Der Missbrauch des Adjektivs "grün"

Das Wachstum ist der Umwelt sein Tod

Die Verknappung wichtiger Ressourcen wird uns wie die Klimaerwärmung zu Verhaltensänderungen zwingen. Das begrenzte Angebot trifft auf eine explodierende Nachfrage, denn schon in 35 Jahren werden 30 % mehr Menschen auf dieser Erde leben als heute, die auch ihren Lebensstil dem der Industriegesellschaften anpassen wollen. Und schon in 15 Jahren werden wir nach konservativen Berechnungen der UN zwei Planeten brauchen, um den globalen Ressourcenbedarf zu decken – wir haben aber nur einen.

Robert F. Kennedy brachte es auf den Punkt: “Das Bruttoinlandsprodukt beinhaltet weder die Schönheit unserer Poesie noch die Intelligenz unserer öffentlichen Debatten. Es misst weder unseren Verstand noch unseren Mut, unsere Weisheit, unsere Erkenntnisse, unser Mitgefühl oder unsere Hingabe. Kurz, es misst alles – nur nicht das, worauf es im Leben wirklich ankommt.”

Worauf kommt es denn an?

Seit die negativen Konsequenzen wirtschaftlicher Aktivitäten nicht mehr zu leugnen sind und “grün” ein Synonym für umweltschonendes Wirtschaften wurde, mehren sich Konzepte, die mit dem Attribut “grün” belegt werden: “Green New Deal”, “Green Economy”, “Green Growth”, “Green IT”, “Green Technology”, “Green Revolution”, “Green Building” und “Green Office”.

“Green New Deal” steht hierbei für grüne Konjunkturprogramme, die die Wirtschaft ankurbeln, “grüne Jobs” schaffen, und den Klimawandel bzw. drohende Ressourcenengpässe mindern sollen. Der Umweltschutz soll mit marktwirtschaftlichen Mitteln, statt ausschließlich mit Verboten und Geboten, durchgesetzt werden. Eine Integration ökologischer Nachhaltigkeit in das gesamte Wirtschafts- und Gesellschaftssystem sei dafür überfällig. Umweltschutz wird dann betriebswirtschaftlich billiger als Umweltverschmutzung. Doch reichen diese systemimmanenten Maßnahmen aus, um die Versorgung aller Erdenbewohner mit Gütern und Dienstleistungen unter Berücksichtigung der Generationengerechtigkeit sicher zu stellen?

Die Autoren des Buches sind überzeugt, dass Ökonomie und Natur nicht in Einklang zu bringen sind, solange es um mehr Wachstum und um mehr Konsum geht. Auch der Versuch, für die Natur einen Geldwert zu errechnen, trage nicht zur Nachhaltigkeit bei. Die Ökologie verkommt so zu einer Begleiterscheinung des Wirtschaftswachstums. Die Autoren warnen davor, sich selbst zu betrügen und zu glauben, dass es mit “ein bisschen grün angestrichener Wirtschaft” zu schaffen sei. Umweltschutz mit Wirtschaftswachstum versöhnen zu wollen bleibt Illusion.

Radikales Denken als Voraussetzung einer Erneuerung

Der fossile Kapitalismus erfordert ein radikales Umgestalten der Wirtschaft. Der Abschied vom Wachstum muss geplant und vorbereitet werden, da es sonst zu massiven sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen kommt, die viele Menschen in Existenznöte stürzt. Doch einen grundsätzlichen Umbau unserer Ökonomie, der keine volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Brüche riskiert, gibt es nicht.

Wachstumskritiker haben nur dann eine Chance auf politische Akzeptanz, wenn ihr Konzept überzeugende Antworten auf die Frage formuliert, wie bei einem schrumpfenden Sozialprodukt und einer steigenden Weltbevölkerung die Lebensqualität global und generationenübergreifend auf einem angemessenem Niveau sichergestellt werden kann. Der Umbau zu einer ökologischen Wirtschaftsweise muss nachhaltig sein und eine weltweite Armutsreduzierung verfolgen. Da dies die Grüne Ökonomie nicht leisten kann, muss weiter nach Lösungen gesucht werden.

Hier endet das Buch “Kritik der Grünen Ökonomie”, ohne einen Ausweg aus der Misere zu weisen. Diesen Anspruch hatten die Verfasser auch nicht. Es gibt sicher keinen einfachen Königsweg zum ökologischen Umbau unserer Volkswirtschaft, der all unsere Ressourcen- und Umweltprobleme löst. Aber ein geeignetes Bündel von Maßnahmen muss auch das Verbot der “geplanten Obsoleszenz” enthalten.

Barbara Unmüßig, Thomas Fatheuer, Lili Fuhr, “Kritik der Grünen Ökonomie”, 192 Seiten, oekom verlag München, 2015, ISBN–13: 978–3–86581–748–8, 14,95 Euro