Eine ideengeschichtliche Studie

Faschismus und Wirtschaftsliberalismus

bundesarchiv_bild_146-1976-097-22_flugzeug_junkers_ju_88_bau.jpg

Junkers-Werk Aschersleben: Serienbau von Ju-88-Rümpfen
Junkers-Werk Aschersleben

Der israelische Ideenhistoriker Ishay Landa geht in "Der Lehrling und sein Meister. Liberale Tradition und Faschismus" demokratietheoretisch bedenklichen Elementen des Wirtschaftsliberalismus nach. Auch wenn manche Deutungen bemüht seine Interpretation bestätigen sollen, kann er berechtigt bei bedeutsamen autoritären Denkern auf deren wirtschaftsliberale Orientierung aufmerksam machen.

Bildet der Faschismus auch immer einen Gegensatz zum Liberalismus? Eigentlich müsste man diese Frage bejahen, ginge es um das Freiheitsverständnis. Aber wie würde die Antwort lauten, wenn Liberalismus ökonomisch verengt verstanden werden würde? Eine diesbezügliche Frage erörtert Ishay Landa, der als Historiker, genauer als Ideenhistoriker, an der Israeli Open University lehrt. In seinem Buch "Der Lehrling und sein Meister. Liberale Tradition und Faschismus" geht es um die genannte Problematik. Sie wird von dem Autor wie folgt formuliert: "War der Faschismus das Ergebnis eines im weitesten Sinne verstandenen politischen Liberalismus oder aber eines – ebenfalls weit gefassten – Wirtschaftsliberalismus?" (S. 23). Der Darstellung seiner Deutungen muss zunächst noch eine Erläuterung vorangestellt werden: Dem Autor geht es nicht um eine vulgärmarxistische Betrachtung, wonach der Faschismus ebenso eine Form der bürgerlichen Herrschaft sei wie der Liberalismus. Einschlägige Literatur wird auch nicht vom Verfasser rezipiert.

Cover

Er ist von einer ideengeschichtlichen Blickrichtung geprägt, stehen doch einschlägige Denker bei ihm im Zentrum. Und dann nimmt Landa auch eine konstitutive Unterscheidung vor: Die Aufmerksamkeit richtet sich jeweils auf den politischen und wirtschaftlichen Liberalismus. Hierbei lässt sich aber auch eine einseitige Fixierung auf die letztgenannte Variante konstatieren, was ein grundlegender Kritikpunkt an dieser Veröffentlichung wäre. Die zentrale Aussage des Buchs lautet, "dass der Wirtschaftsliberalismus dem Inhalt des faschistischen Experiments sehr viel näher stand als der politische Liberalismus und dass die antiliberalen Aspekte letztlich funktional waren, um politische Unterstützung zu mobilisieren und den Widerstand gegen eine aggressiv kapitalistische Agenda zu schwächen" (S. 27). Hier deutet sich bereits die ideologische Ausrichtung von Landa an, gleichwohl ist seine kritische Erörterung des Wirtschaftsliberalismus durchaus wichtig. Denn er weist berechtigt auf Demokratiedefizite im politischen wie wirtschaftlichen Liberalismus hin.

Bereits bei den Ausführungen zu Locke wird deutlich, dass dieser Gründungvater des Liberalismus nicht die breite Masse an politischer Partizipation beteiligen lassen wollte. Dies gilt übrigens auch für andere liberale Denker wie etwa John Stuart Mill. Und dann listet der Autor zahlreiche Beispiele dafür auf, dass für ihn faschistische Denker sehr wohl liberale Wirtschaftsvorstellungen hatten. Dabei ist das Faschismusverständnis von Landa indessen sehr weit gefasst. Die von ihm gemeinten Denker traten aber doch für autoritäre bis totalitäre Politikkonzepte ein. Dazu gehörten etwa Arthur Moeller van den Bruck und Carl Schmitt oder Georges Sorel und Oswald Spengler, alles auch geistige Leitfiguren der gegenwärtigen Neuen Rechten. Der Autor blickt ebenso auf Hitler und dessen Wirtschaftspositionen. Später geht es ihm noch um liberale Mythen, welche die postulierte Distanz zum repressiven Faschismus verdeutlichten. Dabei wird etwa auf den Aspekt eines Individualismus auch bezogen auf das faschistische Persönlichkeitsbild verwiesen.

Bei diesen Ausführungen verstolpert sich Landa immer wieder, will er dann doch wohl sehr bemüht seine Ausgangsthese auch stets unter Beweis stellen. Denn mit dem liberalen Individualismus geht ein gleichrangiges Menschenbild einher, was eben beim Faschismus mit konstitutivem Führerdenken nicht so ist. Der Autor ignoriert bei seinen Deutungen außerdem das reale Spannungsverhältnis, das etwa zwischen individuellen Grundrechten und demokratischem Mehrheitsprinzip besteht. Gleichwohl macht er immer wieder auf die antidemokratischen Dimensionen eines reinen Wirtschaftsliberalismus aufmerksam. Hier hätte er auf einschlägige liberale Demokratietheorien des 20. Jahrhunderts noch ausführlicher eingehen können. Beachtung verdienen ebenso die kritischen Kommentare, die sich etwa auf die Faschismus-Interpretation von Zeev Sternhell beziehen. Auch wenn das Buch in der Gesamtschau nicht zu überzeugen vermag, so verweist es doch auf demokratietheoretisch problematische Potentiale wirtschaftsliberaler Vorstellungen.

Ishay Landa, Der Lehrling und sein Meister. Liberale Tradition und Faschismus, 2. Auflage, Berlin 2022, Karl Dietz-Verlag, 407 Seiten, 20 Euro

Unterstützen Sie uns bei Steady!