Ein Kapitel führt Argumente für die Regulierung der Märkte an. Eine solche sei nötig um den Abweichungen (Marktunvollkommenheiten) der idealisierten Märkte der Standardmodelle, die J. K. als "Achillesfersen" bezeichnet, zu begegnen. Als solche "Achillesfersen" der Märkte werden u.a. untersucht: Prinzipal und Agent, Moral Hazard, opportunistisches Verhalten, Ausbeutung, Transaktionskosten, die Bedeutung von Zeit und Raum, Pfadabhängigkeit, nicht vorhandene Märkte (ökologische Ressourcen) sowie die Festlegung von Grenzwerten und Standards.
Im Abschnitt "Angewandte Mikroökonomie in der real existierenden Wirtschaft" werden auf typische Probleme der real existierenden Wirtschaft wie Mindestlohn, Preiskontrollen, Gewerkschaften, Diskriminierung, Umverteilung, Lebensstandard, Glück und Wachstum, Armut und Verschuldung die verschiedenen Modelle vollkommener und unvollkommener Märkte angewendet und aufgezeigt, zu welchen unterschiedlichen Schlussfolgerungen diese führen.
Teil 4 - "Real World"-Makroökonomie
Teil 4 beginnt auf 25 Seiten mit einem gedrängten Abriss zur Wirtschaftsgeschichte beginnend mit der Großen Depression von 1930 bis zur Finanzkrise von 2008 mit der sich anschließenden Großen Rezession und den in dieser Zeitspanne richtungsweisenden Ökonomen J.M. Keynes, P. Samuelson (Neoklassische Synthese) und der monetären Gegenrevolution der neoliberalen M. Friedman und F.A. Hayek. Für Leser, die sich das erste Mal dem Thema Volkswirtschaft zuwenden, kann es vorteilhaft sein, sich nach der Einleitung gleich diesen Abschnitt zur Wirtschafts- und Ideologiegeschichte durchzulesen.
Im Anschluss betrachtet der Autor kritisch "Makroökonomische Aggregate und Variablen" wie Bruttoinlandsprodukt, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, Wirtschaftswachstum und die natürliche Arbeitslosenquote. Unter "Aspekte der Wirtschaftspolitik" werden die Rolle des Staates als ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschaft hervorgehoben und Themen wie Geldpolitik, Löhne, Ersparnisse und Steuern behandelt.
Nachfolgend wird der Einfluss des Außenhandels auf die Volkswirtschaft untersucht und "eine der unbestritten Säulen der Ideologie des freien Marktes", der komparative Kostenvorteil hinterfragt und ausgeführt, dass "diese Theorie aus sechs Gründen irreführend [ist]." (S. 323) Im Freihandel sieht J. K. "kein Rezept für Wachstum in weniger entwickelten Volkswirtschaften" und verweist darauf, dass ganz im Gegenteil Staaten wie England, Deutschland, Japan, Südkorea und China ihre Wirtschaftsentwicklung durch protektionistische Handelspolitik abgesichert haben.
Ein eigenes Kapitel widmet J. K. "Makroökonomischen Externalitäten", d.h. der Umwelt, Nachhaltigkeit und einer Umweltgesamtrechnung. "Umweltzerstörung ist eine der 'Achillesfersen' der Märkte. […] Kollektives Handeln ist dringend erforderlich." (S. 342)
Auf weiteren 22 Seiten wird mit Verweis auf die Arbeiten des Ökonomen Hyman Minski aus den 1960er Jahren die Finanzkrise von 2008 mit der sich anschließenden Großen Rezession analysiert, sowie die von Politik und Finanzwirtschaft ergriffenen Gegenmaßnahmen kritisch kommentiert.
Das Fazit des Buches fordert unter der Überschrift "Über den Tellerrand hinausschauen" eine Neuausrichtung der Volkswirtschaftslehre vor allem hinsichtlich der Verteilungsgerechtigkeit. Und "die Vorhersagekraft der herkömmlichen Ökonomie ist minimal. Sechs große Widersprüche der aktuellen Lehrmeinung [im Buch dargestellt] zeigen, dass die ökonomische Theorie in der Krise ist und ein Paradigmenwechsel notwendig ist." (S. 375) Die meisten herkömmlichen Lehrbücher "verschweigen die wichtigen Durchbrüche der nobelpreisgekrönten Ökonomen Herbert Simon (Satifizierung), Armatya Sen (Wohlfahrtsökonomie), George Akerlof (asymmetrische Information), Michael Spence (Signaling), Joseph Stiglitz (unvollkommene Information), David Kahneman (begrenzte Rationalität), Paul Krugman (neue Handelstheorie) und Oliver Williamson (Transaktionskosten) oder erwähnen sie nur am Rande." (S. 370)
"Es erfordert ein hohes Maß an Beweisresistenz im Angesicht der größten Finanzkrise der Menschheitsgeschichte weiterhin zu lehren, dass Märkte effizient sind. Daher müssen wir die Wirtschaftswissenschaften so umkonstruieren, dass sie mit empirischen Daten als Grundlage beginnen und nicht mit deduktiven Theorien." (S. 378)
John Komlos: Ökonomisches Denken nach dem Crash - Einführung in eine realitätsbasierte Volkswirtschaftslehre, Metropolis-Verlag, Marburg 2015, 378 Seiten, 26,00 Euro, ISBN–10: 3731610833