplakat
Filmplakat

Die Parabel ist ebenso einfach: Don Rumata ist eine Jesusfigur – er reitet verkehrt herum auf einem Esel sitzend in die Stadt ein (Lukas 19, 28–40) –, die Grauen sind eine despotische weltliche Macht, die Schwarzen eine despotische religiöse Macht – ihr Verfolgungssystem mit Vorladungen und spitzen Mützen für die Angeklagten ist der spanischen Inquisition entnommen –; der Film ist voll solcher Symbolik.

Don Rumata hält es zunächst für sinnlos einzugreifen, weil auf die eine Herrschaft nur eine andere Herrschaft folgen wird, und alle Herren Sklaven brauchen. Nachdem jedoch die Figur der "Maria" – ihr Keuschheitsgürtel wird für Don Rumata mit einem Schwert aufgebrochen – von den Schwarzen ermordet wird, entschließt er sich doch einzugreifen: "Gott wird töten". Daraufhin bringt er alle Mitglieder der Schwarzen einschließlich ihres obersten Chefs um. Die Stadt ist entvölkert. Am Ende zieht er mit einer kleinen Gefolgschaft – einer von ihnen trägt eine Brille – jazzspielend und offensichtlich irre geworden über das Land; Menschen gibt es nur wenige, die Galgen stehen leer herum.

Diese Darstellung gibt den Film in keiner Weise wieder. Der Film kann nicht beschrieben werden, man kann ihn nur sehen. Er hat keinen strukturierten Verlauf. Die Geschichte geht irgendwie weiter, die Betonung liegt auf "irgendwie".

Der Film ist eine dreistündige Orgie in Dreck und Gestank.

Schmutz, Kot, Schlamm, Mist, Urin, Teer, Blut, Rotze, Scheiße, Federn, Kotze, Kadaver, Verfaultes, Eingeweide, Ungeziefer. Und Wasser, immer wieder Wasser. Es regnet ständig, Wasser tropft in allen Räumen, der Boden ist schlammig, nass, es ist nebelig, Dampfschwaden ziehen durch das Bild, immer wieder gibt es Waschschüsseln, Badebottiche, Teiche, ständig wäscht sich jemand – ohne sauber zu werden, häufig steht jemand im Wasser. Menschen, Straßen, Gebäude, Räume alles ist voller Schmutz. Man kann Umberto Eco mit seiner Aussage, dass im Vergleich zu Germans Filmen, die Filme von Quentin Tarantino wie Märchenfilme von Walt Disney wirken, nur zustimmen. Der Film musste notwendigerweise in schwarz-weiß gedreht werden. In Farbe wäre er nicht auszuhalten.

John Waters hat einmal einen Film in "Odorama" gedreht ("Polyester"). Während des Films wurde Zahlen eingeblendet und der Zuschauer musste auf einer Rubbelkarte das entsprechend nummerierte Feld reiben, woraufhin ein – bestenfalls seltsamer – Geruch abgegeben wurde. Auch in "Odorama" wäre "Es ist schwer ein Gott zu sein", nicht zu ertragen. Der Film stinkt von Anfang bis fast zum Ende. Ständig wird an irgendetwas Stinkendem gerochen, an alten Stiefeln, an Scheiße, an vergammeltem Essen, an anderen Menschen, an Schlamm, an Mist.

Nur in der ersten Szene der verschneiten Stadt und in der letzten Szene einer verschneiten Landschaft ist die Welt rein, sauber und wohlriechend.

"Es ist schwer ein Gott zu sein" ist ein Monster von einem Film mit wahnsinnigen Bildern.

Alexei German hat einmal gesagt: "Es ist schon erstaunlich, wie uns die Kunst des Filmemachens langsam abhanden kommt, ohne dass wir es überhaupt bemerken. Sieht man sich z.B. die Szene des weinenden Kaidanovski aus Stalker an, erkennt man sofort, wie großartig sie inszeniert wurde. Weder zeitgenössische russische noch amerikanische Filme können dieses Niveau erreichen. Film ist inzwischen nur noch etwas für Leute, die zu faul sind, das Buch zu lesen, und deshalb werden ihnen die Inhalte dieser Bücher von Schauspielern vorgesagt. Film ist eine heilige Kunst. Sie wird gerade von faulen Leuten mit leeren Augen an sich gerissen, die sich ihre Augen auch noch die ganze Zeit dabei zuhalten. Das größte Problem ist aber, dass kluge Zuschauer immer seltener geworden und immer schwerer zu finden sind."

Dem Film sind viele kluge Zuschauer zu wünschen.


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