"Viele Nicht-Biologen denken", so beobachtete George Williams, "es wäre zum Nutzen einer Klapperschlange, dass eine Rassel an ihrem Schwanz wächst." BZZT! Diese Form von Zweckhaftigkeit ist nicht erlaubt. Evolution basiert nicht darauf, dass sie Blitze von Sinn zufällig in die Welt sendet, um so eine Spezies zu ihrem Nutzen zu verändern.
Evolution ist angetrieben von einer systematischen Korrelation zwischen den verschiedenen Genen, welche Organismen bilden und der Anzahl an Kopien, die diese Gene in die nächste Generation bringen können. Damit Klapperschlangen Rasseln wachsen lassen können, müssen Rassel-Gene von Generation zu Generation häufiger werden. (Eigentlich Gene für langsam komplexer werdende Rasseln, doch wenn wir einmal damit beginnen, all die Untiefen und Stolperdrähte der Evolutionsbiologie auszuführen, säßen wir morgen Früh noch hier.)
Da ist keine Evolutions-Fee, die sich den gegenwärtigen Stand der Natur ansieht und entscheidet, was eine "gute Idee" wäre und auf dieser Basis entscheidet, die Häufigkeit von Rassel-Genen zu steigern.
Ich nehme an, dass das der Punkt ist, an dem viele Leute Schwierigkeiten mit dem Verständnis der Evolutionsbiologie bekommen. Sie verstehen, dass "hilfreiche" Gene häufiger werden, doch "hilfreich" impliziert einen Zweck. Sie glauben zwar nicht an die Evolutions-Fee, doch fragen sie nichts desto trotz, welche Gene "hilfreich" wären, ganz so als wäre ein Klapperschlangen-Gen in der Lage nicht-Klapperschlangen zu "helfen".
Die entscheidende Feststellung liegt darin, dass es diese Fee eben gibt. Da ist keine äußere Kraft, die entscheidet, welche Gene gefördert werden sollte. Was auch immer passiert, passiert durch die Gene selbst.
Gene für die Konstruktion von (stetig besseren) Rasseln müssen irgendwie häufiger im Klapperschlangen-Genpool geworden sein. In diesem Fall ist es wahrscheinlich, dass Klapperschlangen mit besseren Rasseln häufiger überlebten, im Gegensatz zu den Alternativ-Annahmen, dass sie sich erfolgreicher fortpflanzen konnten oder Geschwister hatten, welche sich erfolgreicher fortpflanzen konnten, etc.
Vielleicht mahnt die Rassel Jäger zur Vorsicht und lässt sie nicht auf die Schlange treten. Oder vielleicht zieht die Rassel Aufmerksamkeit vom Kopf der Schlange. Wie George Williams sagte: "Der Ausgang eines Kampfes zwischen einem Hund und einer Viper hängt sehr stark davon ab, ob der Hund das Reptil zuerst bei seinem Kopf oder seinem Schwanz packen würde."
Doch das ist eben nur die Rassel einer Klapperschlange. Es gibt viel komplexere Wege, auf denen ein Gen dafür sorgen kann, dass seine Kopien in der nächsten Generation häufiger auftreten. Jemandes Geschwister teilen die Hälfte seiner Gene. Ein Gen, welches eine Einheit einer Ressource einsetzt, um drei Einheiten der Ressource in einem Bruder zu schützen, schafft es möglicherweise, mehr Kopien seiner selbst in die nächste Generation zu bringen, indem es einen seiner konstruierten Organismen opfert. (Wer mehr über die Details und Schwierigkeiten wissen möchte, sollte ein Buch über Evolutionsbiologie kaufen, es gibt hier keinen Königsweg.)
Der zentrale Punkt ist, dass der Effekt des Gens dazu führen muss, dass Kopien dieses Gens in Zukunft häufiger werden. Da ist nichts, was entscheidet, ob manche Gene "hilfreich" sind und dementsprechend in größerer Zahl auftreten sollten. Es ist die schlichte Abfolge von Ursache und Wirkung, die sich aus den Genen selbst entwickelt.
Warum ist die Natur stets im Kriege mit sich selbst? Weil es nicht die Evolution gibt, die den ganzen Prozess steuert. Es gibt so viele verschiedene "Evolutionen", wie es sich reproduzierende Populationen gibt. Die Häufigkeit von Hasen-Genen erhöht und vermindert sich in Hasenpopulationen, gleiches gilt für die Gene von Füchsen in Fuchs-Populationen. Fuchs-Gene, welche Füchse schaffen, die Hasen fangen, werden mehr Kopien ihrer selbst in die nächste Generation übertragen können. Hasen-Gene, welche Hasen erzeugen, die Füchsen besser davon laufen können, werden in zukünftigen Generationen häufiger vorkommen. Daher der Ausdruck "natürliche Auslese".
Warum ist die Natur grausam? Wir, als Menschen, können uns die Ichneumon-Wespe ansehen und entscheiden, dass es grausam ist, seine Beute bei lebendigem Leib zu verspeisen. Wir können entscheiden, dass, falls man seine Beute schon lebend fressen muss, man wenigstens den Anstand besitzen könnte, ihr keine weiteren Schmerzen zuzufügen. Es würde die Wespe kaum mehr Energie kosten, ihre Beute sowohl zu paralysieren als auch zu betäuben. Oder was ist mit alten Elefanten, die verhungern, wenn ihnen die letzten Zähne ausgefallen sind? Diese Elefanten werden sich ohnehin nicht mehr fortpflanzen. Was würde es die Evolution – oder eher die Evolution der Elefanten – kosten, das Tier sofort sterben zu lassen, statt qualvoll und langsam? Was würde es die Evolution kosten, den Elefant zu betäuben oder ihm angenehme Träume zu geben, bevor er stirbt? Nichts, der Elefant würde sich nicht mehr oder weniger fortpflanzen, so oder so.
Wenn man mit einem Mitmenschen reden würde und es darum ginge, einen Interessenkonflikt zu beenden, wäre man in einer guten Verhandlungsposition. Es würde so wenig kosten, die Beute zu betäuben, den Elefanten ohne jene grausame Agonie sterben zu lassen? Oh bitte, wärst du so nett… äh…
Da ist niemand, mit dem man verhandeln kann.
1 Kommentar
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Eine gute Übersetzung, denke ich.
"Gene für die Konstruktion von (stetig besseren) Rasseln müssen irgendwie häufiger im Klapperschlangen-Genpool geworden sein. In diesem Fall ist es wahrscheinlich, dass Klapperschlangen mit besseren Rasseln häufiger überlebten, im Gegensatz zu den Alternativ-Annahmen, dass sie sich erfolgreicher fortpflanzen konnten oder Geschwister hatten, welche sich erfolgreicher fortpflanzen konnten, etc." 'Irgendwie'? Der erste Teil der Erklärung geht eigentlich nicht ohne den scheinbaren 'Gegensatz': Häufigeres Überleben BEDEUTET erfolgreicheres Fortpflanzen und damit häufiger Gene für bessere Rasseln im Genpool.
Und das Eingangsbild ist arg generalisiert; ich vermisse schmerzlich endosymbiotische Verbindungen zwischen Bakterien und Eukaryoten.